Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Kind zum Leben verholfen hatte.

      Lag es daran, dass ihr zum ersten Male bewusst wurde, dass ihre biologische Uhr tickte, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte, ein Kind zu bekommen. Sie hatte ja noch nicht einmal einen Ehemann. Und was das betraf, da hatte sie nicht das richtige Händchen. Und mit Kay, an den sie immer wieder denken musste, wäre es auch nicht gegangen. Er war aus einem etablierten Leben ausgestiegen. Er hätte sie ganz schön dafür bedankt, wenn er die Verantwortung für ein Kind hätte übernehmen müssen.

      Sie musste hier weg, sie musste auf andere Gedanken kommen. Das, was ihr jetzt durch den Kopf ging, das war wie Gift.

      Sie begab sich noch einmal zu ihrem Patienten, und das lenkte Roberta sofort ab. Sie war mit Leib und Seele Ärztin, und wenn sie als solche handelte, dann gab es keinen Platz für etwas anderes, auch nicht für verführerische Gedanken.

      Als sie ging, war sie in Gedanken bereits bei dem nächsten Patienten, und dann rief auch noch Ursel Hellenbrink an, die in der Praxis etwas aufarbeiten wollte und erinnerte sie daran, dass eine Patientin eine halbe Stunde vor dem üblichen Praxisbeginn kommen würde.

      *

      Rosmarie Rückert wusste mit sich selbst nichts anzufangen, und wenn sie sich in diesem Zustand befand, half es meistens, wenn sie auf Shoppingtour ging und ihre Kreditkarten glühen ließ.

      Es hatte immer Spaß gemacht. Warum wunderte sie sich eigentlich nicht, dass es damit vorbei war?

      Schon im ersten Laden hatte sie keine Lust, ein zweites Outfit anzuziehen.

      Das konnte es nicht sein. Seit die uneheliche Tochter ihres Mannes, Cecile, in ihrem Leben war, hatte das eine ganz drastische Änderung erfahren. Sie hatte die Lust an ihrem Leben verloren, das sich bis dahin meist im Außen abgespielt hatte.

      Es war wirklich verrückt. Egal, was sie machte, sie fragte sich insgeheim, ob es Cecile wohl auch so tun würde. Und diese Fragen beantwortete sie sich meistens mit einem klaren »Nein«.

      Was war es nur, was sie sich so sehr nach Cecile richten ließ? Ihre unauffällige, beinahe bescheidene Art, obwohl Cecile nicht wusste, wohin mit ihrem Geld?

      Rosmarie war sich nicht sicher, aber es konnte durchaus sein. Cecile war mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden, während sie arm aufgewachsen war, in sehr bescheidenen Verhältnissen. Und nachdem sie ihren Mann Heinz kennengelernt und geheiratet hatte, war sie wie entfesselt gewesen und hatte das Geld wirklich mit vollen Händen ausgegeben. Und da Heinz ein großzügiger Mensch war und genug verdiente, um all ihre Bedürfnisse zu befriedigen, hatte er sie nicht behindert.

      Was Rosmarie jetzt bedauerte, das war nicht das Geld, das sie verschwendet hatte. Nein, es war die Erkenntnis, dass über ihrem selbstsüchtigen Tun ihre Kinder auf der Strecke geblieben waren, die sie Kinderfrauen überlassen hatte und die es ihr jetzt durch Ignoranz heimzahlten. Und sie hatte keine Idee, wie sie das ändern konnte.

      Sollte sie sich vor Fabian und Stella auf den Fußboden werfen und um Verzeihung bitten?

      Das ging ja wohl zu weit.

      Aber was sollte sie tun?

      Obwohl sie doch nichts kaufen wollte, steuerte Rosmarie wie fremdbestimmt auf ein dunkelblaues Seidenkleid mit kleinen weißen Punkten zu, riss es vom Haken und sagte: »Das möchte ich jetzt probieren.«

      Sie war noch nicht einmal in dar Umkleidekabine, als ihr bewusst wurde, dass sie sich just in dem Augenblick dazu entschlossen hatte, als sie an ihre Kinder denken musste.

      Sie war keine Psychologin, hatte keinerlei Erfahrung in dieser Hinsicht, aber eines war ihr klar. Das, was sie bewog, dieses Kleid anzuprobieren, war eine reine Ersatzbefriedigung. Und das erschreckte sie.

      War das nicht ein Zeichen dafür, jetzt mal ganz unabhängig von ihren Kindern, dass sie ein leeres Leben führte, das sie versuchte auszufüllen durch beispielsweise sinnlose Käufe?

      Das erschreckte Rosmarie so sehr, dass sie es einfach nicht fertigbrachte, in dieses Kleid zu schlüpfen, obwohl es eigentlich sehr hübsch war und sie wusste, dass sie solche getupften Sachen gut tragen konnte.

      Sie reichte der Verkäuferin das Kleid, die sie recht irritiert anblickte und sagte: »Tut mir leid, mir ist gerade eingefallen, dass ich weg muss. Vielleicht ein andermal.«

      Sie raffte ihre Sachen zusammen, dann verließ sie eilig das Geschäft und stieß dort beinahe mit einer Frau zusammen.

      Es war ausgerechnet Teresa von Roth, die Großmutter ihrer Schwiegertochter und ihres Schwiegersohnes.

      »Hallo, Rosmarie«, sagte Teresa. »Was ist los, du hättest mich ja beinahe über den Haufen gerannt?«

      Sie sah sich Rosmarie genauer an, die, wie immer, fantastisch aussah. Ein wenig irritiert bemerkte sie keine einzige Einkaufstüte bei ihr, und das war ungewöhnlich.

      Wenn Teresa diese Frau hier und da schon mal in Hohenborn traf, und das kam nicht so oft vor, weil sie keine Lust dazu hatte, in dem Städtchen herumzulaufen, dann war Rosmarie immer vollbepackt gewesen, mit so vielen Einkaufstüten, die sie kaum tragen konnte.

      Rosmarie bemerkte den Blick.

      »Ich …, ach …, äh, ich wollte da ein Kleid anprobieren, doch aus der Nähe gesehen, gefiel es mir doch nicht so gut.«

      Sie wollte von sich ablenken, und deswegen erkundigte sie sich.

      »Und was machst du hier? Und wo ist Magnus? Normalerweise tretet ihr zwei doch immer im Doppelpack auf!«

      »Ja, das stimmt«, bestätigte Teresa, »aber Magnus hatte mehr Lust, mit Luna um den See zu laufen. Heute ist ja ein so schönes Wetter. Aber ich wollte unbedingt die von mir bestellten Bücher abholen. Wenn ich nicht genug Lesematerial habe, werde ich grantig. Und ja, nun mache ich noch einen Abstecher zum Heim des Hohenborner Tierschutzvereins. Ich habe bei uns wieder ein paar Spenden gesammelt, und dort freut man sich über jeden Cent.« Sie blickte Rosmarie an, überlegte kurz. »Komm doch einfach mit, ich könnte darauf wetten, dass du noch niemals dort warst.«

      Nein, war sie nicht. Rosmarie traute sich nicht, Teresa zu sagen, dass sie nicht einmal wusste, wo dieses Tierheim genau war.

      Aber ins Tierheim?

      Sie?

      Rosmarie zögerte.

      »Dorthin zu gehen, das ist auf jeden Fall sinnvoll, seine Einstellung zu Tieren einmal zu überprüfen. Du glaubst ja überhaupt nicht, wie einfach es sich viele Menschen machen. Sie kaufen ein Tier, und wenn sie merken, dass es Arbeit macht oder dass es deren Erwartungshaltung nicht erfüllt, wird es entsorgt oder ins Heim gebracht. Und das war es dann.«

      Teresa konnte sich in Rage reden, wenn es um die Tiere ging. Sie engagierte sich, sie sammelte, sie versuchte, Tiere zu vermitteln. Und es war selbstverständlich gewesen, für ihre Enkelin den Ersatz für ihren geliebten Jonny aus dem Tierheim zu holen, nicht irgendwo bei einem Züchter. Sie hatten mit Luna großes Glück gehabt. Luna war ein reinrassiger Labrador. Sie war einfach ausgesetzt worden, weil das doch nicht das richtige Weihnachtsgeschenk gewesen war.

      Da Rosmarie noch immer nichts sagte, blickte Teresa ihr Gegenüber an.

      »Was ist nun? Kommst du mit oder nicht? Wir könnten hernach auch noch irgendwo einen Kaffee trinken, und du erzählst mir, was du so treibst.«

      Rosmarie hatte vor Teresa großen Respekt, aber sie bewunderte sie auch grenzenlos. Also nickte sie und sagte: »Gut, ich komme mit.«

      Das freute Teresa, die sich sofort strammen Schrittes in Bewegung setzte, so schnell, dass Rosmarie Mühe hatte, ihr zu folgen. Welch ein Glück, dass sie einigermaßen bequeme Schuhe anhatte, mit ihren Stielettos, die sie mit Vorliebe trug, wäre das überhaupt nicht möglich gewesen.

      Nach einer knappen Viertelstunde standen sie vor dem Tierheim des Tierschutzvereins, und Rosmarie hätte hinter diesen Mauern so etwas niemals vermutet.

      Sie wurden von Frau Doktor Fischer, der Leiterin herzlich begrüßt, und die nahm hocherfreut die Spende entgegen.

      »Ach,


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