Die Chiemsee Elfen. Yvonne Elisabeth Reiter

Die Chiemsee Elfen - Yvonne Elisabeth Reiter


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warm.«

      »Dan­ke« mur­mel­te sie und ver­schwand in der Höh­le im Bau­min­ne­ren.

      Sie be­grüß­te Stúh­ly, die Stuhlda­me, die im In­ne­ren der Baum­höh­le leb­te. Ni­mue deu­te­te an, sich set­zen zu wol­len, doch vor­her muss­te sich Stúh­ly nach rechts und links aus­deh­nen.

      Seit Lan­gem war Stúh­ly mehr als ge­nervt, dass sich Ni­mue kei­nen grö­ße­ren Stuhl zu­leg­te. Zum einen mach­te ihr das Deh­nen zu schaf­fen, zum an­de­ren hät­te sie ger­ne einen Spiel­ge­fähr­ten ge­habt. Der Ei­chen­baum je­doch hat­te da et­was Ent­schei­den­des da­ge­gen, und so konn­te auch Ni­mue nicht über sei­nen Kopf hin­weg Ent­schei­dun­gen fäl­len.

      Stúh­ly räus­per­te sich und Ni­mue setz­te sich. Da hör­ten sie das Ra­scheln von Blät­tern. Es war Aaro, der sei­nen Stamm von au­ßen schloss, in­dem er Ei­chen­blät­ter auf den Ein­gang leg­te. Dar­auf­hin kehr­te eine Stil­le ein. Nur noch ein paar Wür­mer und Kä­fer un­ter­hiel­ten sich mit­ein­an­der. An­sons­ten war da nichts; nicht ein­mal das Atem­ge­räusch der Ei­che war mehr zu hö­ren.

      »Hey«, be­grüß­te Ni­mue un­er­war­tet ein klei­ner ro­ter Kä­fer.

      »Hal­lo.«

      Aaro hat­te dies ge­hört und so­gleich hall­te sei­ne tie­fe Stim­me im Raum: »Halt dein Maul, Stein­kä­fer Lili! Ni­mue braucht voll­kom­me­ne Ruhe. Sie soll ihre in­ne­re Stim­me fin­den. Da braucht sie dein Ge­schwätz ganz be­stimmt nicht.«

      Der Kä­fer ki­cher­te, be­vor er flüs­ternd, den­noch mit ei­nem spöt­ti­schen Un­ter­ton mein­te: »Die in­ne­re Stim­me, haha. Viel Glück, Ni­mue, ich will dich nicht wei­ter stö­ren.«

      Ni­mue ant­wor­te­te nicht, denn ei­gent­lich war sie froh, dass Lili da war. Ab­len­kung ist im­mer gut, wenn man nicht wei­ter­weiß.

      Als der Kä­fer wie­der ver­schwun­den war, flüs­ter­te sie: »Nun gut, mei­ne in­ne­re Stim­me, ich bin ru­hig und könn­te dir zu­hö­ren.«

      Sie war­te­te ein paar Mi­nu­ten, dann eine hal­be Stun­de, und nichts ge­sch­ah. Ein­fach nichts, kei­ne Ant­wort.

      »In­ne­re Stim­me«, rief sie in Ge­dan­ken, »wo bist du?«

      Es pas­sier­te er­neut nichts, ein­fach nichts. Dann über­wäl­tig­te sie die Un­ge­duld und sie be­schwer­te sich: »War­um sprichst du nicht mit mir?«

      Aaro hol­te tief Luft. Das da­durch ver­ur­sach­te lau­te Ge­räusch durch­flu­te­te die klei­ne Höh­le.

      Ni­mue wuss­te, dass er we­gen ihr tief at­men muss­te, denn er mach­te dies im­mer, wenn er ihr si­gna­li­sie­ren woll­te, dass sie et­was schon kön­ne und sich nicht so an­stel­len soll­te.

      »Gut«, er­mu­tig­te sie sich, »ich schaf­fe es!«

      Da hör­te sie ein lau­tes, schnell auf­ein­an­der­fal­len­des Knacken. Ihr Freund lach­te über sie. Nun pack­te sie der Ehr­geiz und sie woll­te ihm be­wei­sen, dass sie es tat­säch­lich konn­te.

      Sie for­der­te Stúh­ly auf: »Lie­ber Stuhl, bit­te öff­ne dei­ne Arme, so­dass ich auf­ste­hen kann.«

      Gleich dar­auf dehn­ten sich die Stuhlar­me seit­lich weg. Ni­mue stand auf und streck­te ih­ren Kör­per. Da­nach setz­te sie sich auf den Bo­den und ver­schränk­te ihre Bei­ne. Sie ver­such­te die Ge­bets­stel­lung, dann die Drei­fin­ger-Hand­stel­lung und schließ­lich leg­te sie ihre Hän­de im Schoß auf­ein­an­der. Sie spür­te, dass die letz­te Po­si­ti­on die rich­ti­ge für sie war und blieb da­bei. Dann fing sie an, ih­ren Geist zu stär­ken, in­dem sie den gan­zen Fo­kus auf ihre in­ne­re Stim­me rich­te­te. Dies war an­stren­gend, denn es fiel ihr nicht leicht, sich zu sam­meln. Im­mer wie­der schli­chen sich an­de­re Ge­dan­ken ein, die sie ab­lenk­ten. Die­se zu bän­di­gen und da­bei zu kon­trol­lie­ren, fand Ni­mue sehr schwie­rig.

      Sie gab nicht auf und so tauch­te sie nach ei­ner Wei­le in sich ein. Sie fühl­te, dass sich et­was in ihr lös­te und sich wohl­wol­lend in ih­rer Brust aus­brei­te­te. Es war warm, hell und über­wäl­ti­gend. Al­les, was sich bis­her schwer an­fühl­te, war nun leicht. Bei­na­he schwe­re­los saß sie in der Stil­le der Höh­le. Wäh­rend­des­sen wa­ren ihre Ge­dan­ken wie aus­ge­blen­det. Da ver­nahm sie wie aus dem Nichts eine ver­zerr­te Stim­me. Sie war laut, un­an­ge­nehm und durch­bohr­te un­sanft ih­ren Kör­per. Dar­auf­hin ver­här­te­te sich das vor­he­rig schö­ne Ge­fühl in ih­rer Brust und fing an zu schwan­ken, als ob eine mit Was­ser ge­füll­te Waa­ge ver­rückt­spie­len wür­de. Die Stim­me wie­der­hol­te sich, doch jetzt ver­stand Ni­mue die Wor­te klar und deut­lich: »Was machst du da?«

      Ni­mue sah sich um und ori­en­tier­te sich schnell: Es war die Stuhlda­me. Stúh­ly hat­te sie grob, aus was und von wo auch im­mer, her­aus­ge­holt.

      »Ich me­di­tie­re«, er­wi­der­te sie barsch.

      »So, so«, stell­te Stúh­ly fest.

      Plötz­lich fühl­te sie den wach­sen­den Drang, die Stuhlda­me fest zu schüt­teln. Sie hat­te sie nicht nur aus die­sem be­zau­bern­den Zu­stand ge­holt, son­dern es auf eine solch raue Art ge­tan, dass ihr Kör­per nun leicht vi­brier­te. Den­noch ent­schied sie sich, ih­ren Är­ger im Zaum zu hal­ten und es, an­ge­spornt von dem ein­zig­ar­ti­gen Ge­fühl der in­ne­ren Ruhe, noch ein­mal zu wa­gen. Sie hat­te je­doch kei­nen Er­folg. Ihre Ge­dan­ken lie­ßen sie nicht mehr los.

      Sie stand auf und bat den Ei­chen­baum: »Bit­te öff­ne die Tür. Ich will raus.«

      Es ra­schel­te und schon wa­ren die Blät­ter vom Ein­gang ver­schwun­den.

      »Und?«, frag­te Aaro.

      Sie war der­art ver­är­gert über die Stuhlda­me, dass sie Aaro nicht ant­wor­ten woll­te, und doch wuss­te sie, dass es nicht sei­ne Schuld war. Zu­dem hat­te er es Ni­mue heu­te ge­müt­lich warm ge­macht, was er nur an we­ni­gen Ta­gen schaff­te, weil es ihn sehr viel Ener­gie kos­te­te.

      »Ich war schon ir­gend­wo tief in mir und dann«, be­schwer­te sie sich, »dann hat mich Stúh­ly her­aus­ge­holt.«

      »Oh, du dum­mer Stuhl!«, ta­del­te Aaro die Stuhlda­me nun auch ver­är­gert. Da­bei schnell­te er einen lan­gen Ast ge­gen den of­fen ste­hen­den Ein­gang. »Wir wer­den dich um­tau­schen, du bist eh schon viel zu klein.«

      »Hab Er­bar­men, Mae­stro«, er­wi­der­te Stúh­ly sanft, »ich hal­te still in Zu­kunft, denn ich lebe hier gut mit dir.«

      Er groll­te laut und be­merk­te: »Dann dehn dich schon ein­mal aus, so­dass Ni­mue in Zu­kunft bes­ser sit­zen kann!«

      »Na­tür­lich«, stimm­te Stúh­ly zu und ver­stumm­te wie­der.

      »Geh heim, Ni­mue«, schlug Aaro vor, »und schlaf dich aus. Mor­gen ist ein neu­er Tag. Da klappt es be­stimmt.«

      Ni­mue lä­chel­te ihn an, wäh­rend sie sag­te: »Dan­ke, lie­ber Aaro, es war su­per an­ge­nehm warm. Bis mor­gen.«

      Sie dreh­te sich in Rich­tung Schloss und ver­schwand kurz dar­auf im dich­ten Holz. Von hoch oben be­ob­ach­te­te Aaro, wie ihre Haar­spit­zen im­mer wie­der für Se­kun­den­bruch­tei­le


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