Die Chiemsee Elfen. Yvonne Elisabeth Reiter
Gesicht seiner Enkelin und erklärte: »Maeve hat sich dir sozusagen vorgestellt, meine Kleine. Von nun an steht sie dir zur Seite. Das bedeutet, sie beschützt dich und hilft dir, wann immer du sie brauchst. Sie kann dich heilen, wenn du dich verletzt oder wenn dich dunkle Energien heimsuchen oder du anderweitig krank wirst. Sie ist in der Kräuterkunde einzigartig ausgebildet. Daher kannst du ihre selbst gebrauten Zaubertränke immer zu dir nehmen. Ansonsten trinke niemals etwas, das du nicht kennst oder von jemandem, dem du nicht vertraust. Das kann gefährlich sein, meine Kleine, sehr gefährlich.«
Nimue nickte zustimmend, während sie weiter seinen Worten lauschte.
»Maeve ist eine sehr beschäftigte Fee. Sie ist die Königin der Feen und hat sich zur Aufgabe gemacht, die Umwelt zu schützen. Sie liebt den Wald und vor allem die Blumen. Du kannst überall mit ihr sprechen, aber eine besondere Freude machst du ihr, wenn du sie rufst und dabei Blumen um dich stehen hast.« Aar lächelte Nimue liebevoll an. »Du weißt ja, dass die Menschen die Umwelt immer mehr belasten und dieser immer größer werdenden Aufgabe stellt sich Maeve. Sie flüstert Wissenschaftlern Möglichkeiten ins Ohr, wie sie umweltbewusste Alternativen erfinden können, und klärt die Luft mit selbst gebrauten Wasserstoffen. Manch ein Mensch hat ihre klaren Energien schon spüren dürfen. Man sagt, dass diese daraufhin gesund bis an ihr Lebensende waren.«
»Wow, Opa, ich bin froh, dass sie mich auserwählt hat.«
»Ja, das bin ich auch, meine Kleine.« Er klopfte sanft auf ihre Schulter. »Jetzt schlaf, Nimue. Du brauchst die nächsten Tage viel Kraft und Energie.«
Sie drehte sich auf den Bauch und spürte, wie ihr Großvater ihr einen Kuss auf die Wange gab. Kurz darauf war er verschwunden. Eine Stille kehrte ein, in der Nimue sofort wieder einschlief, als ob alles nur ein Traum gewesen wäre.
»Nur noch neun Tage«, das waren die ersten vier Worte, an die Nimue an diesem Morgen dachte. Neun Tage, und es war so weit: viele Gäste, vorzügliche Speisen, ein wunderschönes Kleid, das bereits im vergangenen Marktfest für sie angefertigt worden war, Tanz und Musik und, ja, der Wunsch. Das Letztere bereitete ihr noch Sorgen. Aus diesem Grund wollte sie gleich nach dem Frühstück zur Eiche gehen.
Sie öffnete ihre Augen und setzte sich auf. Dabei bemerkte sie die Unruhe außerhalb ihres Zimmers. Sie vernahm im Gang viele Schritte auf und ab laufen und Stimmen sich Arbeitsanweisungen zurufen.
Da dämmerte es ihr. »Natürlich, heute kommt Katar!«
Nimue konnte es kaum erwarten, ihn kennenzulernen. Sie fiel in einen Rausch von Geschichten über Katar, die ihre Gedanken vollkommen einnahmen. Noch während sie vor sich hin träumte, klopfte es an der Tür.
»Herein!«
Aoife beugte sich mit ihrem Oberkörper neugierig ins Zimmer. »Guten Morgen, Nimue«, begrüßte sie ihre kleine Schwester und sprang mit einem Satz ins Zimmer. »Weißt du schon, was du dir wünschst?«
Nimue schüttelte den Kopf.
Aoife wartete nicht lange auf eine Antwort und erklärte: »Ich habe damals auch lange darüber nachgedacht. Dann siegte mein Traum vom Marktfest und du weißt ja, ich durfte durch das Zeitloch hindurch das Fest in einer anderen Dimension erleben. 13 Tage lang habe ich gefeiert. Das war der Hammer, Nimue.«
Nimue ließ sich zurück aufs Kissen fallen, als sie untertrieb: »Ja, ich weiß. Du hast es uns schon ein paar Mal erzählt.«
Aoife setzte sich zu ihr und schlug vor: »Soll ich dir helfen?«
Nimue wollte partout nicht, dass ihre Schwester ihr half. Sie hatten so gut wie keine gemeinsamen Interessen. Trotzdem antwortete sie zu ihrer eigenen Überraschung: »Natürlich.«
»Ein Schwein«, schwärmte Aoife spontan.
»Nein«, rief Nimue entsetzt. Nicht, weil sie Schweine nicht mochte, aber das Gelächter auf dem Fest konnte sie jetzt schon hören, auch wenn Schweine Glück in jeder Hinsicht bringen sollten.
»Ein Pferd«, schlug Aoife daraufhin vor.
»Vielleicht …«, antwortete sie zögernd.
»Aha, du hast also schon darüber nachgedacht. Dann erzähl mal!«
Nimue wusste nicht mehr weiter. »Kann uns nicht jemand stören?«, bat sie in Gedanken den Himmel. Sie wollte nicht über ihre Wünsche sprechen, denn hatte Oona nicht gesagt, dass sie darüber schweigen sollte?
Sekunden später vernahmen sie im Zimmer ein lautes Klopfgeräusch. Beide erschraken heftig und so antwortete erst einmal keiner.
»Sowas, die alte Buche ziert sich ganz, ganz schön heftig«, hörten sie kurz darauf eine helle Stimme empört bemerken. Beide sahen um sich. Dabei entdeckten sie direkt vor ihnen auf dem Holzboden eine Stelle, die sich verschiedenartig hochwölbte, worauf sie sich zu einer undefinierbaren Form entwickelte. Daraufhin platzte das Holz am obersten Ende, als ob ein Vulkan ausbrechen würde. Gleich darauf sprang ein kleiner Geist mit einem »Huih« heraus, und schon fiel das Holz wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück.
Der Geist putzte seinen Mantel und rief mit verärgerter Stimme: »Diese Buche wird immer störrischer. Es wird immer schwerer, sie zu durchdringen!«
Aoife und Nimue sahen sich mit weit aufgerissenen Augen an. Zur gleichen Zeit hörten sie ein lautes Geräusch, das einem monotonen Knurren ähnelte. Die Buche lachte den kleinen Geist aus. Der wiederum stampfte mit dem rechten Fuß fest auf den Boden.
»Da! Lach du nur, du stures Holz«, rief er laut.
Doch der Holzboden konterte mit schaukelnden Auf- und Abwärtsbewegungen, sodass der kleine Geist ein paar Zentimeter hoch in die Luft geschleudert wurde. Dieser war nicht mehr fähig zu reagieren und krachte mit einem lauten »Aua!« hart zurück auf das Holz.
Nimue und Aoife lachten, da der Geist sich nun wie ein Spielball auf und ab bewegte.
Schließlich gab der Holzboden nach.
Der Geist putzte seinen Mantel erneut und erklärte mit fester Stimme: »Der wird noch was erleben!« Dann wandte er seinen Blick den beiden zu, änderte spontan seinen verärgerten Gesichtsausdruck in einen freundlichen und sagte: »Hallo, Eure Hoheiten, wie geht es Euch heute, an diesem so schönen Tag?«
Der Geist hob zu einem Sprung auf Nimues Bett an, jedoch nicht, bevor er dem Holzboden noch einmal einen Tritt verpasst hatte. Dieser war kaum härter als ein Federnschlag hätte sein können, und so reagierte die Buche nicht darauf. Eine Sekunde später stand er auf dem