Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman - Michaela Dornberg


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das war so, er liebte sie. Anders als Nicki, aber sie war ja auch ein ganz anderer Mensch.

      Ja, mit ihr wollte er alt werden. Das war sein ganz fester Wunsch, und mindestens drei Kinder wollte er mit ihr auch haben.

      Es waren wunderbare Aussichten für die Zukunft. Aber wenn die Gegenwart in Ordnung war, und das war sie, dann brauchte man sich um die Zukunft keine Gedanken zu machen.

      Nicki konnte bis über ihre Grenzen hinausgehen und die gesamte Gefühlsskala hintereinander weg durchleben. Aber sie besaß auch die unglaubliche Stärke, sich da auch wieder herauszuholen.

      Manchmal war das für die Menschen ihres engeren Umfeldes schlimmer als für sie selbst, denn während die noch darüber nachdachten, was man noch alles für die arme Nicki tun konnte, war die bereits anderweitig beschäftigt.

      Roberta hatte wirklich schon Angst gehabt, Nicki könnte sich etwas antun. Und sie überlegte noch, ob sie ihr eine Beruhigungsspritze geben sollte, als Nicki plötzlich aufsprang und sagte: »Sollen wir eine Runde um den See drehen? Da ist es so schön, ich denke, es wird mir guttun.«

      Insgeheim atmete Roberta erleichtert auf und war natürlich sofort damit einverstanden. Und aus Angst, die Stimmung bei ihrer Freundin könnte schnell wieder umschlagen, zog sie sich nicht einmal um.

      »Das ist eine ganz hervorragende Idee, Nicki«, sagte sie. »Dann lass uns sofort losgehen. Das Wetter verlangt so richtig danach, noch mal rauszugehen und frische Luft zu tanken. Bereits Mitte nächster Woche soll ein neues Tief heraufziehen mit Regen, Sturm und kälteren Temperaturen.«

      Ehe sie das Haus verließen, blieb Nicki stehen und umarmte ihre Freundin.

      »Danke, Roberta«, sagte sie leise.

      »Danke, wofür?«

      »Dass ich meinen ganzen Müll bei dir abladen durfte und vor allem danke dafür, dass du ruhig geblieben bist. Ich war ziemlich ungerecht dir gegenüber. Natürlich weiß ich, was ich gesagt habe. Und ich wollte wirklich nichts über Roberto hören. Dass ich es selbst vermasselt habe, damit muss ich fertigwerden. Ich habe mich um das Glück meines Lebens gebracht.«

      Nicki konnte eine Dramenqueen sein, aber in diese Richtung durfte sie gar nicht erst abgleiten.

      »Nicki, wäre zwischen dir und Roberto alles perfekt gewesen, dann hätte dich nichts davon abbringen können, bei ihm zu bleiben, mit ihm zu leben. Man hat für alles seine Gründe, und du hattest deine dafür, warum du ihn verlassen hast. Es gibt keinen Zweifel für deine Liebe zu Roberto, es gab aber auch keinen Zweifel daran, wie gruselig du den Sonnenwinkel findest. Rede ihn dir doch jetzt bloß nicht schön. Und für dich war es unmöglich mit einem Mann leben zu müssen, der jeden Tag, den Gott geschaffen hat, in aller Herrgottsfrühe zum Großmarkt muss. So hast du gedacht, als du mit Roberto noch auf Wolke Sieben schwebtest. Was glaubst du wohl, wie du denken würdest, wenn die Werbewochen erst einmal vorbei sind und der Alltag eingekehrt ist?«

      Manchmal hatte Roberta mit solchen Ausführungen Glück, heute nicht. Da wollte Nicki die Dramenqueen bleiben.

      »Roberta, du musst nichts sagen. Ich habe das Glück meines Lebens verloren, und das sage ich nicht nur so daher. Es ist wirklich so. Aber lass uns bitte davon aufhören. Erzähl mir, wie es bei den Auerbachs weitergegangen ist. Redet ihre Adoptivtochter wieder mit ihnen, oder schmollt sie noch immer. Und wann kommt Alma eigentlich zurück?«

      Es konnte Roberta nur recht sein, dass wenigstens vorübergehend das Thema gewechselt wurde. Sie würde es noch aufgreifen. Das stand fest.

      Jetzt liefen sie erst einmal los, und eines war wirklich ganz wunderbar. Mit Nicki konnte man ganz hervorragend laufen, wenn die mal ihren inneren Schweinehund überwand und sich auf die Socken machte.

      Es war wirklich ein ausnehmend milder Tag, der einen für einen Moment vergessen lassen konnte, wie weit die Jahreszeit bereits fortgeschritten war und dass die kalten, nassen und trüben Tage bald in der Überzahl sein würden. Aber daran mochte man heute nicht denken.

      Als sie den verlassenen, mittlerweile ein wenig verwahrlost aussehenden Bootsverleih erreichten, blieb Nicki unvermittelt stehen.

      »Es ist eigentlich schade, dass sich kein Nachfolger für diesen …, nun ja, du weißt schon …, gefunden hat. Der Ort hier ist so idyllisch.«

      »Du meinst Kay Holl«, sagte Roberta. »Ja, das ist wirklich schade. Aber das große Geld kann man hier mit den Booten nicht verdienen, und darauf war Kay nicht angewiesen. Ihm kam es in erster Linie auf den Platz hier an.«

      Nicki warf ihrer Freundin einen forschenden Blick zu.

      »Tut es …, äh …, tut es noch sehr weh?«, erkundigte sie sich leise. »Du hast ihn schließlich geliebt, und da muss es dich doch zerreißen, wenn du an den Ort kommst, an dem du mit ihm glücklich warst …, sehr glücklich.«

      Vielleicht war es überhaupt nicht so verkehrt, dass Nicki jetzt Kay erwähnte. Da konnte sie Parallelen zu dem ziehen, was Nicki und Roberto und sie und Kay verband.

      »Es war wunderschön mit Kay, es war Magie, aber es war keine Liebe, die Bestand im Alltag haben konnte. Er hat sich für das Leben eines etablierten Aussteigers entschieden, und ich bin in meinem bürgerlichen Leben fest verwurzelt und möchte kein anderes haben. Vielleicht werde ich so etwas wie mit ihm niemals mehr erleben. Aber ich bin dankbar dafür, dass er mir gezeigt hat, was Liebe sein kann. Es war schrecklich, ich habe lange gehadert, aber jetzt habe ich an Kay wunderschöne Erinnerungen. Wir hätten niemals einen Alltag gehabt, und wenn du jetzt ganz ehrlich bist, Nicki, dann spricht auch eine ganze Menge gegen dich und Roberto. Wie hätte euer Alltag funktionieren sollen?«

      Das wollte Nicki natürlich nicht hören, unvermittelt rannte sie los. Und Roberta hatte überhaupt keine andere Wahl als ihr zu folgen.

      Sie hatte sie gerade eingeholt, gemeinsam wollten sie um eine Ecke biegen, als beide unvermittelt stehen blieben.

      Sie hätten mit allem gerechnet, damit allerdings nicht. Und den beiden anderen ging es ebenso.

      Einen Moment lang standen sie sich stumm gegenüber, Roberta und Nicki und Roberto und Susanne.

      Es war Roberta, die sich zuerst fasste und rief: »Ja, das ist eine Überraschung. Ich glaube, dem schönen Wetter heute kann niemand widerstehen. Es scheint mir, der halbe Sonnenwinkel ist auf den Beinen.«

      Sie begrüßte Susanne und Roberto, und als sie merkte, dass Nicki davonlaufen wollte, hielt sie ihre Freundin am Ärmel fest.

      Sie sagte zu Susanne: »Das ist meine Freundin Nikola Beck«, und zu Nicki: »Und das ist Susanne Andoni, Robertos Frau.«

      Die beiden Frauen begrüßten einander, Roberto war ein wenig überfordert und presste sich ein: »Hallo, Nicki …, wenn das kein Zufall ist«, hervor, und weil Nicki nichts sagte, fügte er hinzu: »Du siehst gut aus, die neue Frisur steht dir gut.«

      »Danke«, sagte Nicki artig.

      Und das war es dann auch schon, redselig war niemand von ihnen. Sie versuchten beinahe zwanghaft, so etwas wie eine Unterhaltung in Gang zu bringen.

      In erster Linie starrten Nicki und Susanne sich an, was auch sehr verständlich war.

      Sie waren wohl alle froh, als Roberta sie aus dieser ein wenig misslichen Situation befreite, indem sie sagte: »Ich denke, wir sollten weitergehen. Wir haben nicht einmal die Hälfte geschafft. Und ich fürchte, es wird noch voller werden. Fast scheint es, als sei der halbe Sonnenwinkel auf den Beinen.«

      Sie wünschten einander also noch einen schönen Sonntag, ehe sie in entgegengesetzter Richtung weitergingen.

      Nicki drehte sich noch einmal um, und genau das tat Susanne. Roberta war sich nicht sicher, ob sie das nicht auch getan hätte.

      *

      Eine Weile war es still zwischen ihnen, dann platzte es aus Nicki heraus: »Sie scheint ja wirklich nett zu sein, verflixt noch mal, warum ist es keine Frau, die man hassen kann?«

      Darauf wusste Roberta


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