Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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Kind hat Fieber«, hatte Anke geschrieben.

      Katja bekam Gewissensbisse. Um ein fieberndes Kind hätte sie sich eher kümmern müssen als um das Baby. Jetzt fuhr sie sofort dorthin.

      Es war die moderne Wohnanlage, die nicht so recht in das Bild des Vorortes paßte, wie Katja wieder feststellte. Aber diese Wohnsilos schossen wie Pilze aus der Erde, weil der Boden knapp und teuer war.

      Sie suchte den Namen Wacker und fand ihn im obersten, dem siebten Stockwerk. Sie drückte auf die Klingel. Die Tür öffnete sich summend. Der Lift war unten. Im siebten Stockwerk stand eine schmale Frau in einer offenen Tür. Ihr verweintes Gesicht versetzte Katja in einen heillosen Schrecken.

      »Dr. Höller«, sagte sie, »ich konnte leider nicht früher kommen.« Doch diese Entschuldigung kam nur zögernd über ihre Lippen.

      »Susi hat Fieber«, flüsterte die junge Frau, zu der der Name Wacker gar nicht passen wollte. Sie wirkte wie ein Häufchen Unglück.

      Die Wohnung war hübsch. Das Kinderzimmer einfach, aber zweckmäßig eingerichtet. Das kleine Mädchen, etwa drei Jahre alt, lag mit fieberheißen Bäckchen im Bett und begann gleich zu weinen, als Katja nach ihrer Hand griff.

      »Brauchst keine Angst zu haben«, sagte Katja. »Ich will doch nur mal schauen, was dir fehlt.«

      »Will zu Omi. Omi soll nicht im Himmel sein«, flüsterte das Kind.

      Ein trockenes Schluchzen schüttelte die junge Frau Wacker. Katja drehte sich zu ihr um.

      »Wir haben doch nicht gedacht, daß ein so kleines Kind sich das so zu Herzen nehmen würde«, flüsterte sie. »Mein Mann ist zu seiner Mutter gefahren.«

      »Aber sie soll wiederkommen«, schluchzte Susi. »Meine liebe Omi soll nicht tot sein.«

      Eine kleine Erkältung und dazu ein großer seelischer Kummer hatten das Fieber verursacht. Katja war das schnell klar. Gegen die Erkältung gab es bald Hilfe, aber gegen den Kummer? Manchmal vergaßen Kinder gar nicht so schnell, wie man allgemein annahm.

      »Die Omi war doch sehr krank«, sagte Frau Wacker leise.

      »Sie war immer lieb und hatte kein Fieber«, sagte die Kleine.

      »Aber wenn sie sehr krank war, hatte sie auch große Schmerzen«, sagte Katja behutsam, »und das wollte der liebe Gott nicht. Deshalb hat er sie dann zu sich genommen.«

      »Damit sie keine Schmerzen mehr hat?« fragte die Kleine.

      »Ja, deshalb«, erwiderte Katja. »Und jetzt schaut sie vom Himmel herab und wäre sehr traurig, wenn du nicht bald gesund wirst, Susi. Dann macht sich die Mami nämlich auch Sorgen und wird auch noch krank.«

      Vielleicht hatte sie die richtigen Worte gefunden. Susi sah sie nachdenklich an.

      »Ich will nicht, daß die Mami krank wird«, sagte sie. »Will endlich ein Brüderchen haben.«

      »Ja, dann mußt du ganz besonders lieb zu deiner Mami sein und darfst nicht weinen. Wenn man ein Brüderchen haben will, muß man fröhlich sein.«

      »Aber das Brüderchen hat keine Omi mehr.«

      »Dafür hat es eine liebe große Schwester. Wie alt bist du denn schon, Susi?«

      »Bald vier Jahre, und alle Kinder im Kindergarten haben Brüder oder Schwestern, bloß ich nicht.«

      Katja sah Frau Wacker an und las in ihren Augen tiefste Verzweiflung. Sie faßte sich ein Herz und sagte: »Jetzt, wo die Omi im Himmel ist, wird sie den lieben Gott bitten, daß du bald ein Brüderchen bekommst, Susi. Sie will doch nicht, daß du traurig bist.«

      »Weißt du das genau?« fragte das Kind.

      »Ja, das weiß ich genau. Du nimmst jetzt brav die Tropfen, und dann schläfst du schön. Und wenn ich morgen wiederkomme, bist du wieder gesund.«

      »Versprichst du es?«

      »Du mußt schon mithelfen, Susi. Wenn du weinst, dauert es länger mit dem Gesundwerden.«

      Susi beruhigte sich. »Kommst du morgen bestimmt wieder?« fragte sie.

      »Ja, ganz bestimmt. Gleich morgen früh.«

      »Dann sagst du zur Mami, daß sie auch nicht mehr weinen soll, gell?«

      »Das sage ich ihr gleich.«

      Susi schluckte brav ihre Tropfen, nahm ihren Teddy in den Arm und drehte sich zur Seite. »Wiedersehen«, murmelte sie.

      »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Frau Doktor«, sagte Heidi Wacker, als sie das Kinderzimmer verlassen hatten. »Jetzt weiß ich, daß ich das Kind erst recht traurig gemacht habe mit meiner Heulerei. Aber Sie müssen wissen, daß ich mich mit meiner Schwiegermutter wunderbar verstanden habe. Das ist doch so selten, und ausgerechnet sie muß so früh sterben.«

      »Es liegt alles in Gottes Hand«, sagte Katja leise.

      Heidi Wacker nickte. »Ein zweites Kind wünschen wir uns schon lange, aber ich hatte schon zwei Fehlgeburten. Jetzt bin ich wieder schwanger und habe nur Angst, daß ich durch die Aufregungen das Kind wieder verliere.«

      »Dann denken Sie an das Kind und daß Sie es behalten wollen, Frau Wacker«, sagte Katja. »Gehen Sie zu Dr. Norden. Er wird Ihnen noch besser raten können als ich. Ich habe mich wirklich ausschließlich auf Kinder konzentriert.«

      »Haben Sie selbst welche?« fragte Heidi Wacker.

      »Nein, und ich werde auch keine bekommen. Sehen Sie, das war für mich die Entscheidung, allein bleiben zu wollen. Aber Sie haben schon ein Kind. Ich weiß nicht, warum Sie die Fehlgeburten hatten.«

      »Immer durch die Herumzieherei. Mein Mann wurde dauernd versetzt. Er ist so ein Computerfachmann. Ich verstehe davon überhaupt nichts. Heinz macht sich keine Gedanken. Für ihn ist alles erklärbar. Die Materie hat ihre Gesetze und die Natur auch. Wenn ich eine Fehlgeburt hatte, sagte er nur, daß es eben nicht sein sollte.«

      »Vielleicht ist das sogar eine gesunde Einstellung«, sagte Katja.

      Heidi blickte zu Boden. »Und als seine Mutter starb, sagte er, daß ich darüber nicht weinen solle. Ihr sei vieles erspart geblieben, da sie ein entbehrungsreiches Leben hatte. Er sieht alles so schrecklich nüchtern.«

      »Vielleicht wollte er Sie nur auf seine Art trösten«, sagte Katja. »Manche Männer geben sich ganz anders als sie denken.«

      Und seltsamerweise kam ihr dabei Marian Höller in den Sinn.

      »Sie verstehen es besser zu trösten, Frau Doktor«, sagte Heidi Wacker. »Halten Sie mich bitte nicht für wehleidig, aber wenn so etwas daherkommt…«

      »Ich verstehe das sehr gut, Frau Wacker. Und das Kind fühlt, wie traurig Sie sind, deshalb ist es für Susi auch besonders schlimm. Mit dem Fieber wird es morgen wieder besser sein. Und Sie melden sich bitte einmal bei Dr. Norden an, er wird sehr viel Verständnis für Ihre Sorgen zeigen und Ihnen bestimmt helfen.«

      »Wenn Sie es sagen! Es ist so schwer, den richtigen Arzt zu finden. Verstehen Sie es bitte nicht falsch, aber ich habe schlechte Erfahrungen gemacht.«

      »Das tut mir leid«, erwiderte Katja. »Ich bedaure es sehr, wenn Kollegen sich nicht das Vertrauen ihrer Patienten erwerben können. Das bringt unseren Beruf jetzt immer öfter in ein schiefes Licht.«

      »Sie haben mir jedenfalls sehr geholfen, und das in jeder Beziehung«, sagte Heidi Wacker.

      Die anderen Hausbesuche verliefen problemlos. Katja war froh, daß sie sich dann ausruhen konnte. Aber ihre Gedanken wanderten zu dem kleinen Ulli, zu Ulrike Höller und das liebe Minchen.

      Marian wollte sie ausschließen, aber ganz gelang ihr das nicht. Immer wieder fragte sie sich, wie wohl die Unterredung zwischen Mutter und Sohn verlaufen würde.

      *

      Seiner Mutter gegenüber benahm sich Marian allerdings immer ritterlich. Ulrike wunderte sich, daß er so früh heimkam,


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