Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
»Schauen Sie ihn doch an, Katja, wie friedlich er schläft. Er fühlt sich wohl. Minchen würde ihn natürlich am liebsten die ganze Zeit schaukeln, aber das habe ich ihr verboten. Ich denke, daß er bisher in einer sehr lauten Umgebung war und die Ruhe genießt. Er muß wohl viel Schlaf nachholen.«
»Das könnte möglich sein«, gab Katja zu.
»Ich habe übrigens die Kinderbilder von Marian zurechtgelegt. Und Ulli habe ich auch fotografiert. Wenn ich die Bilder habe, können wir ja vergleichen. Aber ich muß gestehen, daß ich bisher nicht viel Ähnlichkeiten feststellen konnte. Marian war schon mit sechs Wochen so ein Brocken.«
»Wieviel wog er bei der Geburt?« fragte Katja.
»Acht Pfund. Er hat mir ziemlich zu schaffen gemacht, aber damals machte man nicht solch Getöse. Es wurde nichts davon gesagt, was man essen oder nicht essen dürfe. Auch nicht davon, wieviel das Kind wiegen solle bei der Geburt. Und Ultraschall und so was gab es schon gar nicht. Vielleicht ist das jetzt gar nicht so gut, was alles gemacht wird. Meinen Sie nicht, daß die werdenden Mütter verunsichert werden?«
»So möchte ich das nicht sagen«, sagte Katja. »Man kann beizeiten feststellen, ob ein Kind möglicherweise nicht normal entwickelt ist und dann noch eine Geburtenunterbrechung vornehmen.«
Ulrike sah sie ernsthaft an. »Ich frage mich dann nur, warum immer noch geschädigte Kinder oder gar Totgeburten auftauchen. Ich bin der Meinung, daß sich die Natur nicht ins Handwerk pfuschen läßt und manches eher schadet als nützt. Es kommt aber wohl auch immer auf den Arzt an, wie gewissenhaft er ist.«
»Sie sagen es«, erwiderte Katja.
Und dann läutete es.
»Minchen ist beim Kochen«, sagte Ulrike. »Entschuldigen Sie bitte.«
Sie ließ aber die Tür offen, und Katja hörte, wie eine helle Frauenstimme sagte: »Mein Name ist Jana Frey. Kann ich bitte Marian sprechen?«
»Mein Sohn ist verreist«, erwiderte Ulrike.
»Wenn das stimmt, können wir uns bei dieser Gelegenheit einmal kennenlernen, Frau Höller. Ich bin schon seit einiger Zeit mit Marian befreundet und habe es sehr bedauert, daß wir einander noch nicht vorgestellt wurden.«
»Wenn Marian das unterlassen hat, wird er wohl seine Gründe dafür gehabt haben«, erwiderte Ulrike in einem so eisigen Ton, wie Katja ihn bei dieser Frau nicht für denkbar gehalten hätte.
»Vielleicht war er auch nur besorgt, daß wir einander nicht verstehen würden«, sagte Jana.
»Das kann möglich sein. Ich habe jetzt keine Zeit.«
»Sind Sie vielleicht mit Marians neuer Freundin beschäftigt?« fragte Jana dreist. »Ich sah vorhin, wie sie das Haus betrat. Aber Sie können Ihrem Sohn sagen, daß man mich so leicht nicht los wird. Und ich lege nicht den geringsten Wert darauf, mich mit Ihnen gut zu stellen. Ich habe gewisse Rechte.«
Ulrike schnappte nach Luft. Das konnte Katja freilich nicht sehen.
»Falls Sie auch noch mit einem Kind daherkommen, bitte schön«, sagte Ulrike dann aber geistesgegenwärtig. »Ich kann aber meinen Sohn nicht veranlassen, Sie deshalb zu heiraten. Ein Kind haben wir schon, und um dieses muß ich mich kümmern, wie auch die Ärztin, die Sie wohl irrtümlich als Freundin meines Sohnes bezeichnet haben. Aber ich werde das Datum des heutigen Tages in meinem Kalender anmerken, damit später mögliche Zweifel nicht aufkommen können. Wie war doch Ihr Name? Jana Frey, wenn ich richtig hörte.«
»Genau«, sagte Jana mit einem frivolen Lächeln. »Sie werden mich bestimmt noch näher kennenlernen, Frau Höller.«
»Das bezweifle ich. Ich bestimme nämlich, wen ich näher kennenlernen möchte, nicht mein Sohn.« Und dann begann Ulli laut zu schreien, so, als wüßte er, daß er sich bemerkbar machen müsse.
»Tatsächlich ein Baby«, sagte Jana konsterniert. »Ich dachte, das wäre mal wieder so ein Gag von ihm.«
»Nun wissen Sie Bescheid«. sagte Ulrike. Und da kam Dr. Norden.
»Dr. Norden«, flötete Jana mit liebenswürdigster Miene. »Welche Überraschung!«
Auch für den Arzt war es eine, wenn anscheinend auch keine angenehme.
Jana war vor noch nicht langer Zeit als Patientin zu ihm gekommen, mit einer Lappalie, für die sie keinen Arzt gebraucht hätte. Er ahnte jetzt den Grund. Aber sie mußte sich wohl oder übel verabschieden, und Ulrike atmete auf, als sie die Tür hinter ihr zumachen konnte.
»Ihnen ist diese Dame also auch bekannt«, stellte sie spöttisch fest.
»Sie suchte mich vor ein paar Wochen auf, empfohlen von Herrn Höller«, erwiderte er. »Angeblich litt sie unter Magenverstimmung, und sie erkundigte sich auch beiläufig nach Ihrem Befinden, Frau Höller.«
»Was Sie nicht sagen! Hoffte sie, daß ich im Sterben liege?« fragte Ulrike drastisch. »Ich erinnere mich, daß ich eine Grippe hatte und Marian recht besorgt war.«
»Sie wollte mich ausfragen«, erklärte Dr. Norden, »sie tat sehr mitfühlend.«
»An ihr wird Marian wohl noch zu knabbern haben«, sagte Ulrike ironisch. »Aber sie wird auch nicht mehr erreichen als andere vor ihr. Sein Vater war übrigens genauso, aber ich muß sagen, daß er ein guter und treuer Ehemann wurde.«
»Er hat die richtige Frau gefunden«, sagte Dr. Norden lächelnd.
»Ich hoffe, daß Marian auch die richtige Frau findet«, sagte sie gedankenvoll. Sie blickte nach oben und gab ihm einen Wink, ihr ins Wohnzimmer zu folgen.
»Katja ist hier«, flüsterte sie.
Er lächelte hintergründig. »Und Sie meinen, daß sie die Richtige wäre?«
»Sie haben es erfaßt.«
»Sie ist keine so diplomatische Eva wie Sie, Frau Höller.«
»Das weiß ich«, sagte Ulrike seufzend. »Für mich wäre es die richtige Tochter. Solch eine Tochter habe ich mir gewünscht.«
»Dann wäre der Sohn zu kurz gekommen«, bemerkte Dr. Norden.
»Es hätte ihm sicher gutgetan.«
»Da muß ich widersprechen.«
»Warum?«
»Weil er Sie sehr liebt, sonst wäre er wohl schon einer berechnenden Frau auf den Leim gekrochen. Lassen Sie ihm nur Zeit. Er ist jetzt ein gestandener Mann und hat seine Erfahrungen gesammelt. Er weiß, daß Sie sich jetzt auf das Baby konzentrieren und ist sicher irgendwie eifersüchtig. Aber er kennt die Frauen und wird nicht aus Trotz in eine Falle tappen. Versteifen Sie sich aber nicht auf Katja. Sie ist ganz in ihrem Beruf engagiert.«
»Und von Marian gar nicht beeindruckt«, murmelte Ulrike.
*
Momentan war Katja von Zorn auf Marian erfüllt. Das also war die Sorte Frauen, die er bevorzugte. Die Art, wie Jana geredet hatte, genügte ihr. Wenn er solche Frau heiratete, würde er sich nie zu dem Kind bekennen, da konnte es seine Mutter noch so gut meinen. Aber vielleicht war diese Anita genauso gewesen und hatte ihm das Kind tatsächlich nur unterschieben wollen. Das gab es schließlich öfter.
Sie betrachtete den Kleinen, der jetzt nackt auf dem Wickeltisch lag und keck sein Köpfchen hob. Sie konnte nicht begreifen, daß eine Mutter sich eines so hübschen, gesunden Kindes entledigen konnte.
Wenn eine Frau, die verzweifelt, allein und arm war, ihr Kind schon kurz nach der Geburt aussetzte, war das eher zu verstehen. Und es blieb die Frage, warum sie Marian das Kind erst jetzt gebracht hatte, warum man es ihr in die Praxis brachte.
Nun kamen Dr. Norden und Ulrike Höller. »Hallo, Kollegin«, sagte Daniel heiter.
»Hallo, Kollege«, lächelte sie.
»Der Kleine macht sich ja prächtig«, fuhr Daniel fort. »Ich würde sagen,