Gedichte. Gustav Schwab
grellen Saal!
O Wandrer, was dein Herz erhellt,
Such's nicht im Kerzenstral!
Und doch – was fesselt mich denn hier?
Warum verweil' ich gern?
Was wird es ruhig still in mir
Wie unter Mond und Stern?
Ach, in dem brausenden Gewühl,
Wund von der Lüge Schmerz,
Fand plötzlich ich ein ernst Gefühl,
Ein Wahrheit spendend Herz.
Wie mitten in dem dürren Sand
Ein Quell dem Waller springt,
Wie er sich von der Felsenwand
Aus Dorn die Rose ringt:
So perlt aus einem Auge klar
Mir frische Lebensflut,
So quillt von ros'gem Lippenpaar
Mir Geistes Duft und Glut.
Mir ist, als hätt' in Einsamkeit
Ich betend mich erquickt,
Und Engelshand giebt mir Geleit,
Daß mich kein Trug umstrickt.
Aus den erfüllten Hallen fort
Wandr' ich hinaus ins Feld,
Sie waren mir ein stiller Port,
Hab' Dank, du große Welt!
9. Rückblick
Mit zwanzig leichten Lenzen
Lag ich in diesem Wald,
Und seh' ihn heute glänzen
In gleicher Lichtgestalt!
Es duften seine Würzen
Und seine Bäche stürzen,
Ja, nimmer wird er alt.
Mit rüst'gen Mannesschritten
Geh' ich noch durch ihn hin,
Ich bin an Willen, Sitten,
Ich bin der Alt' an Sinn;
Und dennoch muß ich sagen,
Ich muß mit Schmerzen klagen,
Daß ich ein Andrer bin!
Die Buchen und die Eichen,
Mit Wurzeln tief und breit,
Sie waren meines Gleichen,
Was wußt' ich von der Zeit?
Gleich diesen Felsenquadern
Fühlt' ich in allen Adern
Getrost Unsterblichkeit.
Wohl bin ich jetzt ein Andrer,
Bin kein Gewächs des Hains;
Ich bin ein flücht'ger Wandrer,
Und denke nur an Eins:
Daß ich wie Windeswehen
Durch diesen Wald muß gehen –
O kurzer Traum des Seins!
10. Heimkunft
Jetzo steh ich vor dem Thale,
Das der Dunst nicht mehr verhüllt,
Das sich, eine blanke Schale,
Bis zum Rand mit Sonne füllt.
Bin aus ihm gleich einem Diebe
Durch der Nebel Nacht entflohn;
Komme jetzt voll Heimatliebe
Her, wie der verlorne Sohn.
Und dort winkt's aus hellen Fenstern,
Arme, Köpfe kreuzen sich.
Keine Schaar von Nachtgespenstern!
Traute Blicke grüßen mich.
Mutter, Kinder! was sind Blüten
Gegen euch, was Berg und Wald?
Schätze giebt es hier zu hüten;
Wieder wandr' ich nicht so bald.
Jüngster Knabe, komm und funkle
Mich mit schwarzen Augen an:
Wie das Erdenleben dunkle,
So ein Stral macht sich noch Bahn.
Alle künftigen Geschicke
Des bewegten Vaterlands
Les' ich hier in diesem Blicke,
Dieser Kinderaugen Glanz.
Wachse rüstig, lieber Knabe!
Vieles wartet wohl auf dich.
Doch als Greis am Wanderstabe
Siehst du Schöneres, denn ich!
Heuernte
Heuernte, schönste Zeit im Jahr,
Der Wald längst grün und doch noch klar,
Die Blumen ganz im Blühn,
Die Saat noch hoffnungsgrün.
Grün hängt die Frucht im dichten Baum,
Halb ausgebildet, halb noch Traum;
Still steht des Lebens Flucht
Noch zwischen Blüt' und Frucht.
Nur erntereif das flücht'ge Gras,
Und frisch und duftig selber das.
Wohl, wenn's an's Welken geht,
Dem, der so süß verweht!
Die Luft noch nicht zu wild durchschwirrt,
Nur hier und dort ein Käfer irrt;
Im Grillchen kichert nur,
Im Vogel jauchzt Natur.
Vorüber schwebt ein geist'ger Duft,
Ein Aether durch den Dampf der Luft!
Ist's Engelsodem? Nein!
Es ist der blühnde Wein!
O Mensch, genieße dieser Zeit,
Und athme sie, wie Ewigkeit;
Leg' dich am Quell ins Heu,
Erbau' dein Traumgebäu!
Geschwind, eh dich ein Tropfen weckt,
Eh dich ein Blitz, ein Donner schreckt,
Denn auch der Wonne Born,
Wallt plötzlich auf in Zorn.
Dann sä't sein Korn der Hagel aus,
Der Sturm bricht Aeste sich zum Strauß,
Der Bach