Die Chiemsee Elfen. Yvonne Elisabeth Reiter

Die Chiemsee Elfen - Yvonne Elisabeth Reiter


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oder ver­gif­te­ten die Spei­sen und Ge­trän­ke der Ca­fés, so­dass sich die Gäs­te über­ge­ben muss­ten. Egal, was an die­sem Tag an­ge­stellt wur­de, es zog be­son­ders har­te Stra­fen nach sich. Der Grund da­für war, dass die Zau­ber­welt die­sen Tag dem Licht wid­me­te und so­mit al­lem, was da­mit ver­bun­den war. Dies war so hei­lig, dass sich nor­ma­le­r­wei­se auch die dunk­len We­sen dar­an hiel­ten, und doch gab es im­mer wie­der Aus­nah­men.

      Ni­mue lag schon seit ei­ni­ger Zeit im Bett, als der Mond nach und nach mehr in ihr Zim­mer schien. Die Fens­ter­spros­sen zo­gen da­bei selt­sam aus­ge­frans­te Strei­fen an den Wän­den ent­lang, die sie an die Längs­strei­fung der Wach­tel er­in­ner­ten.

      Durch die ma­gi­sche Was­se­r­ener­gie er­reich­ten die Licht­strah­len der Son­ne, des Mon­des und der Ster­ne das Reich Shen­ja in­ten­si­ver als auf dem Land. In die­ser Nacht leuch­te­te der Mond be­son­ders hell und Ni­mue be­ob­ach­te­te die Schat­ten an der Wand, die sich lang­sam nach un­ten be­weg­ten. Da­bei fiel ihr eine La­ter­ne am Ufer der Frauen­in­sel ein, die ihr be­son­ders ge­fiel. Sie kon­zen­trier­te sich dar­auf, schärf­te ihre Sin­ne, um auf die wei­te Ent­fer­nung klar se­hen zu kön­nen und mus­ter­te sie. Da­bei sah sie ein Paar am Ufer ste­hen, das sich un­ter­hielt. Die bei­den hat­ten ih­ren Hund Bel­lo da­bei, der Ni­mu­es Bli­cke spür­te und zu bel­len an­fing.

      Das Paar sah sich um und ver­stand nicht, war­um der Hund das Was­ser an­bell­te. Sie ver­such­ten, Bel­lo zu be­ru­hi­gen, je­doch ver­geb­lich, da die­ser in Wahr­heit nicht auf­ge­wühlt bell­te, son­dern mit Ni­mue sprach. Er er­zähl­te ihr laut­stark, dass er ein neu­es Kunst­stück ge­lernt hat­te und wie toll es aus­se­hen wür­de. Er könn­te es ihr je­doch nicht so­fort zei­gen, da sei­ne Be­sit­zer das nicht ver­ste­hen wür­den.

      Bel­lo ver­mu­te­te: »Weißt du, Ni­mue, für das Kunst­stück gebe ich ver­schie­de­ne Lau­te von mir. Ei­ner hört sich wohl kla­gend an. Ich glau­be, da den­ken mei­ne neu­en El­tern, dass ich wins­le und Schmer­zen habe. Men­schen ver­ste­hen mei­ne Dar­bie­tung halt nicht.«

      Gleich­zei­tig fin­gen sei­ne Be­sit­zer an, ihn vom Ufer weg­zu­zie­hen. Er wehr­te sich noch für ein paar Se­kun­den, um Ni­mue zu­zu­ru­fen: »Gute Nacht, Eure Ho­heit. Bis bald, Ni­mue.«

      Dann gab er nach und folg­te ih­nen.

      »Gute Nacht, Bel­lo«, ant­wor­te­te sie in Ge­dan­ken, die für Bel­lo hör­bar wa­ren.

      Nach­dem er weg war, frag­te sie sich, war­um sie neu­er­dings so vie­le »Eure Ho­heit« nann­ten. Sie war es ge­wöhnt, dass man sie mit ih­rem Vor­na­men an­sprach und aus­schließ­lich da­mit. Doch dies hat­te sich seit ein paar Wo­chen ge­än­dert. Das Durch­ein­an­der in ih­rem Kopf über­for­der­te sie all­mäh­lich. Es er­öff­ne­te sich eine un­ge­klär­te Fra­ge nach der an­de­ren. Ihr wur­de klar, dass sie in die­sem Mo­ment kei­ne Ant­wort auf all ihre Fra­gen fin­den wür­de und so schloss sie ihre Au­gen und schlief ein.

      Bald dar­auf hör­te Ni­mue eine ihr un­be­kann­te, wei­che Stim­me ru­fen: »Ni­mue, Ni­mue, komm, sprich mit mir.«

      Sie er­wi­der­te: »Ich darf nicht so vie­le zu mei­nem Fest ein­la­den.«

      »Ni­mue, Ni­mue, wo bist du?«

      Ni­mue ver­stand die Fra­ge nicht und ant­wor­te­te: »In mei­nem Zim­mer, wo denn sonst?«

      »Schau um dich und sieh selbst.«

      Sie öff­ne­te ihre Au­gen und sah, dass sie nicht in ih­rem Zim­mer war, son­dern auf ei­ner Wie­se, die voll blü­hen­der Blu­men war. Klee­blät­ter reih­ten sich an­ein­an­der, und die Fa­r­ben­pracht der Grä­ser und Blu­men war un­be­schreib­lich in­ten­siv und be­zau­bernd. Er­staunt sah sie um sich und er­kann­te, dass vie­le Tan­nen­zap­fen am Bo­den la­gen und das, ob­wohl kei­ne Tan­nen­bäu­me oder an­de­re Bäu­me weit und breit zu se­hen wa­ren. Eine end­lo­se Wei­te lag vor ihr, die un­be­schreib­lich har­mo­nisch wirk­te. Da spür­te sie ihre nack­ten Füße im Gras. Im­mer stär­ker nahm sie die Be­rüh­rung wahr, bis sie das Ge­fühl hat­te, sich mit der Erde zu ver­bin­den. Da­bei ent­fach­te sich eine Wär­me in ih­ren Fü­ßen, die sich be­hut­sam über den gan­zen Kör­per aus­brei­te­te. Sie ver­mit­tel­te ihr ein woh­li­ges Ge­fühl. Zur glei­chen Zeit fing es an, Blät­ter vom Him­mel zu reg­nen. Ni­mue blick­te nach oben und sah vie­le ver­schie­de­ne Fa­r­ben, die den Him­mel wie einen bun­ten Tep­pich aus­se­hen lie­ßen. Es war, als ob jede Jah­res­zeit ihre Blät­ter auf die Erde her­ab­fal­len las­sen und so­mit mit ihr kom­mu­ni­zie­ren wür­de. Zu­dem fun­kel­ten sie im Son­nen­licht, als ob sie Gold in sich tra­gen wür­den. Ei­ni­ge be­rühr­ten sie weich auf ih­rer Haut, wäh­rend sie den Bo­den an­steu­er­ten. Nach ei­ner Wei­le misch­ten sich Fich­ten- und Lär­chen­zap­fen dar­un­ter, die gol­den schim­mer­ten. Auch die­se be­rühr­ten sie, al­ler­dings so sanft, als ob es Fe­dern wä­ren. Dann ver­mehr­ten sich die Ar­ten, so­dass Ni­mue den Über­blick ver­lor.

      Sie öff­ne­te ihre Arme und rief: »Wie schön. Oh, wie schön.«

      »Ich bin es, dei­ne gute Fee«, er­klang die Stim­me er­neut, »ich wer­de dich im­mer be­glei­ten und dir auf dei­ner Rei­se bei­ste­hen. Hab kei­ne Angst, Ni­mue. Du wirst mit Gold über­schüt­tet und der Reich­tum des Le­bens wird dein sein.«

      Dar­auf­hin be­grüß­te sie der Wind, der sich lang­sam ein­sch­lich und rund­her­um die Blät­ter auf­wir­bel­te. Ni­mue blieb still­ste­hen, wäh­rend die Böen im­mer stär­ker wur­den. Als der Wind so stark um sie her­um weh­te, dass sie sich fast nicht mehr auf den Bei­nen hal­ten konn­te, hör­te sie ih­ren Groß­va­ter sa­gen: »So, so, mei­ne Klei­ne.«

      Sie riss ihre Au­gen auf und be­merk­te, dass sie in ih­rem Bett lag. Der Mond war ver­schwun­den und so zeig­te sich die Nacht von ih­rer dunk­len Sei­te. Des­halb konn­te Ni­mue im ers­ten Mo­ment le­dig­lich die Sil­hou­et­te ih­res Groß­va­ters wahr­neh­men, der auf ih­rem Bett­rand saß.

      »Die gute Fee hat dich be­sucht und dir ihre Hil­fe an­ge­bo­ten.«

      »War das ein ein­fa­cher Traum?«, frag­te Ni­mue er­staunt.

      »Ja und nein, Rao’ra. Träu­me be­in­hal­ten dei­ne Emo­ti­o­nen. Man­che da­von sind wich­tig, dass du sie er­kennst. An­de­re wie­der­um sind dazu da, um Er­leb­tes zu ver­a­r­bei­ten. Man­ches Mal je­doch schlei­chen sich an­de­re We­sen in un­se­re Träu­me ein, um un­se­re Auf­merk­sam­keit zu er­hal­ten.«

      »War­um tun sie das?«

      »Weil sie uns auf die­se Wei­se et­was mit­tei­len möch­ten.«

      »So wie die Fee ge­ra­de eben?«

      »Ja, so wie die Fee ge­ra­de eben. Mae­ve ist eine krie­ge­ri­sche Licht­fee und steht dei­nem Ur­groß­va­ter und mir bei, so wie sie auch schon dei­nen ver­stor­be­nen Vor­fah­ren half. Sie un­ter­stütz­te sie, die be­schwer­li­che Rei­se zu über­ste­hen und da­bei ge­sund zu blei­ben.«

      »Aha, Opa«, staun­te Ni­mue, »was woll­te sie mir mit­tei­len? Ich ver­ste­he nicht, war­um sie mich in mei­nem Traum be­sucht?«

      »Weil sie dich aus­er­wählt hat, so wie sie auch dei­ne Vor­fah­ren aus­er­wähl­te.«

      Aar ver­schwieg ihr da­bei, dass Mae­ve nur den


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