Die Chiemsee Elfen. Yvonne Elisabeth Reiter
stockte der Atem.
»Weißt du, meine Kleine, alles wird gut. Katar freut sich sehr auf dich. Das allein soll dich bewegen.«
Nimue nickte und gab ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange. »Gute Nacht, Oma.«
»Gute Nacht und schlaf gut.« Sogleich verschwand Oona hinter einer massiven Holztür.
Da hörte Nimue das Klappern von Geschirr aus dem Tafelsaal. Außerdem nahm sie die Stimme eines Heinzelchens deutlich wahr, das dort aufräumte: »Das tue ich doch! Nimue wird das schon machen.«
Nimue wurde neugierig und ging zurück in den Saal.
»Was werde ich machen?«, fragte sie laut in den Saal hinein.
Die arbeitenden Heinzelchen blieben abrupt stehen.
»Uns belohnen«, hörte sie ein Männlein aus den hinteren Reihen rufen. Langsam trat es hervor und verbeugte sich. Es erklärte: »Nimue, wir werden auf deinem Uaneala-Fest die Arbeit erledigen. Sie wird umfangreich sein und anstrengend werden.«
Sogleich ertönte die tiefe Stimme von Nimues Schwester Marie, die spottete: »Sei still, dafür seid ihr doch da, oder etwa nicht?«
Marie stand auf einem kleinen Balkon und beobachtete das Geschehen im Saal. Nimue, der Maries harte Worte zuwider waren, lief ein unangenehmer kalter Schauer über den Rücken.
Sie blickte zurück zu dem Männlein und versuchte Maries Aussage wiedergutzumachen: »Ich danke euch sehr dafür. Ohne euch wäre mein Fest nicht möglich.«
»Dank ist gut und schön, aber Stress, Stress, Stress ist einfach nicht gut für unsere Gesundheit.«
Nimue hatte keine Ahnung, auf was dieses Männlein hinauswollte.
Es wiederholte sich: »Stress, Stress, Stress macht Kopf und Körper kaputt.«
»Willst du an diesem Tag nicht arbeiten?«, fragte sie daraufhin ein wenig verwirrt.
Ein Schimmer von Angst durchzog seine Augen und er schrie mit schriller, lauter Stimme: »Nein, nein, nein, ich will, denn dafür bin ich da!«
»Um was geht es dann?«
Marie schüttelte den Kopf und verließ den Raum. Als sie die Balkontür bewegte, konnte das Männlein Aar dahinterstehen sehen, der das Gespräch verfolgte. Das Männlein antwortete nicht mehr. Es ging zum nächsten Tisch und nahm ein paar Teller in seine Hand. Damit ging es schnell in Richtung Küche.
Nimue verstand die Situation nicht. »Was nun, was willst du?«
Es drehte sich um, stellte die Teller ab und erwiderte: »Wir alle würden gerne nach deinem Uaneala-Tag ein Fest feiern, bei dem wir bedient und bewirtet werden.«
»Nicht, dass ich euch euren Wunsch nicht gerne gewähren würde. Ich kann solch ein großes Anliegen nicht selbst entscheiden. Da musst du schon den König fragen.«
Es verbeugte sich und sagte: »Danke, Eure Hoheit, das werde ich.«
Danach nahm es die Teller wieder an sich und verschwand in die Küche.
Nimue wusste nun gar nicht mehr, was sie von diesem Gespräch halten sollte. Sie entschied sich dennoch dafür, es dabei zu belassen und in ihr Zimmer zu gehen.
Die Heinzelchen stammten vom Volk der Heinzelmännchen ab. Im Gegensatz zu den Heinzelmännchen konnten sie jedoch auch unter Wasser leben. Nachdem das Reich Shenja fertig aufgebaut war, boten sie ihre Dienste am Hofe an und Seoras nahm sie gerne auf. Ihre Entlohnung bestand hauptsächlich aus einer Bleibe und der Nahrung, die sie benötigten. Im letzten Monat des Jahres bekamen sie dazu ein paar Goldringe, um sich auf dem alljährlichen Zaubermarkt auf der Zauberinsel Süd etwas kaufen zu können.
Der Zaubermarkt fand immer am 13ten Tag des 13ten Monats statt und endete mit einem großen Fest. Für diesen einen Tag verwandelte sich der südliche Teil der Insel vollkommen aus seiner ursprünglichen Art. Alte Häuser standen an vorher leeren Plätzen und Springbrunnen ragten aus dem Boden, die verschiedene Figuren darstellten. An den Ortseingängen waren Türme mit Aussichtspunkten angebracht, sodass der Besucher das ganze Geschehen auch von oben betrachten konnte. Cafés aller Art säumten die wild verzweigten Straßen. Davon verkörperten einige eine Lebensart der Menschen. Die beliebtesten waren ein französisches, ein italienisches, ein bayerisches und ein englisches Kaffeehaus. Diese waren oft so überfüllt, dass man die Türen nicht mehr schließen konnte, während die anderen nur wenige bis keine Besucher hatten. Trotzdem kamen sie jedes Jahr aufs Neue.
Keines der Zauberwesen im Umkreis von hundert Kilometern wollte sich diesen festlichen Markt entgehen lassen, und so trafen sie sich jährlich auf der Zauberinsel. Diese Insel war für das menschliche Auge eine kleine Insel auf dem Chiemsee. Nichtsdestotrotz lebten dort viele Zauberwesen. Zusätzlich fand dort der alljährliche Markt statt. Die Zauberschule war ebenfalls auf dieser Insel integriert. Dies war nur möglich, weil dort Raum und Zeit nicht im üblichen Sinne existierten. Der Raum war immer so groß, wie er benötigt wurde, und die Zeit konnte hie und da verzaubert werden. Für das Fest bedeutete dies, dass alle Gäste ausreichend Platz hatten und manchmal schossen bei großer Nachfrage noch weitere Restaurants oder Cafés aus dem Boden. Zudem verlief die Zeit langsamer, ruhiger und gemütlicher als sonst. Sie dehnte sich derartig aus, dass man gefühlsmäßig drei Tage feierte und nicht einen, wie kalendarisch bestimmt.
Es gab dort viele Verkaufsstände, die sich an den mit Kopfsteinpflastern belegten und manchmal sehr kurvigen Gassen aneinanderreihten. Zudem existierten viele Läden mit allerlei Gebrauchswaren, Textilien und Antiquitäten. Alles, was das Herz begehrte, konnte man an diesem Tag erwerben.
Manches Mal sah man Wesen, die wie wild einkauften. Sie gaben Mengen von Gold-, Silber- oder Bronzeringen aus, was nicht selten auf einen Zauberspruch des Verkäufers zurückzuführen war. Dies war allerdings nur mit Wesen möglich, die sich davor aus Leichtsinn nicht schützten. Dabei konnte der Zauber sie direkt im Herzen treffen und ihre Einkaufslust so steigern, dass sie alles nur Mögliche mitnahmen. So nahm der Kaufrausch kein Ende und der Verkäufer wurde dafür reich belohnt.
Nimue konnte dies nicht passieren, da Aar jedes Jahr erneut eine unsichtbare Schutzhülle über ihren Körper legte. Sie liebte vor allem die Bücherläden. Dort konnte sie die Welt außerhalb ihres Königreichs erkunden. Oft stand sie stundenlang in einem dieser Geschäfte und suchte nach dem richtigen Buch oder las Zeitschriften mit den Ereignissen