Missbrauch mit dem Missbrauch. Rainer Bertram
organisieren. Es wäre wünschenswert, wenn andere Mütter im Fall von wirklich stattgefundener körperlicher Gewalt oder erlebten Missbrauch die Chance auf so schnelle Hilfe hätten. Viele müssen erst diese Hilfe, diese Ansprechpartner suchen, Levins Mama braucht das nicht. Sie hat die entsprechenden Anschriften und Telefonnummern bereits gespeichert und muss nur noch wählen. Was mich bei diesen Gedanken, Überlegungen und Vorstellungen nicht loslässt, ist die Frage, wie sie die absolute Trennung vom Vater und Partner ohne das Geschenk der Fotos geplant hatte. Wie war das Drehbuch „Trennung“ geschrieben? Eines ist sicher, ich sollte nicht mehr gemeinsam mit Partnerin und unserem Sohn in meinem Auto zurückfahren. Das gesamte Gepäck der Freundin, die ja mit dem Zug nach Rügen gefahren war und mit ihrer Tochter auch am nächsten Tag wieder mit dem Zug zurückfahren sollte, war bereits in meinem Auto. Auch die Gepäckstücke, die sie eigentlich bei der Zugfahrt gebraucht hätte. Erst später wird mir auffallen, dass die Freundin überhaupt nicht wusste, wann ihr Zug abfährt.
Mein Rechtsanwalt bittet mich, nicht an der Einschulungsfeier teilzunehmen, da die Familie erklärt habe, sie werde einen öffentlichen Skandal herbeiführen. Das würde sich auf unseren Sohn sehr negativ auswirken. Und mit einem noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren hätte ich schlechte Karten im öffentlichen Streit. Außerdem hätte die gegnerische Anwältin eine schnelle Umgangsregelung in Aussicht gestellt. Das sollten wir jetzt erst einmal im Interesse ihres Sohnes nicht gefährden. Schweren Herzens gebe ich nach.
Levin beim Singen
+ 1272 Std
Als ich den Raum betrete strahlt Levin. Obwohl Erwachsene eigentlich nicht im Raum bleiben sollten, erlaubt der Chorleiter meine Anwesenheit. Levin zeigt wie sehr er sich freut, arbeitet dann mit dem Chor weiter. Beim Abschied nehme ich Levin wieder auf den Arm. Er klammert sich an mich und sagt mir, heute seien die alle ja nicht dabei. (er meint Oma, Opa, Tante und Mama) Er erzählt mir, dass die Oma deshalb ja nicht schimpfen kann. Er will nicht, dass die Oma dafür sorgt, dass ich ihn nicht mehr sehen darf. Offensichtlich hat er Gespräche zwischen seiner Mama und deren Mutter mitbekommen. Und Levin fragt, ob ich ihm wegen der Bilder böse bin. Als ich ihm sage, dass ich gar nicht weiß warum ich ihm böse sein sollte und dass ich es nicht zulassen werde, dass er mich nicht mehr sehen darf, drückt er mich nur noch fester und sagt, dass er das auch nicht will. Das alles geschieht unter Tränen. Levin geht weinend weg. Er geht, weil die Mama seines Freundes wartet und ihn nach Haus bringt. Levin macht auch deutlich, dass unsere Begegnung beim Schulfest auch ihm gegenüber von der Oma aufs Schärfste verurteilt wurde. In seiner Körperhaltung, seinem Winken, seinem stillen Weinen und seinen Blicken kann man nichts anderes sehen als Traurigkeit, Resignation und Gehorsam der Familie gegenüber und so sehr er sich nach mir sehnt, hat er wohl zunehmend Angst vor der Reaktion in der Familie.
Dienstag – 04. September 2012
Sehr verehrte Frau Kollegin,7
7 Mein Anwalt an gegn. Anwältin wegen Vermögensauseinandersetzung
Ihr Schreiben vom 29.08.2012 liegt mir zur Beantwortung vor. Da mein Mandant derzeit gerade im Begriff ist umzuziehen, ist es für ihn untunlich, sämtliche Sachen, die sich im Anwesen Ihrer Mandantin befinden, heraus zu verlangen. In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, warum Sie eine Frist setzen, bis zu der mein Mandant sämtliche in seinem Eigentum befindlichen Gegenstände benennen soll, da mein Mandant wohl auch nach Fristablauf weiterhin Eigentümer sein dürfte. Da Ihre Mandantin sich weigert, im Rahmen einer Begehung zu ermitteln, welche Sachen meines Mandanten sich noch in ihrem Haus befinden, wird es meinem Mandanten nicht zu einem Stichtag möglich sein, sich an alles zu erinnern. Vielmehr werden meinem Mandanten sukzessive weitere Sachen einfallen, welche sich noch bei Ihrer Mandantin befinden. Sollte Ihre Mandantin darauf bestehen, alle Sachen sofort an meinen Mandanten herausgeben zu wollen, so mag sie hierzu eine Liste, der sich noch in ihrem Anwesen befindlichen Sachen anfertigen und diese an mich übersenden. Im Hinblick auf die Forderungen, welche meinem Mandanten zustehen, überlasse ich Ihnen beiliegende Liste. Hierauf sind sämtliche Zahlungen meines Mandanten, welche nicht bar gebucht wurden. Im Hinblick auf die Barzahlungen wurde Ihre Mandantin bereits aufgefordert, sämtliche in Ihrem Besitz befindlichen Original-rechnungen an meinen Mandanten auszuhändigen. Als Käufer der entsprechenden Waren stehen die korrespondierenden Belege ebenfalls im Eigentum meines Mandanten. Hiermit fordere ich letztmalig auf, die sich im Besitz Ihrer Mandantin befindlichen Quittungsbelege im Original bis spätestens zum 11.09.2012 an meinen Mandanten auszuhändigen, bzw. diesem jedenfalls gemäß § 810 BGB Einsicht in die Urkunden durch Übersendung von Kopien zu gewähren. Zwischenzeitlich konnte mein Mandant eine vorläufige Liste erstellen, welche seine Ausgaben im Hinblick auf das gemeinschaftliche Leben beinhalten. Hierbei handelt es sich vorläufig ausschließlich um Ausgaben, welche mein Mandant durch seine EC oder Kreditkarte tätigte. (.) Den Spalten Geschenk können Sie entnehmen, dass mein Mandant diese nicht berücksichtigt. Die Betreuungskosten für das gemeinsame Kind Levin übernahm mein Mandant ganz allein, obwohl Ihre Mandantin in gleichem Maße zum Unterhalt verpflichtet gewesen wäre. Kollegialiter verweise ich in diesem Zusammenhang darauf, dass, entgegen Ihrer mir gegenüber geäußertem Zweifel, mein Mandant bis zu seiner Pensionierung im letzten Jahr monatliche Nettoeinkünfte von (.) erwirtschaftete und daher sehr wohl wirtschaftlich in der Lage war, den Lebensunterhalt der Familie weitgehend aus seinem Einkommen zu bestreiten. Somit ist Ihre Behauptung, mein Mandant habe aufgrund geringer Einkünfte nichts zum Unterhalt beitragen können schlichtweg hanebüchen. Im Hinblick auf die von Ihrer Mandantin begehrten Dateien kann ich keine Anspruchsgrundlage erkennen, welche das Verlangen Ihrer Mandantin tragen könnte. Nichtsdestotrotz ist mein Mandant entgegenkommend bereit, die angeforderten Dokumente zu übermitteln. In diesem Zusammen-hang wird darum gebeten zu präzisieren, was mit „die auf dem PC noch gelagerten beruflichen Dinge unserer Mandantin“ gemeint ist. Mit dieser Bezeichnung kann mein Mandant nichts anfangen. Weiterhin wurde meinem Mandanten mittlerweile aus verschiedenen Richtungen berichtet, dass Ihre Mandantin öffentlich kundtut, meinem Mandanten sei das Sorgerecht entzogen worden und er werde sein Kind nicht mehr sehen und es sei ihm verboten mit seinem Sohn zu reden. Entweder Ihre Mandantin hat den Ausgang des familiengerichtlichen Eilverfahrens noch nicht zur Kenntnis genommen, dann mögen Sie bitte hierfür Sorge tragen, oder Ihre Mandantin beschädigt durch die Verbreitung von Unwahrheiten den Ruf meines Mandanten. Wie dem auch sei, ist mein Mandant nicht länger bereit die Verbreitung derartiger Äußerungen hinzunehmen, sodass ich Ihre Mandantin auffordere zu erklären, dass sie sich derartiger Äußerungen für die Zukunft enthalten werde. So lange Ihrer Mandantin gemeinsam mit meinem Mandanten das Sorgerecht für das Kind zusteht, mag Ihre Mandantin der Tatsache ins Auge blicken, dass sie nicht ohne überzeugende Begründung meinem Mandanten den Umgang mit seinem Sohn verbieten kann. Gleichfalls besteht ein Kontaktverbot weder aktuell, noch ist ein solches für die Zukunft zu erwarten, weswegen sich Ihre Mandantin gewahr werden mag, dass sie entgegen Ihrer Bekundungen gerade nicht alleinerziehend ist. Schließlich darf ich Ihre Mandantin auffordern, einen umsetzbaren Vorschlag für den Umgang meines Mandanten mit seinem Sohn Levin zu unterbreiten. Mein Mandant könnte sich vorstellen, eine Regelung zu treffen, wonach er jedes zweite Wochenende Kontakt zu seinem Sohn hat und wöchentlich einen Nachmittag gemeinsam mit seinem Sohn verbringt. Darüber hinaus beabsichtigt mein Mandant Umgang für die Hälfte der Ferienzeit zu erhalten.
Samstag – 08. September 2012
+ 1524 Std
An diesem Tag bin ich schon früh auf und laufe ruhelos von einer Zimmerecke in die andere. Heute sehe ich unseren Sohn – hoffentlich. Dann aber bin ich wieder fast sicher, dass er gar nicht am Schulfest teilnimmt, denn die Mutter vermeidet es ja um jeden Preis, dass er mich sehen könnte. So hat sie es beim Tennis gemacht, so hat sie es beim Chorsingen gemacht. Dort wo ich auftauchen könnte, wird er nicht mehr hingelassen. Als ich auf dem Schulhof ankomme, schaue ich direkt ins Gesicht von C. Neumann, der noch vor Wochen von Levins Mama meist gehassten Mutter von Karl und jetzt neuer Freundin. Die wendet sich betont gelangweilt ab und geht in Richtung Bühne. Tatsächlich, da steht Levin mit seiner Mutter und schaut dem Geschehen auf der Bühne zu. Ohne Frau C. Neumann hätte ich gar nicht gewusst wo ich schauen müsste. Ich wäre wieder gegangen, weil mir die Blicke der Leute zu viel gewesen wären. Die haben sich in Wirklichkeit überhaupt nicht für mich interessiert.