Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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will Ärztin werden, und ich bin überzeugt, daß sie eine gute Ärztin wird. Sie bringt alles dafür mit, sogar schon Erfahrung, was leiden bedeutet. Sie ist ein ganz wunderbares kleines Mädchen. Ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, diese Operation auszuführen, wenn sie ihn mir nicht gemacht hätte, so voller Vertrauen mit einem so festen Glauben.«

      »So schlimm war es«, murmelte Sabine mit erstickter Stimme.

      »Ja, so schlimm. Und in meiner langen Praxis hatte ich bisher nicht einen vergleichbaren Fall, aber ich hatte auch noch keine so mutige Patientin. Sie verstehen, daß Tina etwas Besonderes in meinem Leben ist, ich möchte sagen, ein Dank für viele mühsame Jahre. Und ich kann Sie nur bitten, es mir zu vergönnen, daß ich auch einen Platz in ihrem Herzen einnehmen darf.«

      Und so fand dieser Abend einen wundervollen Abschluß, auch für Sabine. Sie reichte Jonathan beide Hände, und er zog diese an seine Lippen.

      »Lieber Professor Tucker…«, weiter kam Sabine nicht. »Ach was, sagt doch auch Jonathan«, fiel er ihr ins Wort. Aber dann verabschiedete er sich rasch, als Sabine ihn umarmte und auf die Wange küßte. Tränen der Rührung wollte er nicht zeigen.

      *

      Ganz glücklich war Sabine, als sie endlich die Hände ihres Kindes halten konnte. Am Vormittag war ihr ein halbes Stündchen gestattet, am Nachmittag sollte es dann Manfred vergönnt sein.

      Durch die Desinfektionsschleuse mußten sie gehen, einen sterilen Kittel anziehen und ihr Haar unter einer Haube verstecken, aber sie konnte Tina nahe sein. Sie konnte in die strahlenden Augen des Kindes blicken. Ja, sie strahlten hell und froh.

      »Jetzt werde ich ganz gesund, Mami, ist das nicht herrlich?« sagte Tina voller Freude. »Vielleicht wachse ich jetzt auch ein bißchen schneller.«

      »Nicht gar zu schnell, Kleines. Dafür bleibt dir noch lange Zeit.«

      »Jonathan war heute morgen schon bei mir und hat mir erzählt, daß er einen schönen Abend mit euch verbracht hat und daß du so gut kochen kannst.«

      »Und hat er dir auch erzählt, daß er mit dir zur Insel der Hoffnung fahren will?« fragte Sabine.

      Da stieg tatsächlich das Blut in Tinas blasse Wangen. »Würdet ihr es denn erlauben?« fragte sie leise.

      »Wenn du es willst, warum sollten wir es dann nicht erlauben, Kleines?«

      »Ihr sollt doch nicht denken, daß ich Jonathan jetzt lieber habe als euch. Aber ich muß ihn liebhaben, Mami. Das verstehst du doch?«

      »Ja, das verstehe ich.« Jetzt sagte sie es ohne zu zögern.

      »Er hat doch auch niemanden. Weißt du, er hätte sehr gern eine Familie, wenn er es auch nicht zugibt. Immer nur im Krankenhaus sein und operieren, das ist doch sehr schwer, wenn niemand zu Hause wartet, mit dem er reden kann. Und hier kennt er eigentlich nur Schwester Harriet richtig. Die anderen haben ja Familie.«

      Sie machte sich ihre Gedanken, die kleine Tina, und Sabine fühlte wieder, wie sehr sie nach innen gelebt hatte. Und war es ihr nicht erst richtig durch Jonathans Worte klargeworden, wieviel Größe dieses kleine Geschöpf bewiesen hatte in seinem Leiden?

      Sie hatten gebangt um Tinas Leben, sie hatten gefürchtet, daß es dann doch plötzlich aus sein könnte, aber Tina selbst hatte nie ein Wort der Klage oder der Angst geäußert.

      »Fühl mal, wie mein Herz schlägt, Mami«, sagte sie. »Das ist jetzt schon ganz anders als früher. Jonathan hat gesagt, daß da so eine harte Nuß gewesen ist, die immer mitgewachsen ist, wenn ich gewachsen bin. Eigentlich kann ich sehr froh sein, daß ich nicht schnell gewachsen bin.« Jetzt lachte sie sogar, und auch Sabine lächelte, obgleich es ihr gar nicht danach zumute war.

      »Nun darf ich auch bald spazierengehen, und dann brauche ich auch nicht mehr auf der Intensivstation zu liegen. Dann können mich auch Axel und Kathrin besuchen.«

      »Immer langsam, mein Schatz«, sagte Sabine.

      Von Axel und Kathrin mußte dann am Nachmittag Manfred erzählen, Tina freute sich, daß ihre Geschwister nun auch schon englisch lernten.

      »Da müssen wir immer fleißig üben, damit sie es nicht wieder vergessen«, sagte Tina. »Aber Jonathan sagt, was man in früher Jugend lernt, bleibt viel mehr haften. Wir können über alles reden, aber er braucht nicht zu wissen, daß du erst später mein Papi geworden bist. Ich will keinen anderen haben als dich.«

      »Ich bin darüber sehr glücklich, Tina«, sagte er.

      »Erzählst du mir mal genau, wie du Mami kennengelernt hast?«

      »Wenn du es so genau wissen willst?« sagte er lächelnd.

      »Ich möchte immer alles ganz genau wissen. Wenn ich erst aufstehen kann, erklärt mir Jonathan auch genau, wie die Operation verlaufen ist.«

      »Ist dir das nicht ein bißchen unheimlich, Tina?«

      »Ich lebe ja«, sagte sie vergnügt. »Und wenn ich mal Ärztin bin, kann ich schon mitreden.«

      »Du hast ja schon große Pläne im Sinn.«

      »Ja, schon lange. Jetzt erzählst du mir, wie du Mami kennengelernt hast.«

      Und Manfred erzählte. Tina lauschte ganz andächtig.

      »Und da hast du gleich gewollt, daß sie deine Frau wird«, sagte sie nachdenklich.

      »Ich schon, aber ich wußte nicht, was sie davon halten würde, Tina. Weißt du, ich habe gar nicht viel verdient und konnte ihr nichts bieten.«

      »Das ist doch egal. Du mußt dir mal die Eltern von meiner Klasse anschauen. Die, die das meiste Geld haben, streiten auch am meisten, und die Kinder sind gar nicht gern zu Hause. Daher kommt es nämlich, daß sie ausrücken oder in schlechte Gesellschaft geraten oder Drogen nehmen. Die fangen früh damit an.«

      »Davon hast du nie gesprochen, Tina«, sagte Manfred erschrocken.

      »Wozu auch, bei uns ist es doch anders, und meine Geschwister kläre ich schon beizeiten auf, Papi, darauf kannst du dich verlassen. Aber du brauchst dir gar keine Gedanken zu machen. Kinder, die ihre Eltern richtig liebhaben, tun so was nicht. Und ihr habt ja Zeit für uns, anstatt uns Geld zu geben, so als Ausgleich.«

      »Du blickst durch, Tina«, sagte Manfred ernst. »Hast du auch schon mal über behinderte Kinder nachgedacht?«

      »Natürlich, ich war ja auch behindert, nur hat man es mir nicht so angesehen wie anderen. Am allerschlimmsten finde ich es, wenn Kinder geistig behindert sind.«

      »Und diejenigen, die körperlich behindert sind, sind nicht so schlimm dran? Blinde und Taube zum Beispiel?«

      »Wenn man denken kann, dann kann man sich beschäftigen. Alles ist irgendwie schlimm, wenn man von Geburt an so ist und gar nicht begreifen kann, daß man anders ist als andere.«

      Da kam Schwester Harriet herein. Sie lächelte freundlich, sagte aber doch recht bestimmt, daß die halbe Stunde längst um sei.

      »Aber ich habe gerade ein interessantes Thema mit Papi«, sagte Tina.

      »Morgen ist auch noch ein Tag«, sagte Schwester Harriet, »und es kommen noch viele, Tina.«

      »Dann werde ich wieder nachdenken und morgen weiter mit dir reden, Papi«, sagte Tina. »Jetzt werde ich nicht mehr so schnell müde, und Jonathan wird es schon erlauben, daß ihr länger bei mir bleiben könnt. Weißt du, was ich mir wünsche?«

      »Sag es.«

      »Schreib doch auch mal eine Geschichte für Kinder. Nicht so einen Quatsch wie in den Comics, sondern was aus dem wirklichen Leben.«

      »Ich werde darüber nachdenken, Tina.« Dann streichelte er ihre kleinen blassen Hände. Mehr war nicht gestattet, aber sehnsüchtig wartete er auf den Tag, wo er sie wieder in die Arme nehmen konnte.

      Und als er die Klinik verließ, dachte er zum ersten Mal an Jochen Burger, an jenes Gespräch, das sie geführt


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