Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
bei Dr. Arnim nicht wahrnehmen würde.
»Die Mami fühlt sich nicht wohl«, hatte sie zu dem Kind gesagt. »Ich muß jetzt nur etwas erledigen, dann gehen wir essen, und dann kaufen wir ein Fahrrad für dich. Das wünschst du dir doch.«
Bettina strahlte. »O fein, Oma«, rief sie aus, »du bist lieb!«
So was hörte Helma Mosch gern. »Von der Mami bekommst du ja doch keins«, fügte sie hinzu.
»Mami hat immer bloß Angst, daß ich mir weh tue«, sagte Bettina. »Aber sie wird böse sein, wenn du mir ein Fahrrad schenkst.«
»Ach weißt du, das lassen wir bei mir, und dann besuchst du mich eben öfter«, sagte Helma Mosch.
Bettina machte sich darüber noch keine Gedanken. »Der Papi wird es schon erlauben«, sagte sie zuversichtlich.
»Aber sicher. Er hat doch als Kind auch ein Rad gehabt.«
In der Vorfreude auf das Fahrrad blieb Bettina brav im Auto sitzen, während Helma Mosch Dr. Arnim aufsuchte. In gereizter Stimmung kam sie dann zurück, und sie hatte plötzlich keine Lust mehr, mit dem Kind essen zu gehen. Das war Bettina auch nicht so wichtig.
»Aber das Fahrrad kaufst du mir schon, gell, Oma?« fragte sie.
»Ja, das kaufe ich dir.«
Und es wurde gekauft. »Aber du sagst der Mami noch nichts davon, erst wenn Papi zurück ist«, mahnte Helma. »Und du sagst auch nichts, wo ich vorher gewesen bin.«
Manches kam Bettina doch ein bißchen merkwürdig vor. »Warum kannst du Mami eigentlich nicht leiden?« fragte sie.
»Frag doch mal deine Mutter, warum sie mich nicht leiden kann«, entfuhr es Helma.
Der Ton mochte wohl zu giftig gewesen sein, oder es war ihr Blick, daß Bettina so erschrak.
»Schau, dein Papi ist mein Kind«, fuhr Helma rasch fort, als das Kind sie vorwurfsvoll anblickte. »Und eine Mutter liebt ihr Kind, das bleibt immer so, auch wenn Kinder erwachsen sind.«
»Und ich bin Mamis Kind, und sie hat mich auch sehr lieb«, sagte Bettina. »Und das bleibt auch immer so. Und Mamis Mutter ist leider im Himmel. Ich möchte jetzt nach Hause.«
»Jetzt habe ich das Fahrrad gekauft, und nun wirst du ungezogen«, sagte Helma gereizt.
»Ich bin nicht ungezogen. Ich möchte zu Mami. Das Fahrrad bleibt ja sowieso bei dir.«
»Und du darfst nur damit fahren, wenn du lieb bist.«
»Ich kann ja noch gar nicht fahren«, sagte Bettina trotzig. »Muß es erst lernen.«
Helma war jetzt auf der Hut. Sie wollte das Kind nicht gegen sich aufbringen, gerade jetzt nicht, da Annette soweit war, sich scheiden zu lassen. Von Zugewinngemeinschaft hatte der Anwalt gesprochen. Daß geteilt werden müsse, was während der Ehe erworben worden war. Selbstverständlich bezog Helma Mosch den Wert des Hauses da mit ein, und sie hatte sich schon längst erkundigt, was das wohl wert sein mochte. Schlecht würde Heiner keinesfalls bei einer Scheidung abschneiden.
Skrupel kannte sie nicht. Sie fuhr Bettina nach Hause. Annette erschien in der Tür. Ihr Blick war eisig.
»Oma hatte mich abgeholt«, sagte Bettina kleinlaut.
»Und ich war vergeblich da«, sagte Annette.
»Oma hat gesagt, daß du krank bist.«
»Das möchte sie wohl gern«, sagte Annette aufgebracht. »Zumindest möchte ich gefragt werden, wenn du das Kind holst«, wandte sie sich an die Ältere.
»Du mußt alles dramatisieren«, sagte Helma spitz.
»Du treibst alles auf die Spitze«, konterte Annette. »Aber du kannst es dir hier bequem machen. Ich werde mit Bettina verreisen.«
»Das kannst du nicht, Heiner kommt bald zurück«, widersprach Helma.
»Ich kann zu meinem Vater fahren, wann ich will«, sagte Annette. »Er hat das gleiche Recht, das Kind zu sehen wie du, wenn du darauf hinaus willst. Er würde sich nur niemals in meine Ehe einmischen. Ich brauche Tapetenwechsel, und Bettina wird die Gebirgsluft auch guttun.«
»O ja, ich freue mich«, rief das Kind. »Ich fahre sehr gern zu Opi.«
Nun stand Helma da. Nicht einmal mit dem Rad konnte sie das Kind locken. Wortlos, einen haßerfüllten Blick auf Annette werfend, verließ sie das Haus.
Bettina war so aufgeregt und voller Vorfreude, daß sie sich keine anderen Gedanken machte.
Schnell hatte Annette einen Koffer gepackt. So schnell, wie sie den Plan gefaßt hatte, wurde er auch ausgeführt. Schon eine Stunde später fuhr sie mit Bettina geradewegs den Bergen zu.
*
Bei den Diehls herrschte zwar auch nicht gerade eine fröhliche Stimmung, aber doch ein ganz anderer Ton. Als Sandra mit Nico heimkam, hatte Annedore schon das Mittagessen zubereitet.
»Wir haben schnell noch ein paar Einkäufe gemacht, Mutsch«, sagte Sandra.
»Für den Urlaub«, fügte Nico hinzu. »Fahr doch mit uns mit, Ömchen.«
»Fahr du ruhig mal allein mit der Mami«, erwiderte Annedore. »Ich bin ja sonst viel öfter mit dir beisammen.«
»Und jetzt mußt du dich mal von mir erholen«, sagte Nico spitzbübisch. »Frau Mandi sagt auch, daß ich ganz schön anstrengend bin.«
Frau Mandi war die Kindergärtnerin, die allerdings einige Sträuße mit Nico ausfechten mußte, weil er eben schon weiter war als die andern und dauernd Fragen stellte. Aber ihm allein konnte sie sich ja nicht widmen.
»Gar so anstrengend bist du auch nicht, Nico«, sagte Annedore weich, »aber die weite Fahrerei ist mir zu beschwerlich und Mami möchte etwas von der Welt sehen.«
Nico betrachtete sie gedankenvoll. »Bettina hat nicht so eine liebe Omi«, sagte er. »Ich mag sie nicht. Sie hat einen bösen Blick.«
»Wie kommst du denn darauf?« fragte Sandra bestürzt. »Du kennst sie doch gar nicht.«
»Freilich kenne ich sie. Sie hat Bettina heute abgeholt und neulich auch schon mal. Und sie hat zu Frau Mandi gesagt, daß die Kinder nichts Gescheites lernen im Kindergarten. Was sind Proleten, Mami?«
»Hat sie dieses Wort gebraucht?« fragte Sandra empört.
»Klar, ich hab’s vorher doch noch nie gehört.«
»Das ist so eine Bezeichnung für Menschen, die nicht viel besitzen«, erklärte Sandra, »aber manche gebrauchen es beleidigend. Ganz verstehst du das noch nicht, Nico.«
»Klar verstehe ich es, wenn du es mir erklärst. Ein Auto besitzen aber alle Eltern von den Kindern. Arm ist da keiner.«
Manchmal gab sich selbst Sandra geschlagen, wenn Nico solche Argumente vorbrachte. Und sie wußte, daß die Diskussion endlos werden konnte, wenn sie keine Bremse einlegte.
»Wir haben mit Bettinas Oma nichts zu schaffen«, erklärte sie deshalb.
»Aber Bettina. Stell dir vor, dann ist ihre Mami gekommen, und sie war ganz aufgeregt, weil die Oma Bettina schon geholt hatte. Meine Omi würde so was nicht tun, ohne es dir zu sagen.«
»Nicht alle Großmütter sind gleich«, sagte Sandra. Und Annedore bekam einen liebevollen Blick geschenkt.
Nico beschloß nach dem Essen, die Sachen zusammenzusuchen, die er mit auf die Reise nehmen wollte. Annedore und Sandra tranken noch ihren Mokka.
»Hast du eigentlich je das Gefühl, daß ich dich in irgendeiner Weise beeinflußt habe, Sandra?« fragte Annedore zögernd.
»Aber nein, Mutsch, du weißt doch, was ich für einen Dickkopf habe. Meine Fehler habe ich nur mir allein zu verdanken. Und ich möchte sie auch allein ausbaden. Es gefällt mir gar nicht, wenn du dir meinen Kopf zerbrichst. Du nimmst dir alles viel zu sehr zu Herzen.«