.

 -


Скачать книгу
um ihnen, wie in der gnadenlosen Umarmung fleischfressender Pflanzen, alles Leben herauszuquetschen,

      Jetzt schrie auch Ned Harlan wie am Spieß.

      Vor ihm blitzten unheilverkündende Worte in blutroter Schrift auf.

       Es ist nicht tot, was ewig liegt!

      In diesem Moment legte sich eine Hand auf seine Schultern und riss ihn herum. Vor Angst entleerte sich seine Blase. Warm lief die Flüssigkeit an den Innenseiten der mit Krampfadern übersäten Schenkel hinab.

      Vor ihm stand … Caleb Philbin.

      Augenblicklich verstummten der Bankangestellte, und auch Laura, die sich ebenfalls umgedreht hatte.

      Irritiert starrte Ned den Hausmeister an, als würde er einen Geist sehen. Nur langsam wich das Grauen aus seinem Blick und machte wildem Zorn Platz, der in seinen kleinen Pupillen aufflackerte.

      »Verflucht noch mal, Philbin, haben Sie mich vielleicht erschreckt!«

      »Haben Sie denn nicht gesehen, dass dieser Bereich abgesperrt ist?«, gab der Hausmeister ungerührt zurück. »Jenseits des Absperrbandes besteht akute Einsturzgefahr. Das ist lebensgefährlich!«

      »Ach, was Sie nicht sagen«, entgegnete Harlan, in dessen Herz noch immer die Glut des Grolls brannte. »Warum wird das denn dann nicht besser abgesichert, als mit einem solch beschissenen Plastikband?«

      »Weil außer mir und meiner Frau jenseits der Saison niemand hier unten ist, Harlan. Die Umbauarbeiten werden noch vor der Saisoneröffnung stattfinden. Außerdem verirrt sich normalerweise kein Gast ins Untergeschoss, erst recht nicht zu dieser nachtschlafenden Zeit. Was suchen Sie eigentlich hier?«

      Der Dicke ging auf die Frage gar nicht erst ein, sondern wetterte stattdessen weiter. Speichel sprühte von seinen Lippen. »Ich habe gerade beinahe eine Herzattacke erlitten, weil Sie sich wie ein Krimineller hinterrücks an uns herangeschlichen haben.«

      Laura zitterte noch immer. Ihr Verlobter hielt es jedoch nicht für nötig, sie zu trösten oder sie in den Arm zu nehmen, denn dafür war er mal wieder viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

      »Sie dürften gar nicht hier sein«, zischte Caleb Philbin leise und gefährlich. »Gehen Sie sofort wieder auf Ihr Zimmer.«

      Als der Mann vor ihm erneut aufbegehren wollte, bedachte ihn der Hausmeister mit einem mitleidigen Blick. »Ich glaube, Sie haben ohnehin dringend eine Dusche nötig.«

      Erst jetzt wurde Harlan bewusst, dass er sich vor Schreck in die Hose gemacht hatte. Die Nässe, die er an seinen Schenkeln spürte und der Harngeruch, der in seine Nase stieg, waren wie ein verfluchtes Stigma.

       Das Stigma eines feigen Hosenpissers!

      Seine Wut verrauchte und Scham rötete seine feisten Wangen. Aber da war noch etwas in seinem Innern, das heiß wie Kohle in den Eingeweiden schlummerte.

      Hass!

      Hass auf Caleb Philbin, der wusste, dass er sich in die Hosen gepisst hatte.

      Hass auf Laura, die Zeugin davon geworden war.

      Hass auf dieses verfluchte Snow Hill Hotel.

       Es ist nicht tot, was ewig liegt!

       Und in fremder Zeit wird selbst der Tod besiegt!

      1-4

      Am nächsten Morgen wollte Caleb Philbin eine Bestandsaufnahme der Vorräte machen. Das hatte er sich zwar schon gestern vorgenommen, aber auf dem Weg in die Kühlräume war ihm ein defektes Abflussrohr in der Küche aufgefallen, das er lieber sofort repariert hatte, und danach war er zu müde gewesen.

      Hillary war schon zeitig aufgestanden, um in der Hauptküche das Frühstück zuzubereiten. Wie immer glänzte der gekachelte Raum vor Sauberkeit. Die glatten Flächen waren allesamt auf Hochglanz gebracht worden. Es gab zwei Gas- und zwei Elektroherde mit Cerankochfeldern. Dazu einen Brat- und Backofen, Mikrowellen, Dunstabzugshauben, ein Lavasteingrill, eine Standfritteuse, verschiedene Wärme- und Arbeitsplatten, einen Schockfroster, Kühlzellen, beheizte und unbeheizte Hochschränke sowie Arbeitstische aus Chromnickelstahl.

      Die Spüle hatte drei Becken, und an einer Wand standen hohe, weiße Schränke, gefüllt mit einem erstaunlichen Sortiment aus Töpfen, Schalen, Pfannen und sonstigem Geschirr.

      Auf der anderen Seite hing ein langes Brett mit allen Arten von Schneidewerkzeugen, angefangen von Schäl-, Brot- und Tranchiermessern bis hin zu einem Hackbeil.

      Caleb gab seiner Frau, die gerade Kaffee und Tee kochte, einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und ging dann zu den Kühlräumen, die an der Stirnseite lagen.

      Der größte von ihnen war der Hauptkühlraum, der eigentliche Tiefkühlraum, dessen Kühlaggregat jedoch ausgefallen war. Die hier deponierten Lebensmittel waren längst aufgetaut und verdorben gewesen, bis Caleb die Misere entdeckt hatte. Es hatte zwei Tage gedauert, um alles zu entsorgen. Tief im Keller hausten Ratten, die aufgrund der Kälte und des Hungers immer wieder einen Weg nach oben zu den Nahrungsvorräten fanden, deshalb hatte er hier Köder mit Rattengift ausgelegt, aber bislang hatte es noch keinen einzigen der Nager erwischt.

      Vom leeren und inzwischen warmen Tiefkühlraum aus betrat er die begehbare und abgeteilte Vorratskammer. Die eine Hälfte war gekühlt, in der anderen lagerte das Trockensortiment.

      Caleb nahm eine Liste von einem Schreibtisch neben der Tür zur Hand und zählte anschließend die einzelnen Packungen mit Zwieback, Knäckebrot, Cornflakes, Haferflocken, Nudeln, Reis, Gemüse in Dosen, Dauerwurst, Trockenmilch, Marmelade, Öl, Eier und Kartoffeln. Ebenso die Mineralwasser- und Fruchtsaftkästen. Die alkoholischen Getränke ließ er außen vor. Danach ging er hinüber in den kleinen Kühlraum und notierte die Vorräte an gefrorenem Fisch – zumeist Regenbogenforellen, Steinbutt und Seezunge – sowie den verbliebenen Fleischvorrat. Dieser bestand aus Schweine-, Rind- und Hühnerfleisch. Brot gab es keines mehr, denn die siebzig Weiß- und Schwarzbrotlaibe, die einst im Hauptkühlraum gelagert hatten, waren aufgetaut und anschließend verschimmelt.

      Caleb konnte so oft zählen, wie er wollte, das Ergebnis blieb ernüchternd. Mit etwas Einsparungen hätte Hillary und ihm der Proviant tatsächlich bis zum Frühjahr gereicht, aber mit fünf zusätzlichen Mäulern, die es bestenfalls in den nächsten Tagen, schlimmstenfalls aber noch Wochen, zu stopfen galt, sah das schon ganz anders aus.

      Mit einem tiefen Seufzer suchte er erneut die riesige Küche auf und half Hillary bei den letzten Vorbereitungen. Wenig später saßen sie schweigend mit den unfreiwilligen Hotelgästen an dem großen Tisch im Speisesaal und nahmen das Frühstück ein. Dieses bestand aus Haferflocken, Cornflakes, Toast, Marmelade, Orangensaft, Kaffee und Tee. Die Rühreier waren aus Einsparungsgründen ohne Speck und Schinken zubereitet.

      Die Atmosphäre war so vergiftet wie ein mit Terpentin verseuchtes Aquarium. Niemand sprach ein Wort. Nicht einmal Harlan maulte wegen der kargen Mahlzeit herum. Stattdessen kaute er mit weit offenem Mund, sodass jeder den Speisebrei, den er mit seinen unregelmäßigen Haifischzähnen zerkleinerte, betrachten konnte. Ab und zu warf er dem Hausmeister unter seinen Schlupflidern einen vernichtenden Blick zu, senkte ihn aber sofort, sobald dieser ihn erwiderte.

      Laura saß wie ein eingeschüchtertes Küken neben ihm. Wahrscheinlich hatte sie gestern Nacht noch die ganze Wut ihres Verlobten wegen seiner Unpässlichkeit abgekommen, vermutete Caleb. Seine Hose war jetzt jedenfalls gewaschen und getrocknet, sodass nichts an sein unfreiwilliges Wasserlassen erinnerte.

      Britt stand ebenfalls neben sich. Noch immer verunsicherte sie das, was sie in der vergangenen Nacht aus dem Nebenzimmer gehört hatte, aber sie wagte es nicht, Tobey oder Veronica darauf anzusprechen. Die beiden saßen mit zerzausten Haaren am Tisch, als hätte die Zeit nicht ausgereicht, sich vor dem Frühstück noch ordentlich zu kämmen. Selbst Veronicas Tattoos schienen irgendwie in Unordnung zu sein. Aber das war natürlich nur Einbildung.

      »Es hört gar nicht mehr


Скачать книгу