Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
zur Insel brachte.
»Ihr besucht uns aber bestimmt«, sagte Tina beim Abschied.
»Worauf du dich verlassen kannst«, erwiderte Sabine.
»Ich verlasse mich auch darauf«, meldete sich Jonathan zu Wort.
Sabine küßte ihn auf beide Wangen.
»Einstweilen Dank für alles, lieber Jonathan«, sagte sie leise. »Ich bin sehr gespannt auf die Insel.«
Das war Jonathan auch. Und dort reichten sich dann zwei Männer die Hände, die sich schon viele Jahre nicht mehr gesehen hatten und einander doch sofort erkannten. Tina war ganz außer sich vor Freude, daß sie mit Jonathan allein in einem der hübschen kleinen Häuschen wohnen konnte, die auf der Insel verstreut lagen und eher den Eindruck einer hübschen Siedlung vermittelten, als jenen, daß es sich um ein Sanatorium handelte. Mario weihte Tina sogleich in die losen Gesetze ein, die auf der Insel herrschten. Jeder konnte tun, wonach ihm der Sinn stand, nur die Therapieanwendungen mußten ganz pünktlich eingehalten werden.
»Da ist mein Papi streng«, sagte Mario.
»Mein Jonathan auch«, sagte Tina. »Das muß auch so sein, wenn man gesund werden will.«
Manfred konnte beruhigt und zufrieden heimwärts fahren. Aber zuvor hatte er noch ein langes, inhaltsreiches Gespräch mit Jonathan unter vier Augen, und danach schieden sie in vollem Einverständnis, den Blick schon in die weite Zukunft gerichtet.
*
Für die Fiebigs kam die Stunde des Abschiednehmens von Lotte Rimmel und Liesl, den Tieren und von diesen beglückenden Wochen. Troll schlich auch trübsinnig herum, aber es nützte ja nun mal nichts. Die Arbeit rief.
Sie nahmen ihre letzte Mahlzeit ein. Auch Danny, dem es sonst immer so gut geschmeckt hatte, zeigte keinen Appetit.
»Nächstes Jahr fahren wir wieder zu Tante Lotte, gell?« fragte er mit tränen-ersticktem Stimmchen.
»Ihr braucht’s doch nicht bis nächstes Jahr warten«, sagte Lotte. »Am Wochenende könnt ihr doch auch mal kommen, und es gibt auch Feiertage. Schön wär’s, wenn ihr Weihnachten bei mir feiern würdet.«
Gerührt sah Claudia die Ältere an. »So gern hast du uns, Tante Lotte?« fragte sie.
»Grad so, als hätte ich nun auch eine Familie, ist es mir«, erwiderte Lotte, »und wenn der Kindergarten Ferien macht, könnt ihr mir doch Danny herbringen. Das wollte ich sagen.«
Danny fiel ihr gleich um den Hals. »Habt ihr das gehört? Papi, Mami, was sagt ihr dazu? Unsere liebe Tante Lotte!«
»Das ist wirklich sehr lieb«, sagte Claudia, »aber…«
»Ach was, kein Aber«, sagte Lotte, »und du läßt dein Geld stecken, Martin. Du hast genug gearbeitet hier. Erspar es mir, daß wir es gegenseitig aufrechnen. Du mußt dich jetzt wieder genug mit Zahlen herumplagen. Wir haben Freundschaft geschlossen. Ich habe sonst niemanden, und wenn ihr meinen Lebensabend mit Freude erfüllt, ist es überflüssig, von Geld zu reden. Ich habe genug und kann es gar nicht verbrauchen. Also macht eurer Tante Lotte die Freude und kommt, so oft ihr könnt.«
»Du bist zu großzügig, Tante Lotte«, sagte Claudia bewegt.
»Martin kann mir ja meine Steuererklärung machen«, sagte sie verschmitzt. »Dann bleibt vielleicht noch ein bißchen mehr übrig. Wenn ihr mir jetzt versprecht, bald wiederzukommen, brauche ich nicht zu heulen.«
Aber als sie sich umarmten, kullerten die Tränen dennoch.
»Wir kommen ja wieder«, versprachen sie, »wie gern kommen wir wieder!«
Lotte winkte ihnen nach, und dann sagte sie zu Liesl: »Jetzt wird es wieder still bei uns, Liesl, aber es war eine schöne Zeit, von der man zehren kann.«
»Und wiederkommen tun s’ auch«, meinte Liesl. »Ja, wie eine ganz richtige Familie kommt es einem schon vor.«
Ja, so war es Lotte auch, und nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so glücklich gefühlt. Gleich sollte es auch Dr. Norden erfahren, daß er ihr das Glück ins Haus geschickt hatte, und daß er sich darüber freute, brauchte nicht extra betont zu werden.
Er mußte in diesem Zusammenhang an Victor denken, denn auf der Fahrt zu ihm hatte er Claudia und den kleinen Danny kennengelernt, dann hatte er ihrem Mann helfen können, und nun hatte dadurch auch Lotte Rimmel so viel Freude erfahren.
Zur rechten Zeit war Victors Geld auch Tina zugute gekommen, und wiederum war ein weiterer Mensch glücklich geworden. Jonathan Tucker! Wie er sich wohl auf der Insel der Hoffnung fühlte, wie sehr er die Zeit mit Tina genoß, wußten die Nordens bereits von ihren Lieben, und Daniel war nun sehr gespannt, alles über diese großartige Operation zu erfahren. So bald wie möglich wollte er ein Wochenende mit seiner Familie auf der Insel verbringen.
Den kommenden Sonntag hatten allerdings auch die Mainhards für ihren Besuch eingeplant. Sabine hatte ihr Haus wieder in Ordnung gebracht, alles blitzte, wie sie es haben wollte. Berge von Wäsche waren gewaschen und gebügelt. Axel und Kathrin waren von Jonathan mit neuer Kleidung reichlich versorgt worden und ließen sich von den anderen Kindern wegen der duften Pullover bestaunen.
Mit etwas gemischten Gefühlen rief Manfred bei Jochen Burger an und war überrascht, daß dieser ihn gleich mit einem erleichterten Wortschwall überfiel. Eigentlich hatte er ihm nur sagen wollen, daß er das Manuskript zurückziehen wolle, doch dazu kam er gar nicht. Jochen bat ihn dringendst um seinen baldigen Besuch.
Es war ihm dann auch lieber, ihm die Gründe für seinen Entschluß persönlich mitzuteilen, denn verderben mochte er es mit Burger keinesfalls. Er war plötzlich so voller Ideen, so ganz anders als früher, und für ihn war das Schreiben ja nicht nur Lebenszweck, vor allem nicht des Verdienstes wegen, sondern einfach ein Bedürfnis, ja, ein innerer Zwang.
»Ja, ich werde dann morgen nach München fahren«, erklärt er seiner Frau. »Es scheint so, als käme jetzt noch mehr in Schwung, Sabine.«
»Das wäre schön, Manni, aber wir müssen auch daran denken, was mit Victors Geld geschehen soll.«
»Wir werden es in aller Ruhe durchdenken, Liebes. Es trägt ja inzwischen Zinsen«, erwiderte er.
»Und dann müssen wir auch Ausschau halten, ob es in der Nähe nicht ein hübsches Häuschen gibt oder ein schönes Grundstück.«
»Das wollen wir doch lieber mit Jonathan besprechen«, meinte er. »Alles hübsch der Reihe nach.«
*
Der nächste Tag brachte ihm dann so viel Lob und Anerkennung wie nie zuvor, und es fiel ihm nicht leicht, Jochen Burger eine Enttäuschung bereiten zu müssen. Doch seinen Argumenten konnte sich Jochen nicht verschließen.
»Ich habe einen anderen Roman angefangen«, sagte Manfred, »und er ist auch schon ganz hübsch weit gediehen. Vielleicht interessieren Sie sich dafür.«
»Aber ganz gewiß«, erwiderte Jochen. »Und vielleicht denken Sie einmal darüber nach, Ihre Geschichte umzuschreiben in die dritte Person. Ein bißchen was verändern, so daß man keine Rückschlüsse auf das Leben des Autoren schließen kann, und dazu einen Schluß, der keine bangen Fragen offenläßt, der positive Aussage ist und anderen Kranken Hoffnung gibt. Wäre das nicht eine Anregung?«
»Nicht von der Hand zu weisen, aber ein wenig Abstand brauche ich dazu schon noch.«
»Ich verstehe Sie sehr gut. Ich freue mich, daß Ihre kleine Tochter ganz gesund wird, Herr Mainhard. Ich habe viel an Sie gedacht. Ja, Sie haben uns in ganz bestimmter Weise sehr geholfen.«
»Wieso?« fragte Manfred verblüfft.
»Man könnte fast sagen, daß Sie einen Knoten durchschlagen haben. Wir alle, meine Frau, mein Onkel und ich, vielleicht sogar unsere Evi waren so verstrickt darin, einander auszuweichen, nicht merken zu lassen, wie nahe uns Evis Schicksal ging, daß wir uns voneinander entfernten, anstatt mehr zusammenzuhalten. Aber durch das Schicksal Ihrer Tina ist es uns bewußt geworden,