Gedichte. Gustav Schwab

Gedichte - Gustav  Schwab


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Blüte, Gras verschwand. –

      Der Bäurin Süden

      »Herr Pfarrer, der ihr Vieles wißt,

      Herr Pfarrer, sagt mir, wo Süden ist!«

      Dort, wo von Felsen unterbaut,

      Das Nest des Hohenzollers graut.

      Das Weiblein schüttelt den Kopf und spricht:

      »Ach, Herr, das ist mein Süden nicht!«

      Nun, Süden ist, so weit man reist,

      So weit, so weit mein Finger weist.

      Erst hohes Land, Berg, Ebne, See,

      Dann eine Mauer von ew'gem Schnee.

      Dann Thäler, wo der Oelbaum blüht,

      Die Pomeranze goldig glüht.

      Dann breitet sich das Thal nach vorn

      Mit gelbgelocktem welschem Korn,

      Weinranken, klares Himmelblau,

      Ein irdisch Paradies, o Frau!

      Die Bäurin traurig wieder spricht:

      »Ach, Herr, das ist mein Süden nicht!«

      Dann Städte, Münster allenthalb,

      Mit Thürmen hoch wie unsre Alb!

      Dann grüner Bergwald in die Quer,

      Und plötzlich dann das blaue Meer;

      Und Schiffe gnug in schnellem Lauf –

      »Das ist mein Süden, Herr, hört auf!

      Dort zimmert im Schiff mein einziges Kind,

      Behüt' es Gott vor Wellen und Wind!

      Mir hat's gesagt sein Kamerad,

      Der kommt auch heim vom Süden grad:

      Dem Hans, dem thut der Fuß nicht weh,

      Der hämmert im Süden auf der See.«

      »Mehr wußt' er nicht, doch jetzt, haarscharf,

      Weiß ich, wo Süden ich suchen darf.

      Nun bohrt mein Auge dem grauen Haus

      Dort auf dem Fels die Mauern aus,

      Und von Gebet und Thränen schwer

      Blickt es durch Berg und Land in's Meer.

      Herr Pfarrer, lohn's euch Jesus Christ,

      Daß ihr mir sagtet, wo Süden ist!«

      Die Linde

      November 1840.

      Die Nacht durchbrauste wilder Wind,

      Am Morgen war es blau.

      Ich ging vorbei mit meinem Kind

      Am Lindenbaum auf der Au'.

      Der Knabe rief: »Sieh, Vater, ach!

      Wie den der Sturm gefaßt!

      Wie er ihm aus der Krone brach

      Den schönen grünen Ast!«

      Wir traten an, zu Boden hing

      Der Ast, geknickt in den Staub,

      Mein Knabe traurig ihn umfing,

      Drückt' an die Wange das Laub.

      Zum Stamm blickt' ich empor. O Schmerz!

      »Schau,« rief ich, »liebes Kind!

      Er ist geschlitzt bis an das Herz,

      In's Mark fuhr ihm der Wind.«

      Und durch die Herzenswunde sah

      Der blaue Himmel herein.

      Wir standen in langem Schweigen da,

      Wir fühlten der Linde Pein.

      Ich endlich sprach: »Es ist nun so,

      Wir ändern es nicht mehr!«

      Des Söhnleins Hand ergriff ich froh,

      Mein Herz blieb mir nicht schwer.

      Wir gingen heim, wir zogen fort,

      Wir schauten Fluß und Land. –

      Nun liegt der Knab' am fremden Ort

      Begraben unter dem Sand.

      Vier Wochen sind vorüber kaum,

      Hier steh' ich, ohne mein Kind,

      Vor dem zerrissnen Lindenbaum,

      Ich selbst gespalten vom Wind.

      Geburtstagsfeier in Schweden

      Den 20. Juni 1841.

      1.

      Eilf Jahre sind's, du wardst geboren,

      Du süßer Spätling, jüngster Sohn!

      Der Eltern Blick, in dich verloren,

      Las eine goldne Zukunft schon.

      So freudig blühten deine Wangen,

      So üppig wuchs dein gelbes Haar;

      Ein Lebensstrom floß ausgegangen

      Von deinem hellen Augenpaar.

      Wohl nahm die Scheere jene Locken,

      Das Knabenantlitz trat hervor.

      Und, ernstes Schulkind, streng und trocken,

      Standst du vor der Erkenntniß Thor.

      Bald aber ward der Trieb zum Spiele,

      Dein Geistchen flog durch Raum und Zeit,

      Die junge Hand zwang mit dem Kiele

      Der Römersprache Herbigkeit.

      Durch die gewölbte Stirne zogen

      Schon die Gedanken aus und ein,

      Doch kindliche Gebete flogen

      Noch von den Lippen, zweifelsrein.

      Du grüntest, stark an Leib und Seele,

      Du Mutterwonne, Vaterstolz,

      Geschwisterlust, recht ohne Fehle,

      Du, Bäumchen, hinter ältrem Holz.

      Froh sang ich: »Jüngster Knabe, funkle

      Mich keck mit schwarzen Augen an;

      Wie auch das Erdenleben dunkle,

      Doch bricht sich solch ein Stral die Bahn!«

      2.


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