Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg
mir nicht zutraue, nebenbei noch die Verpflichtung für ein Tier zu übernehmen.«
Jetzt wandte Fabian sich direkt an seine Mutter.
»Mama, ich weiß nicht, welcher Teufel dich da reitet, dir ein Tier aus dem Tierheim zu holen. Brauchst du es für eine Homestory, bei der sich so etwas gut macht?«, wollte er wissen. »Hätte ich in dem Tierheim etwas zu sagen, ich würde dir kein Tier anvertrauen, keines.«
Das hatte gesessen, nach diesen Worten war es zunächst einmal still.
Rosmarie war verletzt, aber sie konnte gegen das, was Fabian da sagte, keine Argumente vorbringen. Ihre Vergangenheit holte sie immer mehr ein. Ihre Kinder hatten bis heute eine grottenschlechte Meinung von ihr. Und es waren ganz besonders die Versäumnisse aus deren Kindheit, die sie jetzt einholten.
Wieder war es Cecile, die sich auf Rosmaries Seite schlug.
»Ich sehe das ganz anders. Ich sehe es als eine Herausforderung an. Und wenn ich Rosmarie wäre, dann würde ich sagen, jetzt erst recht. Ich würde mir den Beagle aus dem Tierheim holen und es allen beweisen.«
Rosmarie hätte am liebsten Cecile umarmt, ehe sie etwas sagen konnte, bemerkte Fabian: »Cecile, tut mir leid, so kannst du nur reden, weil du unsere Mutter nicht kennst, so wie Stella und ich sie kennen. Sie ist es gewohnt sich zu nehmen, was sie will, und dabei setzt sie sich egoistisch über alles hinweg. Egal, was oder wer da auf der Strecke bleibt.«
Cecile winkte ab.
»Ihr habt eure festgefasste Meinung über eure Mutter, Fabian«, sagte sie, »und das, was Kinder oftmals über ihre Eltern denken, ist sehr subjektiv. Ich sehe Rosmarie anders, und was immer auch gewesen sein mag: Rosmarie ist nicht ihre Vergangenheit. Sie darf sich davon nicht ein Leben lang einholen lassen. So, wie ich sie sehe und mag, finde ich, dass sie sich den Beagle holen soll, so oder so. Außerdem, ist es nicht ein wenig vermessen, dass ihr als erwachsene Kinder eurer Mutter vorschreiben wollt, was sie zu tun oder zu lassen hat?«
Fabian und Stella mochten ihre Halbschwester sehr, und so machten deren Worte sie doch ein wenig nachdenklich.
»Cecile, du hast recht«, sagte Stella schließlich. »Es geht uns nichts an.«
»Mama macht eh, was sie will«, fügte Fabian hinzu. »Können wir also das Thema beenden?«
Das geschah, doch danach wollte kein richtiges Gesprächsthema mehr aufkommen. Und viel Zeit hatten sie eh nicht mehr, Fabian und Stella wollten Cecile zum Flughafen bringen. Also brachen sie auf.
Zuerst verabschiedete Cecile sich von ihrem Vater, mit dem sie sich sehr gut verstand, dann ging sie auf Rosmarie zu, umarmte sie herzlich.
»Ich wäre wirklich gern mit dir in dieses Tierheim gegangen, Rosmarie«, sagte sie. »Wenn du diesen kleinen Beagle wirklich willst, dann hole ihn. Ich halte es wirklich für eine sehr gute Idee. Es ist eine Win-Win-Geschichte auf beiden Seiten. Das Tier bekommt wieder ein Zuhause, und du gibst deinem Leben einen neuen Sinn. Bitte, schicke mir unbedingt Bilder von dem Tierchen.«
Das versprach Rosmarie, dann bedankte sie sich bei Cecile. Welch außergewöhnlicher Mensch sie doch war. Rosmarie konnte einfach nicht mehr verstehen, warum sie sich gegen Cecile anfangs so sehr gewehrt hatte. Es war so dramatisch gewesen, dass darüber beinahe sogar ihre Ehe in die Brüche gegangen wäre. Dabei war Cecile im Grunde genommen innerhalb der Familie ihre einzige Verbündete. Und das war sie nicht, um ihr einen Gefallen zu tun oder um sich bei ihr einzuschmeicheln. Nein, das tat sie aus tiefstem Herzen heraus.
Fabian, Stella und Cecile verließen das Café. Rosmarie und Heinz blieben zurück. Rosmarie wollte ihren Kaffee noch austrinken, und Heinz hatte Lust auf ein weiteres Stück von dem Kuchen, für den das Café berühmt war.
Es war still zwischen ihnen. Rosmarie hing ihren Gedanken nach, und sie zuckte zusammen, als Heinz bemerkte: »Cecile hat dich ja wirklich in ihr Herz geschlossen, und das bringt sie auch zum Ausdruck.«
Rosmarie antwortete ihm nicht. Sie war wütend auf Heinz, weil er sie in die Situation gebracht hatte, sich vor ihren Kindern rechtfertigen zu müssen, die nicht gerade zimperlich gewesen waren. Gut, sie war damit einverstanden gewesen, dass auch mit Stella und Fabian über Beauty gesprochen werden wollte. Doch so, wie es geschehen war, kam Rosmarie sich ziemlich vorgeführt vor.
Heinz Rückert sah seine Frau an.
Was ihr wohl jetzt durch den Kopf ging?
Würde sie den Hund holen?
Das interessierte ihn brennend, doch er hielt es für ratsam, sich dem Thema jetzt nicht noch einmal zuzuwenden.
»Von dem Kuchen kann man einfach nicht genug bekommen«, sagte er.
Rosmarie kommentierte es nicht. Sie kannte ihren Mann und wusste, dass man ihn durch Schweigen zermürben konnte. Und richtig, er wurde nervös, bekam einen roten Kopf, schlang den Kuchen in sich hinein, als sie sagte, gehen zu wollen.
»Rosmarie, äh …, wenn du diesen Hund unbedingt haben möchtest«, sagte er schließlich, »ich habe nichts dagegen. Wirklich nicht. Und ich kann ihn dir ja hier und da auch einmal abnehmen. Ein bisschen mehr Bewegung kann mir nicht schaden.«
Sie blickte ihn an.
»Nein, das kann es wirklich nicht. Du hast ganz schön zugenommen, mein Lieber. Der Kuchen wäre jetzt nicht nötig gewesen, du hattest zuvor doch bereits ein Stück davon.«
Wieder stellte er fest, dass sich zwischen seiner Frau und ihm etwas verändert hatte. Und das machte ihm Angst. Heinz Rückert gehörte zu den Menschen, die ihren Trott liebten und keine Veränderungen brauchten.
Rosmarie hatte das eine oder andere Mal Veränderungen vorgenommen, die ihm ganz und gar nicht gefallen hatten. Führte sie wieder etwas im Schilde? Dann wäre es ja wohl am besten, sie darin zu bestärken, sich den Hund zu holen. Durch das Tier wäre sie mehr ans Haus gefesselt.
»Können wir?«, erkundigte sie sich.
Heinz stopfte das letzte Stückchen Kuchen in sich hinein und erhob sich hastig.
»Gewiss willst du jetzt ins Tierheim und den Hund besuchen, oder?«, wollte er wissen.
»Nein«, widersprach sie. »Du hast doch die Meinung unserer Kinder gehört und was die davon halten.«
»Aber Cecile findet es gut«, sagte er sofort. »Und je länger ich darüber nachdenke …, ich finde es eigentlich auch nicht schlecht.«
Rosmarie stand auf, griff nach ihrer Tasche, zog ihren Mantel an. Heinz konnte gerade noch die Bedienung rufen, um die Zeche zu bezahlen, dann folgte er ihr zu seinem Wagen, der direkt vor dem Café geparkt war.
So, wie Rosmarie derzeit drauf war, das gefiel ihm überhaupt nicht. Wenn er ehrlich war, da war ihm die frühere Rosmarie lieber gewesen, die hatte man mit Geschenken zufriedenstellen können. Es war wirklich schade, dass Cecile in Frankreich lebte und nicht so oft nach Deutschland kam. Cecile hatte einen guten Einfluss auf Rosmarie, und die beiden Frauen verstanden sich wirklich ausnehmend gut.
Heinz setzte sich in sein Auto, und dann fuhr er los und überlegte sich dabei beinahe krampfhaft, wie er eine Unterhaltung mit seiner Frau beginnen sollte.
*
Wenn sie ehrlich war, dann wäre Rosmarie am liebsten sofort ins Tierheim gefahren, aber diesen Triumph wollte sie Heinz nicht gönnen, und deswegen ließ sie sich von ihm vor ihrer Villa absetzen. Doch kaum war von seinem Auto nichts mehr zu sehen, lief Rosmarie in die Garage, setzte sich in ihren Sportflitzer und brauste davon.
Sie hatte auf einmal das Gefühl, unbedingt mit Inge Auerbach sprechen zu müssen.
Sie und Inge hatten schon immer ein gutes, wenn auch ziemlich distanziertes Verhältnis zueinander. Um so richtig eng miteinander zu sein, dazu waren die beiden Frauen zu verschieden. Aber es war doch immer besser mit ihnen geworden, und das war auch gut so, schließlich war Inge die Schwiegermutter ihrer beiden Kinder.
Als Rosmarie noch nicht wusste, dass Cecile nicht die junge Geliebte ihres Mannes war, sondern seine