Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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wieder dazulernen. Schau, Tina, als ich so alt war wie du, hatten wir noch keine Ahnung, daß Menschen auf den Mond fliegen können und auch wieder heil zurückkommen. Da gab es nur ganz kleine wacklige Flugzeuge, und schon gar nicht wagte man daran zu denken, daß manche menschliche Organe austauschbar sein würden.«

      »Aber manche Menschen müssen das doch schon im Sinn gehabt haben«, sagte sie nachdenklich. »Es dauerte doch sehr lange, bis man in der Forschung Erfolg hat. Aber eins hätten sie nicht zu erfinden brauchen.«

      »Was?« fragte er.

      »Die Atombomben, die soviel anrichten können. Es wird doch viel Gutes für die Menschen gemacht, warum soll das wieder kaputt gemacht werden? Und dazu brauchen sie so viel Geld. Kein Kind in der Welt müßte hungern, wenn es dafür verwendet würde.«

      Auch darüber hatte sie sich schon Gedanken gemacht.Wie ernst ihr kleines Gesicht war!

      »Denken wir nicht daran, Tina«, sagte Jonathan. »So unvernünftig werden die Staatsmänner nicht sein, einen Atomkrieg zu provozieren.«

      »Und wozu werden die Dinger dann gebaut?« fragte Tina. »Das verstehe ich wirklich nicht. Wie können die Leute, die das erfunden haben und immer noch mehr erfinden, nur ruhig schlafen?«

      »Sie werden sich wohl nicht solche Gedanken machen wie du«, erwiderte Jonathan.

      »Ich möchte solchen Leuten mal richtig die Meinung sagen«, erklärte Tina.

      »Vielleicht wirst du mal Gelegenheit dazu haben«, sagte er.

      »Gibst du mir mal so ein Buch zum Lesen?« fragte sie nach einer kleinen Pause.

      »Das ist ja viel zu schwer, und du verstehst es noch gar nicht.«

      »Hast du nicht eins, das ich verstehe?«

      »Eins habe ich, aber das kennst du bestimmt schon.«

      »Wie heißt es?«

      »Der kleine Prinz.«

      »Von Antoine de Saint-Exupéry«, sagte sie, »ja, das kenne ich. Er ist leider auch so einen sinnlosen Tod gestorben.«

      Jonathan schloß unwillkürlich die Augen. Mein Gott, sie ist doch erst knapp zwölf Jahre, wie kann sie nur schon so tiefsinnig denken?

      »Er hätte sicher noch viele schöne Geschichten geschrieben«, fuhr Tina leise fort. »Ich bin froh, daß ihr nicht mehr in den Krieg müßt, wenn einer kommt, du nicht und Papi auch nicht.«

      Diesem optimistischen Gedanken wollte er nun bei Gott nicht widersprechen, aber bevor ihm andere Gedanken kommen konnten, sagte sie: »Und Axel werde ich verstecken. Der mag sowieso kein Schießeisen in die Hand nehmen. In der Bibel steht: Du sollst nicht töten. Aber es steht auch da: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Es gibt so viele Widersprüche, Jonathan.«

      »Du bist mir einfach zu gescheit«, sagte er mit einem tiefen Seufzer.

      »Ich hatte nur viel Zeit, alles zu lesen, was mir unter die Finger gekommen ist«, erwiderte sie mit einem umwerfenden Lächeln.

      Aber war es nicht seltsam, daß sie nur mit ihm so tiefsinnige Gespräche führte? Jonathan sagte allerdings nie, daß sie noch viel zu jung dafür sei und sie sich noch ein paar Jahre gedulden solle, bis sie all diese Probleme begreifen würde. Er nahm sie einfach ernst. Und nun freute er sich schon auf die Zeit mit ihr auf der Insel der Hoffnung. Jetzt brauchte er einen Rückschlag ja nicht mehr zu fürchten.

      Nun neidete es ihm Sabine wenigstens nicht mehr, daß er all die Genesungsstadien, die Tina durchmachen mußte, zuerst genießen konnte. Sie hatte begriffen, wieviel Güte in diesem Mann war und wie glücklich es ihn machte, daß Tina sich so schnell erholte.

      Eigentlich verlief ihr Leben wie zu Hause. Manfred schrieb und sie tippte ab, was er geschrieben hatte. Er konnte mit der Schreibmaschine gar nichts anfangen.

      Axel und Kathrin waren die meiste Zeit bei den Nachbarn, denen dies höchst willkommen schien. Der Vater war den ganzen Tag weg, die Mutter war heilfroh, wenn ihre sehr lebhaften Schlingel beschäftigt wurden. Sie hatte das Sabine gegenüber freudig geäußert und auch gesagt, daß sie mit dem Haushalt vollkommen ausgelastet sei.

      Allerdings hatte die wirklich nette Jeannette auch viel Verständnis dafür, daß Manfred Ruhe zum Schreiben brauchte, obgleich sie gleichzeitig aufrichtig eingestand, daß es bei ihnen dauernd Differenzen geben würde, wenn ihr Mann den ganzen Tag im Hause wäre.

      Jeannette nahm es leicht. Sie war eine gute Hausfrau und Mutter. Sie war auch hilfsbereit und brachte den Mainhards jeden Morgen frische Sandwiches.

      Und so gingen die Tage nun dahin in einem schönen geruhsamen Gleichmaß, und Sabine und Manfred gönnten sich auch so manche Mußestunde, da sie nun von der Sorgenlast um Tina befreit waren.

      Und dann kam der Tag, an dem Axel staunend feststellte, daß Tina ihn um ein ganzes Stück überragte.

      »Du bist aber schnell gewachsen«, sagte er bewundernd.

      »Das kommt vom vielen Schlafen«, erwiderte sie.

      »Und noch hübscher bist du geworden«, meinte er. »Kommt das auch vom vielen Schlafen?«

      »Was du nicht alles feststellst«, sagte Tina verlegen.

      »Die werden vielleicht schauen, wenn wir heimkommen, Tina«, freute sich Axel. »Aber zuerst fährst du ja mit Jonathan auf die Insel. Schade, daß wir da nicht mitdürfen.«

      »Ihr seid mir doch nicht böse?« fragte Tina.

      »Dir kann man doch gar nicht böse sein, aber wir vermissen dich doch sehr.«

      »Aber bald geht alles wieder seinen Gang, und dann muß Jonathan ja auch wieder zurück.«

      »Und dann bist du traurig«, sagte Axel leise.

      Ihr Blick wanderte in die Ferne. »Schön wäre es, wenn er unser Großpapa wäre«, sagte sie träumerisch. »Ich glaube, das würde er auch gerne sein.«

      »Dann fragen wir ihn doch, Tina.«

      »Er muß ja auch noch anderen Menschen helfen«, sagte sie leise.

      *

      Jonathan Tucker hatte seinen Urlaub festgelegt. Betroffen nahmen es seine Mitarbeiter zur Kenntnis.

      »Nun zeigt mal, was ihr könnt«, sagte er. »Es wird nicht mehr lange dauern, dann räume ich euch ganz das Feld.«

      Das meinte er ernst. Niemand hatte es geglaubt. Schwester Harriet war bis ins Mark getroffen, das stand fest. Bleich und stumm wandelte sie einher. Und es dauerte einige Zeit, bis Jona-than das bemerkte, denn er war in jeder freien Minute immer noch mit Tina beschäftigt.

      »Wir haben doch oft darüber gesprochen, daß wir gemeinsam aufhören, Harriet«, sagte er. »Nun naht die Zeit. Wir waren uns doch immer einig.«

      »Aber Sie haben nie gesagt, daß Sie dann ganz von hier fortgehen«, begehrte sie auf.

      »Das habe ich jetzt auch nicht gesagt.«

      »Aber ich weiß es. Sie werden nach Deutschland gehen, um Tina öfter sehen zu können.«

      »Die gute Harriet weiß mehr als ich«, bemerkte Jonathan, aber ein ironischer Ton gelang ihm nicht.

      »Ich kenne Sie zu gut«, meinte Harriet.

      »Na schön, wenn Sie mich so gut kennen, warum siezen wir uns wieder privat?«

      »Es ist besser so, dann fällt der Abschied nicht so schwer. Dann sind Sie eben nur der Chef, der Adieu sagt auf Nimmerwiedersehen.«

      »Nicht aufregen, Harriet, ich hätte dich schon noch gefragt, ob du mitgehen willst, wenn ich selbst mit mir im reinen bin«, erwiderte er.

      »Ob ich mitgehen will?« wiederholte sie fassungslos.

      »So ganz einsam wollte ich auch drüben eigentlich nicht sein, falls ich tatsächlich diesen Entschluß fasse. Oder hat du gemeint, ich will mich bei den Mainhards


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