Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman - Michaela Dornberg


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dass sie sich ein wenig aus den Augen verloren hatten. Aber für die kleine Roberta war ein Kinderarzt zuständig, und ihre Hilfe hatten bislang weder Sonja noch Markus Lützeler in Anspruch genommen, und sie konnte sich ihnen nicht aufdrängen und sie bitten, wenigstens die jährlichen Routineuntersuchungen einzuhalten.

      Man hatte ihr Auto gehört, denn Roberta war mit ihrem Arztkoffer noch nicht einmal ausgestiegen, als die Haustür geöffnet wurde und Sonja Lützeler herausgestürmt kam, auf Roberta zu.

      »Danke, Frau Doktor, dass Sie gekommen sind«, rief sie.

      »Dafür bin ich da, Frau Lützeler«, beruhigte sie die aufgeregte Frau, »das ist mein Beruf.«

      Sie folgte Sonja ins Haus.

      Es war der Traum von den beiden, mit Pferden in einem Bauernhaus zu leben, und den hatten sie sich erfüllt. Und Roberta musste voller Hochachtung sagen, dass sie einen ganzen Schritt weitergekommen waren. Man konnte die Fortschritte deutlich sehen.

      Sie folgte Sonja in die große Wohnküche, und dort saß Markus auf einem Stuhl, ein Bein hatte er auf einen anderen gelegt.

      »Tut mir leid, dass ich Sie herbemühen muss«, sagte er, »es ist dumm gelaufen.«

      Sonja untersuchte den Fuß, und sie konnte ihn auf jeden Fall beruhigen, dass er nicht gebrochen war, sondern dass er eine gehörige Stauchung hatte.

      »Und die tut manchmal mehr weh als ein Bruch. Sagen Sie, wie ist das denn passiert?«

      Er bekam ein schuldbewusstes Gesicht.

      »Oh, es ist einzig und allein meine Schusseligkeit, und ich habe die Quittung bekommen.«

      Er erzählte ihr, dass er vom Heuboden einen neuen Ballen für die Pferde herunterholen wollte. Herabwerfen konnte er den Ballen nicht, weil er vorher eine Maschine nicht beiseite gestellt hatte. Also musste er den Ballen heruntertragen, und da hatte er übersehen, dass in der Leiter eine Sprosse fehlte, war danebengetreten und heruntergefallen.

      »Ich wusste das mit der Sprosse und wollte das immer schon reparieren. Aber wie es so ist, kommt immer etwas anderes dazwischen, und manchmal ist man auch nicht in der Lage, seinen inneren Schweinehund zu besiegen. Auf so einem Hof gibt es immer etwas zu tun, und wenn man sich nicht auskennt, kann man das vorher nicht einschätzen. Manchmal will ich auch nur die Fünf eine gerade Zahl sein lassen und Zeit mit meiner Frau und unserer kleinen Roberta verbringen.«

      Roberta sah sich die Verletzung noch einmal genauer an. Es war wirklich nichts gebrochen.

      »Herr Lützeler, Sie wissen schon, dass Sie bei einem Orthopäden besser aufgehoben gewesen wären als bei mir«, sagte sie.

      Er versuchte trotz seiner Schmerzen ein Grinsen.

      »Ich weiß, Frau Doktor, aber Sie sind auch keine Gynäkologin oder Hebamme, und niemand hätte unseren kleinen Sonnenschein besser auf die Welt bringen können als Sie. Sie sind eine wunderbare Ärztin, Sie genießen unser vollstes Vertrauen, und wenn wir ärztliche Hilfe brauchen, dann würden wir niemals zu einem anderen Mediziner gehen als zu Ihnen.«

      Das war ein wunderschönes Kompliment und machte Roberta ganz verlegen, also beschäftigte sie sich mit seiner Verletzung und versorgte sie sachgemäß.

      »Jetzt haben Sie erst einmal ganz viel Ruhe nötig, Herr Lützeler, und ich bitte Sie, das auch einzuhalten. Wenn Sie sich daran halten, verkürzt sich auch der Heilungsprozess. Und machen Sie sich kein schlechtes Gewissen. Ein Anwesen wie dieses hier zu haben, bedeutet nicht, Tag und Nacht zu arbeiten. Freizeit gehört in jedem Beruf bei jeder Arbeit dazu. Ich bin voller Bewunderung, was Sie inzwischen schon alles geschafft haben.«

      »Das sieht man?«, freute er sich.

      Roberta bestätigte es, dann wollte sie wissen: »Und bereuen Sie mittlerweile, diesen Hof hier gekauft zu haben?«

      »Nie«, riefen beide wie aus einem Munde.

      »Es ist immer noch unser Traum, und eigentlich ist es noch stärker geworden, seit wir unser Kind haben. Es kann in guter Luft, in einer herrlichen Landschaft inmitten der Natur aufwachsen, mit Tieren, unbehelligt von Abgasen und frei.«

      Roberta hätte sich gern noch mit den beiden unterhalten, aber dazu hatte sie leider keine Zeit, weil sie noch zwei Besuche zu machen hatte, und dann musste sie pünktlich zur Nachmittagssprechstunde in der Praxis sein.

      Aber sie musste wiederkommen, und sie nahm sich vor, es so einzurichten, dass Markus Lützeler ihr letzter Patient sein würde.

      Aber die Kleine, die wollte sie wenigstens noch sehen. Sie erfuhr, dass sie schlief, und Sonja musste wohl Robertas enttäuschtes Gesicht gesehen haben, denn sie sagte: »Wenn Sie wollen, können Sie dennoch einen Blick auf sie werfen, Frau Doktor.«

      Roberta wollte, und so folgte sie Sonja in das Kinderzimmer, das mit sehr viel Liebe hergerichtet worden war und in dem das kleine Mädchen wie eine Prinzessin in seinem Bettchen schlief.

      Roberta näherte sich auf Zehenspitzen dem Bett und blickte auf die Kleine hinab.

      Sie sah wunderschön aus, hielt beide Fäustchen gegen das rosige Gesicht gepresst und machte einen sehr zufriedenen Eindruck.

      Es war nicht zu übersehen, dass dieses Kind geliebt wurde, und das war ein Grundstein für ein glückliches und vertrauensvolles Leben.

      Versonnen blickte Roberta hinunter auf ihre kleine Namensvetterin. Zum ersten Mal realisierte sie, wie schön es sein musste, ein eigenes Kind zu haben. Nein, nicht zum ersten Mal, als sie glaubte, mit Kay magische Momente zu erleben, war flüchtig der Gedanke aufgetaucht, mit ihm ein Kind zu haben. Aber es hatte nicht sein sollen, und vorher mit ihrem Exmann Max, war es niemals ein Thema gewesen. Max hatte keine Kinder haben wollen, und sie war sich nicht mehr sicher, ob sie sich seinem Wunsch gebeugt hatte oder ob es ihr ganz recht gewesen war, weil sie genug damit zu tun hatte, die große Gemeinschaftspraxis aufzubauen und zu etablieren. Das war alles an ihr hängen geblieben, während Max sein Ding gemacht hatte, was in erster Linie darin gipfelte, sie schamlos zu betrügen und hinterher auszunehmen, dass es unverschämt war.

      Die kleine Roberta war so süß, und jetzt lächelte sie sogar im Schlaf.

      Würde sie jemals eigene Kinder haben?

      Würde sie es bereuen, wenn sie ein Familienleben ihrem Beruf geopfert hatte?

      Roberta riss sich gewaltsam zusammen.

      Sie wusste selbst nicht, was heute mit ihr los war. So sentimental war sie doch sonst nicht.

      Am liebsten wäre sie hier stehen geblieben, hätte gewartet, bis die Kleine ihre unschuldsvollen Augen aufschlug. Es ging nicht, sie musste weiter, und wer weiß, wofür das gut war.

      Auf Zehenspitzen verließ sie das entzückende Kinderzimmer und das noch entzückendere Baby.

      »Frau Doktor, Sie müssen mal vorbeikommen, wenn sie wach ist. Unser Sonnenscheinchen kann sich so sehr freuen. Da wird einem ganz anders. Ach, Sie glauben ja nicht, welche Bereicherung Roberta für uns ist. Sie war ja nicht eingeplant, hat alles durcheinandergebracht. Aber das war gut so, sonst säßen wir noch immer ohne Kind hier, wären ganz gewiss mit dem Umbau ein ganzes Stückchen weiter, aber wir hätten sie nicht und wüssten demzufolge auch nicht, was für eine Bereicherung ein Kind ist. Es gibt nichts auf der ganzen Welt, was dem gleichzusetzen ist. Wir danken jeden Tag für dieses außergewöhnliche Glück.«

      Sonja hörte nicht auf zu schwärmen, und Roberta wurde auf einmal sehr wehmütig.

      Sie hatte erst mit Erfolg die Praxis mit Max aufgebaut, dann hatte sie sich im Sonnenwinkel einen Namen gemacht. Man schätzte und vertraute ihr.

      Vor ihr war Doktor Riedel da gewesen, nach ihr würde ein anderer Arzt oder eine andere Ärztin kommen. Ihr Name würde verwehen, und irgendwann würde man sich an sie nicht mehr erinnern.

      Von der Felsenburg waren wenigstens noch ein paar Überreste geblieben, die an eine ruhmreiche Vergangenheit erinnerten.

      Roberta wusste wirklich nicht, was mit ihr


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