Drachengabe - Diesig. Torsten W. Burisch

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„Gleich werde ich mit Nomos reden können. Ich verspreche dir, dass ich ihn nicht nur auf unser Problem mit den hohen Elfen anspreche, sondern ihn nochmals bitten werde, nach Tami zu suchen. Und wenn er eine Spur findet, dann werden wir beide uns die Zeit nehmen, ihr nachzugehen. Einverstanden?“

      Der Kloß in Dantras Hals ließ eine Antwort nicht zu. Also nickte er nur und rang sich ein erzwungenes Lächeln ab.

      Akinna ging zurück zum See und unternahm noch einige vergebliche Versuche, um wenigstens eine Bestätigung zu bekommen, dass es dort unten etwas gab, was zu rufen sich lohnte. Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, machte sie sich auf den Weg zu einem nahe gelegenen Wald, in dem eine kleine Gruppe von Salakt-Tren-Blumen wuchs. Dantra sollte inzwischen beim See warten, falls doch noch eine verspätete Reaktion auf ihre Rufe eintreten sollte.

      Auch wenn es Dantra wesentlich länger erschien, so hatte sich die Sonne kaum am Horizont bewegt, als er Akinna über die freie Fläche zurückkommen sah. Sie war kaum in Hörweite, da schimpfte sie schon ungehalten los. „Wag es nicht zu lachen!“

      Dantra schaute sie an, als wäre sie eine Kuh, die Eier legte. „Was meinst du?“

      „Unwichtig! Du musst nur wissen, dass du sämtliche dumme Sprüche oder ein etwaiges dämliches Grinsen unterdrücken solltest. Das, was ich laut Nomos versuchen soll, um die Elfen heraufzubeschwören, ist mehr als nur ein Opfer. Es ist demütigend!“

      Ohne seinen Beobachtungsposten zu verlassen, sah Dantra verblüfft zu Akinna hinüber. Sie stand nun wieder direkt am See und hatte angefangen, ihre Stiefel auszuziehen und ihre Hose hochzukrempeln. Sie legte ihren Umhang ab und zog das kleine schwarze Band aus ihren Haaren, welches diese Tag und Nacht zum Zopf zusammenhielt. Bisher hatte Dantra sie nur einmal und auch nur kurz im magischen Wald mit offenen Haaren gesehen. Schon damals hatte ihn der Anblick fasziniert. Es war, als würde dies die menschlichen Spuren in ihr verwischen. Als würde sie sich zur vollkommenen Elbin verwandeln. Vor allem jetzt, mit dem See im Hintergrund, auf dem die Sonnenstrahlen zu tanzen schienen, und dem leichten Wind, der ihre kastanienroten Haare sacht verwirbelte, wirkte es, als könne sie schweben. Über all dem Menschlichen, dem menschlich Schlechten auf dieser Welt schweben. Als könne nichts von all dem an sie heranreichen und sie mit Wut, Trauer und Verzweiflung überziehen. Es war ein seinesgleichen suchender, magischer Augenblick.

      „Denk daran, wehe, du lachst!“

      Akinnas Drohung brachte Dantra zurück auf den harten Boden der Realität. Ihrer erhabenen elbischen Erscheinung zum Trotz war ihr Charakter doch mehr der eines Menschen denn eines Elbs. Und Dantra wusste, was nun auch immer folgen würde, er tat gut daran, sich lieber die Innenseiten seiner Wangen zu zerbeißen, als diese zu einem Grinsen zu verziehen.

      Es sollte sich jedoch herausstellen, dass es gar nicht schwierig war, ein Lachen zu unterdrücken. Ganz im Gegenteil. Seine Faszination kehrte bei der folgenden Szene ungebrochen zurück und verdoppelte sich sogar.

      Akinna war bis zu den Knien ins Wasser gewatet und verharrte kurz. Es schien, als hätte sie Zweifel, ob Nomos sie nicht vielleicht unvorstellbarerweise einfach nur zum Narren halten wollte. Dann besann sie sich allerdings seiner Worte und beugte sich tief vornüber. Ihre langen, herabhängenden Haare tauchten als Erstes ins kalte Nass, dann folgte ihr ganzer Kopf. Nur eine Bienen-Blüten-Landung lang hielt sie still, bevor sie sich wieder erhob. Allerdings nicht, wie man es vermuten würde, langsam und mit Bedacht darauf, sich die Kleidung nicht nass zu machen, sondern mit Schwung. Dabei schleuderte sie ihren Kopf so in die Höhe, dass ihre Haare umherflogen und das Wasser daraus regenbogenförmig über sie hinwegspritzte. Noch bevor der letzte Tropfen zu seinem Ursprung zurückkehren konnte, tat sich nicht weit von Akinna entfernt eine Wasserwand auf, die das Dreifache ihrer Körpergröße überschritt. Es hatte den Anschein, als wäre ein Wasserfall aus dem Nichts emporgestiegen und würde sich, ohne eine vorhandene Felskante, unaufhörlich in die Tiefe ergießen. Aus den Wassermassen formten sich drei menschenähnliche Gestalten, die genau wie Akinna vor ihnen ihren Oberkörper und ihren Kopf so schwungvoll nach oben rissen, dass auch bei ihnen die Wassertropfen in Regenbogenform in den Mittagshimmel spritzten. Jedoch viel gewaltiger.

      Nun aufrecht stehend überragten die Wesen sogar die angrenzenden Bäume. Auch wenn ihre Gewänder, ihre Haare und selbst ihre Gesichter ständig von Wasser überzogen waren, waren sie dennoch als Elfen deutlich zu erkennen. Ihr schmales Gesicht, ihre glatten, langen Haare und auch ihre graziösen Bewegungen ließen keinen Zweifel an dem, was sie waren.

      Aus neugierigen Augen schauten sie auf Akinna herab. Als sie begriffen, dass sie es war, die sie mit ihrem anmutigen Verhalten gerufen hatte, schrumpften sie so schnell auf ihre Größe wie ein Schneehaufen, dem man mit heißem Wasser zu Leibe rückte.

      „Ist sie eine Elbin?“

      „Magisch?“

      „Eine magische Elbin.“

      Die drei Wasserwesen sprachen miteinander, als hätte Akinna ihr Erscheinen gar nicht mitbekommen.

      „Ich grüße euch, hohe Elfen der Tiefe“, begrüßte sie die Gestalten ehrfürchtig. „Mein Name ist Akinna. Und ich erbitte eure Hilfe. Wir sind auf der Suche ...“ Doch sie wurde unterbrochen.

      „Hilfe?“

      „Von uns?“

      „Wie könnten wir schon helfen?“

      „Wir sind auf einer Mission. Und wir brauchen euer Wissen für deren Erfüll...“

      „Wissen?“

      „Was können wir schon wissen?“

      „Ich weiß es nicht.“

      Jedes Mal, wenn die Elfen etwas sagten, taten sie das auf die immer gleiche Weise. Sie sprachen stets alle. Erst die Elfe in der Mitte, dann jene zu ihrer linken, zum Schluss die auf der rechten Seite.

      Akinna startete einen erneuten Versuch, ihr Anliegen vorzubringen. „Wir haben aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass ihr das Wissen über den Verbleib des ...“

      „Zuverlässige Quelle?“

      „Was soll das für eine zuverlässige Quelle sein?“

      „Ich vertraue nur unserer eigenen Quelle.“

      „Nun“, setzte Akinna nach, „meine Quelle verfügt über einen schier endlosen Wissensschatz. Und aus diesem geht klar hervor, dass ihr um den Verbleib des Dolches des Vertrauens ...“

      „Ist es eigentlich schon wieder Herbst?“

      „Färben sich die Blätter bunt?“

      „Ja, es ist schon wieder Herbst.“

      Die Elfen taten nun wieder, als wäre Akinna gar nicht da, und schauten sich stattdessen die Umgebung an.

      „Es gilt, eine Wegsagung zu erfüllen. Aber das schaffen wir nur mit dem Dolch des Vertrauens.“ Akinnas Stimme ließ ein leichtes Flehen erahnen. Doch es war, als würden ihre Worte nicht mehr durch das Wasser bis an die Ohren der Elfen gelangen. „Wir sind chancenlos, wenn ihr uns nicht an eurem Wissen teilhaben lasst. Ich bitte euch inständig.“

      „Ist es nicht kalt hier oben?“

      „Unangenehm kalt.“

      „Es ist Zeit, wieder ins Warme zu gehen.“

      Sie schrumpften weiter, sodass sie etwa auf Augenhöhe eines Kindes gewesen wären, und begannen, im nassen Blau zu verschwinden.

      „Jetzt reicht es mir aber!“ Mit seinem Wutausbruch lenkte Dantra zum ersten Mal die Aufmerksamkeit der Elfen auf sich. Mit den Armen fuchtelnd stapfte er aufs Ufer zu. „Ich meine, was soll der Mist? Wir haben keine Zeit für solch ein Geplänkel. Der Welt, in der wir leben, geht es äußerst schlecht. Und um das zu ändern, sind wir hierhergekommen. Aber anstatt uns zu helfen, faselt ihr von den Jahreszeiten und wollte euch dabei klammheimlich und feige verdrücken.“ Mit dem Wort feige bekam er zwar die Reaktion, die er wollte, allerdings etwas intensiver als eigentlich angestrebt.


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