Elektra. Theo Brohmer

Elektra - Theo Brohmer


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so wat.«

      »Mhm«, machte Frerichs. »Wir lassen uns was einfallen. Vielleicht kriegen wir eine neue Aufzucht hin. Ich hab’ da schon eine Idee. Wenn ich deine Lampen brauche, melde ich mich.« Er reichte den Joint an Fokko zurück.

      Mit spitzen Fingern nahm sein Freund die Tüte entgegen und sog kräftig daran. Der süßliche und eigentümliche Duft erfüllte die Halle. Die Blicke in die Unendlichkeit gerichtet, sahen die Männer schweigend dem Regen bei der Arbeit zu. Als die Haschischzigarette aufgeraucht war, hatte auch der Regen nachgelassen und es war für Frerichs wieder Zeit die Tour fortzusetzen.

      »Dank ok!« Er tippte sich an die Schirmmütze. »Ik mutt nu los.«

      »Gode Betern!«, antwortete Fokko mit einem Nicken zu Frerichs Händen.

      Am Kreisel gewährte er einem dunkelblauen Mitsubishi ordnungsgemäß Vorfahrt. Dabei fielen ihm frische regenbogenfarbene Schlieren auf. Der Wagen verlor Öl! Umweltverschmutzung hasste Frerichs noch mehr als Touristen. Er beschleunigte und setzte dem Wagen nach. Als er auf gleicher Höhe mit dem rücksichtslosen Autofahrer war, bedeutete er ihm anzuhalten und die Scheibe herunter zu kurbeln. Was dieser auch augenblicklich tat.

      »Ihr Wagen verliert Öl. Lassen sie das sofort reparieren!« Er sprach mit lauter und respekteinflößender Stimme. Zufrieden blickte Frerichs in Augen in der Größe von Fußbällen. Die ältere Dame hinter dem Steuer erbleichte. Ihr Gesicht zeigte plötzlich jenes Aschfahl, das der Sensenmann ab und an verteilte.

      Diesem Befehl würde die alte Vettel umgehend Folge leisten, wusste Frerichs. Genau das hatte er erreichen wollen.

      Die nächste Station auf seiner Tour hob seine Laune. Die Pein war ausgeschaltet, dank Fokkos Joint.

      »Hinnerk Oldewurtel, mein Besuch naht«, murmelte Frerichs boshaft.

      Sofort beschleunigte sich sein Herzschlag. Wie lange hatte er das Tun dieses Menschen schon beobachtet? Es mussten Jahre sein! Hinnerk Oldewurtel hatte das Internet und seine Möglichkeiten für sich entdeckt. Es verging keine Woche, dass kein Paket für Oldewurtel dabei war. Aber seine Zahlungsmoral war ebenfalls legendär, legendär schlecht. Den Beweis führte Frerichs heute mit sich. Unter Garantie enthielt der gelbe Umschlag einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Als Absender trug das Schreiben das Amtsgericht Aurich. Frerichs parkte seine Maschine vor dem Haus mit der Nummer 42 und öffnete die Postbox. Er fischte den gelben Umschlag heraus und lenkte seine Schritte in Richtung des schmalen Stichwegs.

      Der geschotterte Weg wies mehr Löcher auf, als der Minigolfplatz in Ochterfehn, weshalb Frerichs es vorzog, die kurze Strecke zu Fuß zurückzulegen. Sein Blick blieb an einem kleinen Plastikschild hängen. Es musste neu sein. Privatweg, verkündete es großspurig. Als Frerichs sich dem Haus bis auf zehn Metern genähert hatte, drang durch die geschlossenen Fenster das harte Wummern eines Schlagzeugs gepaart mit dem schrillen Jaulen einer elektrischen Gitarre.

      »Verdoomt noch mal!«, fluchte Frerichs zwischen den Zähnen hervor. »Ik wull, dat du noch mal an de Galg verrotten däätst!« Wie schön, sein Kunde war daheim!

      Frerichs legte seinen Finger auf den Klingelknopf und hielt ihn fünf Sekunden gedrückt. Doch es tat sich nichts. Niemand erschien, um zu öffnen. Er ließ noch einmal fünf Sekunden verstreichen, während sein Finger auf dem Knopf lag. Doch Oldewurtel kam nicht heraus. Großartig! Da die Zustellungsurkunde unterschrieben werden musste, würde er morgen das Vergnügen noch einmal haben, hierher kommen zu dürfen. Was war er doch für ein Glückspilz! Er machte kehrt.

      Plötzlich stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Er hatte das deutliche Gefühl, beobachtet zu werden. Aber von seinem Kunden war nichts zu sehen. Als in seinem Rücken ein tiefes Grollen erklang, wusste Frerichs, dass er sich nicht getäuscht hatte. Das Geräusch verursachte ihm eine Gänsehaut. Sie überzog seinen ganzen Rücken. Es handelte sich eindeutig nicht um ein Wetterphänomen. Dafür klang es viel zu nah. Es musste von einem Tier stammen. Einem großen Tier! Sehr wahrscheinlich handelte es sich dabei um eine Handgranate mit Fellbezug. Zwischen den Zeilen bedeutete es: Sein Kunde hatte gerade keine Zeit und bat darum, er möge morgen wiederkommen, wenn’s recht ist. Er tippte auf einen Rottweiler als Überbringer der Nachricht.

      »Di sall de Kuckuck halen!«, zischte er und blieb wie angewurzelt stehen. Vorsichtig lugte er über seine Schulter. Hinter ihm noch gute vier Meter entfernt machte er einen Schatten aus. Der Atem der Kreatur ging rasselnd oder lag die Bestie etwa an einer Kette? Langsam drehte sich Frerichs um. Gleichzeitig wanderte seine Hand zu seiner Beintasche hinab. Bestechung verstieß nicht gegen seine Prinzipien. Doch wenn es verhinderte, dass er die Zähne der Bestie zu spüren bekam, dann rechtfertigte dies ein solches Opfer.

      Sein Job als Briefzusteller verpflichtete ihn keinesfalls, die Briefe persönlich zuzustellen. Wenn es ihm aufgrund von Gefahr für Leib und Leben nicht zuzumuten war, konnte der Kunde verpflichtet werden, die Post persönlich an der Poststation abzuholen. Diese Option konnte Frerichs noch ziehen. Welch ein beruhigendes Gefühl! Doch jetzt, in dieser Sekunde nutzte ihm die Aussicht nicht das Geringste.

      Er musste seinen Allerwertesten aus der Gefahren­zone herausbringen. Und das hurtig, wollte er sein Stück im Ganzen behalten. Bestimmt wäre jemand untröstlich, wenn es anders wäre.

      Eine Handvoll übel riechender Kringel fanden sich in der Tasche. Zusammen mit allerlei Brösel und Fussel. Frerichs beförderte seine Beute vorsichtig ans Tageslicht. Sein Blick wanderte zwischen der Handgranate und seiner Hand hin und her. Würde ihm die Bestechung mit dieser lumpigen Gabe wirklich gelingen? Die Kringel sahen wenig verlockend aus! Wie würde der Flohzirkus entscheiden, wenn er wählen müsste zwischen verstaubtem Hundemüsli und einer saftigen Wade? Die Antwort fiel auch nach längerem Nachsinnen nicht zu seiner Zufriedenheit aus. Dexel noch to! Teufel auch!

      Frerichs schob diese destruktiven Gedanken hastig beiseite. Egal. Er musste es wenigstens versuchen! Schwarzmalerei nützte keinem.

      Der Hund starrte Frerichs mit gebleckten Zähnen an. Die Lefzen hochgezogen drohte er, wie einst das Alien von 1979. Geifer spritzte aus seinem Maul. Die Bestie verfügte über ein ansehnliches Arsenal langer weißer Zähne. Von der Gefahr einmal abgesehen durchaus ein netter Anblick, dachte Frerichs. Er verfügte über ein gutes Auge für den besonderen Moment.

      Die Schnauze des Hundes glänzte feucht. Frerichs schnalzte mit der Zunge.

      »Hallo Hundchen! Ich habe Leckerlis für dich.«

      Er sprach behutsam auf das Tier ein. Die ollen Dinger auf der flachen Hand präsentierend, rührte er schmeichelnd die Werbetrommel für die Happen, die sicherlich schon die Waschmaschine von innen gesehen hatten. Sprich schon mit der Hose gewaschen worden waren.

      Der Blick des Hundes heftete sich auf seine Hand.

      »Na, was denkst du? Sehen die lecker aus?« Der Köter leckte sich über sein Maul. War das ein gutes Zeichen?

      Frerichs warf ihm eines nach dem anderen zu. Der Blick des Hundes folgte der Flugbahn der braunen Kuchen. Er schien abgelenkt. Schnüffelnd näherte er sich. Bevor er auch nur einen Gedanken daran verschwenden konnte, sie zu verschlingen oder davon abzulassen, erklang unvermittelt ein Ruf.

      Frerichs verstand das Gesagte nicht. Ehe er einen Blick zurückwerfen konnte, sprang der Hund direkt auf ihn zu. Frerichs wehrte die Zähne der Bestie mit dem Ellenbogen ab. Es galt sein Gesicht und die Finger zu schützen. Deshalb ballte er die Hände zu Fäusten.

      Einen zweiten Angriff musste Frerichs verhindern. Er stellte sich seitwärts, damit sein Körper nur eine geringe Angriffsfläche bot. Das wirkte auf Hunde weniger bedrohlich, da er so nicht so massig erschien. Wie dies auf die Bestie von Hinnerk Oldewurtel wirken mochte, musste sich zeigen.

      Frerichs ließ eine Hand in einer Beintasche verschwinden. Er förderte eine kleine Sprühdose zutage. Es handelte sich um eine Abwehrwaffe gegen Hunde, so jedenfalls versprach es das Etikett. Er nahm die Dose in die eine Hand. In der zweiten hielt er eine Hundepfeife, die er sich rasch zwischen die Lippen steckte, als der Hund auf ihn zu rannte.

      Frerichs blies in die Pfeife. Das stoppte den Hund. Das Tier blieb direkt vor ihm stehen. Es hob den Kopf und sah


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