Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch

Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster - Torsten W. Burisch


Скачать книгу
über seine Unkenntnis her. „Eine Hexe kann nichts verändern, was ist. Weder mit Worten noch mit ihren Gedanken. Das Gleiche gilt für einen Hexer. Wir können nur mit Geschick und Magie Flüssigkeiten zubereiten, deren Einnahme gewisse Veränderungen bewirken kann. Da deine Schwester allerdings für uns beide kocht und du auch sonst keinerlei Kostproben meines Könnens zu dir genommen hast, kann ich also gar nicht auf magische Art für deinen momentanen Zustand verantwortlich sein. Ausschließlich meine Fehleinschätzung über die drohende Gefahr kannst du mir vorwerfen. Aber alles andere ist völliger Unfug!“ Der Schluss des Satzes ließ aufgrund der Lautstärke ein Rebhuhn, das in einiger Entfernung eine Efeuansammlung als Versteck genutzt hatte, unter wilden Flügelschlägen davonflattern.

      „Entschuldigung“, sagte Dantra, während Schamröte sein Gesicht überrollte.

      „Wofür?“

      „Bitte?“

      „Ich will wissen, wofür du dich entschuldigst.“ E’Cellbra sprach zwar nun wieder leiser, allerdings hörte sie sich noch gereizter an als vorher.

      Dantra dachte fieberhaft nach. „Wie meint sie das, wofür?“ Doch sein Grübeln brachte ihn nicht weiter und in E’Cellbras Miene sah er ihre Ungeduld wachsen. „Ach, mit der Wahrheit kann man ja nicht so verkehrt liegen“, dachte er noch und sagte dann reumütig: „Weil ich an deiner Ehrlichkeit gezweifelt habe.“

      Er hatte den Satz noch nicht ausgesprochen, als ihm die bebenden Nasenflügel E’Cellbras auffielen. Am liebsten hätte er sich sofort die Ohren zugehalten, aber das hätte ihren Wutausbruch sicher nur noch verschlimmert. „Hör auf, dich für dein Misstrauen zu entschuldigen. Gerade in dieser Welt ist es das, was dir dein Leben retten kann. Wenn du dich für irgendetwas entschuldigen musst, dann dafür, dass meine Worte nicht ihr Ziel in deinem Kopf finden konnten. Glaubst du denn wirklich, du bräuchtest nichts lernen, weil du mit deiner primitiven magischen Kraft all die Probleme, die zwangsläufig auf dich zukommen werden, lösen kannst?“

      „Nein“, antwortete Dantra leise und mit gesenktem Kopf.

      E’Cellbra hakte nach: „Nein?“

      Dantra antwortete nun etwas lauter und ihren strengen Blick erwidernd: „Nein.“

      Sie fragte abermals: „Nein?“

      Nun schrie er: „Nein!“

      Doch sie wiederholte unbekümmert ihre Frage.

      Nun brüllte Dantra sie an: „Verdammt noch mal! Nein! Ich habe es nie geglaubt, und nach dem, was ich gerade dort drin“, er zeigte auf den schwarzen Baumwald, „erlebt habe, erst recht nicht mehr.“ Er schnaufte und die Röte in seinem Gesicht war wieder zurück. Nur jetzt war es die blanke Wut, die sie dorthin getrieben hatte. E’Cellbras Gesichtszüge hingegen entkrampften sich und mit sanfter, freundlicher Stimme sagte sie: „Gut, dann lass uns nach Hause gehen. Ich habe Hunger.“ Sie drehte sich um und marschierte los. Dantra sah ihr verdutzt hinterher. Da war sie wieder. Die Frage. Sollte er ihr einen dicken Ast an den Hinterkopf werfen oder ihr sogar ins Kreuz springen? Doch die Vernunft ließ ihn wieder einmal einfach nur zu ihr aufschließen.

      Nachdem ein frischer, aus Richtung Culter heraufziehender Abendwind sein Gemüt abgekühlt hatte, brach er das Schweigen. „Was ist denn nun passiert? Warum bin ich wieder völlig gesund? Also, ich meine, warum bin ich außerhalb des Schattens gesund?“ Da E’Cellbras Antwort etwas auf sich warten ließ, befürchtete er schon, dass ihr Kontingent an Redebedarf für heute erschöpft sei. Doch einige Schritte später musterte sie ihn kurz über ihre Schulter und machte eine Geste, die ihm wohl sagen sollte, dass sie sich selbst nicht ganz sicher sei.

      „Nach dem, was ich bisher herausfinden konnte, ist der schwarze Baumwald eine ganz eigene Welt für sich. Nichts, was dort drin passiert, steht in Verbindung mit dem, was außerhalb geschieht. Einzig deine Verletzungen, die dich dort drin sicher umgebracht hätten, können nun verheilen. Wenn du also in einigen Wochen noch einmal in den schwarzen Baumwald gehen würdest, wären deine Finger zwar nicht wieder angewachsen, deine Wunden jedoch wären abgeklungen und du hättest wieder die notwendige Kraft, dich zumindest für kurze Zeit zu wehren.“

      „Ich werde nie wieder dort hineingehen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass jede andere Taktik bei meiner vergeblichen Gegenwehr an gleicher Stelle geendet hätte.“

      „Da hast du wahrscheinlich recht“, pflichtete ihm E’Cellbra bei.

      „Hast du mich eigentlich sehen können, als diese Viecher auf mich losgingen?“

      „Nein, aber du warst schon so nah an der Waldgrenze, dass einige der Goracks, die du von dir weggeschleudert hast, aus dem Schatten gewirbelt wurden und sofort zu Staub zerfielen.“

      „Du meinst, ich habe einige der Biester getötet?“ Sie sah zu ihm hinüber und nickte. „Ja!“, rief er und reckte dabei seine Faust in den Himmel. Gleich darauf schaute er sie fragend an. „Woher weißt du, dass sie Goracks heißen?“

      „Weil ich sie so genannt habe. Wenn man eine Spezies erforscht, dann sollte man ihr doch wenigstens einen Namen geben, oder nicht?“

      „Ich finde geflügelte Kakerlaken hätte auch gut gepasst. Wieso haben sie dich eigentlich nicht angegriffen?“

      „Ich habe eine Tinktur entwickelt, die sie von mir fernhält. Riechst du sie nicht?“

      Dantra atmete tief durch die Nase ein. „Außer Fliederduft riech ich nichts“, sagte er achselzuckend.

      „Genau das ist es.“

      „Sie haben Angst vor Fliederduft?“

      „Ob sie Angst haben oder aus einem anderen Grund fernbleiben, kann ich dir nicht sagen“, erklärte E’Cellbra ihm. „Doch eins ist sicher. Es ist nicht der Flieder, der sie davon abhält anzugreifen. Die Tinktur, die dieses bewirkt, stank nur so abscheulich, dass ich sie selbst nicht ertragen konnte und deshalb Fliedergeruch beigemischt habe. Leider ist die Wirkung nicht von sehr langer Dauer. Irgendwann greifen sie einen doch an. Es ist also nicht möglich, mit der Tinktur beträufelt lange Forschungsreisen in den schwarzen Baumwald zu unternehmen. Und bei diesem Punkt, muss ich ehrlich gestehen, hatte ich auf deine magische Kraft gehofft. Du weißt schon ... dass sie dich vielleicht in Ruhe lassen, wenn sie ihre Chancenlosigkeit erkennen.“

      „Es waren einfach zu viele“, begründete Dantra sein Scheitern. „Und ihre Angriffe waren nicht willkürlich, wie man es von einem Tier erwarten würde, sondern taktisch überlegt. Fast so, als wären sie von fremder Hand gesteuert.“

      „Leider befürchte ich, dass die Aufklärung dieses unglücklichen Vorfalls noch lange auf sich warten lassen wird. Denn ich habe keine Ahnung, wie man ihn gefahrlos untersuchen könnte.“

      Den Rest des schmalen Trampelpfads liefen sie gewohnt schweigend und tief in ihre Gedanken versunken hintereinander her. Die letzten Sonnenstrahlen hatten gerade den Wald verlassen, als sie auf eine Anhöhe gelangten, von wo aus man E’Cellbras Haus bereits sehen konnte. In diesem Moment blieb die Hexe abrupt stehen. Neugierig spähte Dantra an ihr vorbei. Er entdeckte trotz des schwindenden Lichts Tami, wie sie aufgeregt mit den Armen winkend auf sie zurannte. E’Cellbra hatte nun ihren Schritt wieder aufgenommen und beide eilten Tami entgegen. Kaum waren sie bei ihr angekommen, fing diese sofort an, mit einem panischen Blick, wie ihn Dantra bei ihr noch nie gesehen hatte, hektisch und mit unverständlicher Gestik den Grund der Aufregung zu erklären.

      E’Cellbra sah von ihr zu Dantra und wieder zurück. Sie gab dem Ganzen noch einen kurzen Moment, bevor sie den Jungen schließlich fragte: „Und? Was ist los? Was hat sie?“

      Dieser schaute sie irritiert an. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

      Die Hexe hatte ihre sonst übliche Aufwärmphase übersprungen und zischte ihn stattdessen sofort so barsch an, dass er einen halben Schritt zurückwich. „Sie ist deine Schwester und führt sich auf wie eine Henne im Kampf ums letzte Korn. Und du weißt nicht, was sie uns damit sagen will?“

      Dantra starrte sie und Tami


Скачать книгу