Gedichte. Gustav Schwab
Tritt
Mir schon gezittert hätte,
Kein Bergpfad, den ich nicht beschritt,
Kein Gipfel in der Kette.
Den Zauber hab' ich längst gestört:
Hab' ich dich doch beschrieben!
Ein jedes Plätzchen mir gehört. –
Wie ist's nun mit dem Lieben?
Ich habe selbst den Jungfernkranz
Dir von dem Haupt genommen;
Mein eh'lich Weib, das bist du ganz,
Nun, sei auch so willkommen!
3. An der Quelle
Ich werfe nieder mich am Bach,
Mir wird so jung zu Sinne.
In seine Wellen schau' ich – ach!
Was werd' ich Armer inne?
Es blickt mir statt dem Lockenkopf
Entgegen ein fast grauer Schopf,
Die Augen überbauen
Mir weißbebuschte Brauen.
Sink' immerhin veraltet ein,
Du halb schon trockne Hülle!
Kann nur mein Geist noch Jüngling sein,
Hat er nur Saft und Fülle!
Es wandeln viel, gelockt und glatt,
Um mich herum, und sind schon matt
Mit meinen halben Jahren,
Sind Greise trotz den Haaren.
Werd' mir nicht mürrisch, alt Gesicht!
Nicht wolkicht, kahle Stirne!
Das ist die einz'ge Jugend nicht,
Nach welcher schielt die Dirne.
Jung bleibt, wem in der argen Welt
Gemeines nie den Mut vergällt,
Wer noch für's Höchste Sehnen,
Für edles Leid hat Thränen.
Noch schwillt, du halbgeschlossner Mund,
Das Lied auf deinen Lippen,
Auch leerst du Becher noch zu Grund
Und weißest nichts vom Nippen.
Du, Brust, auch bist noch weit und warm
Und du selbst bist nicht welk, mein Arm!
Ich bin ein Mann und strebe,
Ich fühl's mit Lust: ich lebe!
Und wenn die bessre Zeit noch tagt,
So lang ich wandl' auf Erden,
Die Zeit, von der man singt und sagt,
Mit Angst- und Lustgeberden:
Sie findet mich im Silberhaar,
Doch nicht der Dichterjugend baar;
Dann wird mein Sang verkünden,
Was Jüngste soll entzünden.
O Plätscherbach! verspotte nicht
Mich und mein Lied verwegen;
O frischer Rasen, grünes Licht!
Schiel' mir nicht so entgegen.
Ach freilich, wenn der goldne Tag
Anbricht nach Sturm und Donnerschlag,
Ist diese Sängerkehle
Zerstäubt, und fern die Seele.
4. Bekanntschaft
Hinein in das Haus
Zu Labung und Schmaus
Nach früh durchwandertem Morgen!
Dort sitzt schon ein Gast –
Er ist mir verhaßt,
O wär' ich allein und geborgen!
Jetzt spricht er mich an.
Ein herzlicher Mann!
Wie glüht er von Wanderungswonne!
Wie duftet sein Wort
Nach Zeit und nach Ort
Von Waldluft, Frühling und Sonne!
Wir sind ja schon eins!
Es fließt uns des Weins
Gefühlaufwühlende Quelle.
Ich öffne mit Lust
Dem Fremden die Brust,
Ich zeig' ihm die heimlichste Stelle.
Die Becher sind leer,
Das Scheiden wird schwer,
Als wären wir Jahre beisammen.
Jetzt trag' ich allein
Ins Blaue hinein
Die wallenden, schmerzlichen Flammen. –
Was hast du gemacht?
Was hast du gedacht?
Bist wieder zu jung gewesen!
Hast wieder du nicht
In einem Gesicht
Zu viel, viel zu vieles gelesen?
Du alterndes Herz!
Ei, mußt du mit Schmerz
Auch so noch die Jugend empfinden?
Stets liebest du neu,
Hoffst wieder auf Treu,
Dich wieder betrogen zu finden?
5. Ein Mord
Gott grüß' euch, liebe Bäume!
Wie blüht ihr so getreu,
Macht unsrer Jugend Träume
Alljährlich wahr und neu.
Die süße Mädchenblüte
Glänzt einmal nur, nicht mehr.
Euch schenkt des Himmels Güte
Der Blüten Wiederkehr. –
Was stört mir die Gedanken
Ein finsterer Gesell?
Wie seine Schritte wanken
Jetzt langsam und jetzt schnell!
Er schießt so gift'ge Blicke,
Ein Beil schwingt seine Hand,
Als würd' es ins Genicke
Des Feindes jäh gesandt.
Es ist schon Abend worden,
Und nicht geheuer hier!
Und doch – wer könnte morden
In solcher Frühlingszier?