Gedichte. Gustav Schwab
schaudert, ich entweiche.
Was thut er? – Mensch! Abschaum!
Du führst die Todesstreiche
Auf einen Blütenbaum!
Weh! Hieb auf Hieb! dem zweiten,
Dem dritten thut er's an;
Dem Baume, der nicht streiten,
Der sich nicht wehren kann!
Halt ein! – er ist entflohen,
Er schwindet in den Wald;
Von fern seh' ich ihn drohen,
Als käm' er wieder bald.
Mein Herz ist fast gebrochen
Vor seiner Streiche Wucht.
Die Bäumchen werden sochen;1
Sie sterben vor der Frucht.
Umsonst bin ich entronnen
Der Stadt, die Böses pflegt,
Wenn hinterm Licht der Sonnen
Die Flur noch Schwärzres hegt;
Wenn in die milde Sprache,
Die Gott den Frühling lehrt,
Der Mensch mit seiner Rache
Auch hier verhöhnend fährt.
Fußnoten
1 sochen = siechen.
6. Heimweh
Es wecken mich Gedanken auf;
Noch schläft ringsum die Nacht.
Und schon beginn' ich meinen Lauf,
Der Mond schleicht vor mir sacht.
Wie ängstet mich sein blaues Licht,
Wie schweigt der lange Wald!
Kein Lüftchen, keine Quelle spricht,
Die Welt starrt leichenkalt.
Und ein Gefühl von schlimmer Art
Schnürt mir die Seele zu:
Fehlst, Schöpfer, deß Allgegenwart
Natur sonst fühlt, auch du? –
Wär' ich zu Haus mit meinem Schmerz
Bei meiner Jugend Weib,
Und legt' ihr an das treue Herz
Den zagen Geist und Leib!
Ob sie wohl jetzt in Frieden ruht,
Die Kinder um sie her?
Kreist ihr und ihnen leicht das Blut,
Und athmet keines schwer?
Weiß ich, ob eines wimmernd nicht
Die Mutter plötzlich weckt,
Ob nicht sein glühend Angesicht
Des Fiebers Scharlach deckt?
Wald, laß mich los, du bist ein Grab!
Mond, scheine nicht so bleich!
O werd' ein Flügel, Wanderstab!
Wildfremder Boden, weich!
Und jetzt umhaucht es kräftig mich;
O Frühe, bist es du?
Der grüne Kerker öffnet sich!
Nur zu, nur immer zu!
Schon liegt die Welt vor mir in Duft,
Schon perlet auf der Au'
Das Kind des Mondes und der Luft,
Der morgenhelle Thau.
Dort steigt der Sonne goldnes Rund,
Und Gott ist wieder da.
Ich frage bang: sind sie gesund?
Das Licht sagt lächelnd: Ja!
7. Festmorgen
Singen möcht' ich Liederweisen,
Meinen Herrgott möcht' ich preisen,
In dem Tempel möcht' ich stehn.
Und doch läßt sich in die Runde,
Auf den Umkreis einer Stunde,
Nichts als diese Schenke sehn.
Werde sie mir denn zur Klause,
Werde sie zum Gotteshause!
Welche Stelle predigt nicht?
Wo sich ernster Sinn erweitert,
Sich mit Himmelslichte heitert,
Fehlt Altar und Kanzel nicht.
Warum sollt' ich mich besinnen –
Horch! wie lärmt es schon da drinnen!
Schwarz von Bauern sitzt die Bank.
Und was hör' ich! sich zur Plage
Macht dies Volk die Feiertage,
Und der Glaube wird ein Zank.
Wie der Lutheraner mächtig
Demonstrirt, wie er bedächtig
Spruch um Spruch zu Schlüssel sucht!
Wie der Katholik ihm knurrend
Ausweicht, und verdrießlich murrend
Ketzer in die Hölle flucht!
Nein! hier kann ich auch nicht beten,
Muß verstimmt bei Seite treten.
Den im Winkel sprech' ich an,
Der vom ganzen Streit nichts hörte,
Der nur Augen, ungestörte,
Heftet auf den Korduan.
Hand auf Schulter, bessern Mutes
Sprech' ich: »Christ, was liesest Gutes?«
Und ich schau' ihm in den Text. –
Ist dies Haus nicht europäisch?
Welch ein Dämon hat Hebräisch
Auf das Psalmbuch hingehext?
Bin ich im gelobten Lande? –
Herz, gesteh zu deiner Schande,
Vor dem Juden scheuest du!
Heiß' den Bruder doch willkommen,
Freue dich mit diesem Frommen,
Halte mit ihm Sabbathsruh!
8. Im Kursaal
Nun gar hinein zur großen