Drachentochter. Liz Flanagan

Drachentochter - Liz Flanagan


Скачать книгу
und im Schlaf. Stimmt’s?«

      Isak lächte matt. »Stimmt.«

      »Viel Glück!«, rief Milla.

      Er nickte unsicher und nahm seinen Platz in der Reihe ein.

      Milla ging mit den anderen Angestellten ans Ende der Halle. Die norländischen Dienstmädchen hielten Abstand und sahen hochnäsig auf sie herab, doch Milla ignorierte ihr Getuschel. Sie ließ Isak nicht aus den Augen.

      Er legte seinen Eid tadellos ab, blieb sogar ein wenig länger auf dem Podest und plauderte mit Herzog Olwar. Als er anschließend mit einer Zinnmedaille um den Hals, in die der Umriss eines Drachen aus schwarzer Emaille eingearbeitet war, an seinen Platz zurückging, war er voller Energie. Das war Olwars Gabe: Er zog die Menschen an. Er war ihre Sonne und alle wandten seinem Licht die Gesichter zu.

      Milla beeilte sich, den Zwillingen mit Speisen beladene Teller zu bringen, wobei sie unterwegs diskret selbst ein paar Bissen aß, damit sie Josi sagen konnte, dass ihr Essen wesentlich besser war. Trotzdem schmeckte es köstlich und sie fühlte sich gleich ein wenig kräftiger. Nachdem die Gäste gespeist hatten, traten die Palastmusikanten auf, und schon bald war die alte Drachenhalle von Musik erfüllt.

      »Zeit für den Tanz …« Tarya starrte sehnsüchtig zum polierten Tanzboden hinüber, der mit einem weiteren Feuer spuckenden schwarzen Drachen dekoriert war. »Aber du solltest lieber kein Risiko eingehen, Isak, und dich ausruhen. Wir schauen einfach nur zu.«

      »Mir geht es wieder gut. Wir tanzen nur diesen einen Tanz«, sagte er und schluckte. »Es ist der Ball des Herzogs. Ich bin es ihm schuldig. Er war sehr freundlich, als er mit mir gesprochen hat. Habe ich dir erzählt, dass er mich zum Segeln eingeladen hat?«

      »Ja, schon drei Mal.« Tarya verdrehte die Augen, lächelte aber.

      »Hier, kannst du meine Gläser festhalten, Milla?«

      Also schaute Milla mit Isaks Augengläsern und Taryas Schal und Fächer in der Hand zu, während sie mit dem Fuß unauffällig im Takt wippte. Die Zwillinge waren die besten Tänzer, stellte sie voller Stolz fest. Sie beobachtete Isak mit einem blonden Mädchen in einem silbernen Kleid und mit funkelnden Diamanten um den Hals. Er bewegte sich geschmeidig und perfekt im Takt, und was er dem Mädchen auch sagte, brachte sie zum Lachen. Niemand würde glauben, wie viel ihm das abverlangte.

      Nun wirbelte Tarya vorbei: Sie ging das Tanzen mit der gleichen Energie an wie alles andere. Milla musste unwillkürlich lächeln.

      »Sie ist wunderschön«, ließ eine Stimme an ihrem Ohr sie zusammenschrecken. Dort stand ein hochgewachsener junger Mann mit einer grünen Federmaske und einem dazu passenden grünen Seidenjackett, das von Silberfäden durchzogen war.

      »Ja, und das ist längst nicht alles …«, erwiderte Milla stolz.

      »Davon habe ich gehört.« Er stand so nah, dass ihn niemand sonst verstehen konnte. »Und das ist gut. Ich könnte eine Herausforderung gebrauchen.« Er zog die norländischen Vokale so vornehm in die Länge, dass er klang wie der Herzog.

      »Sie werden es schon merken, wenn Sie mit Tarya Thornsen tanzen.« Wahrscheinlich war er der Nächste auf Taryas Tanzkarte, auch wenn Milla der hungrige Blick nicht gefiel, mit dem der Fremde ihre Freundin auf der Tanzfläche verfolgte. »Außerdem ist sie keine gewöhnliche Kaufmannstochter. Sie spricht drei Sprachen, ist geübt im Bogenschießen, geschickt mit dem Langschwert und vermag einen Kurzdolch besser zu werfen als ihr Vater. Sie kann Heiltränke brauen, maßstabsgerecht zeichnen und ist unterhaltsamer als alle anderen in diesem Raum!« Als Milla Luft holte, glühten ihre Wangen. So viel hatte sie gar nicht sagen wollen.

      »Es wird immer besser.« Der hoch aufgeschossene junge Mann schob sich die Maske auf den Kopf und sah lächelnd zu ihr hinab.

      Milla blieb der Mund offen stehen. Es war Vigo, der Sohn des Herzogs. Seine verzogen-gelangweilte Art und die träge Geschmeidigkeit seiner Bewegungen erinnerte sie an Skalla, den Küchenkater. Er war wesentlich größer als Milla, hatte kurzes, dunkel gelocktes Haar und sehr grüne Augen, was seine katzenhafte Erscheinung noch unterstrich.

      »Und du gehörst auch dazu, kleine Wildkatze?«

      Sie beschloss blitzschnell, ihn zu behandeln wie alle anderen auch. Ansonsten würde sie einfach nur dastehen und glotzen wie ein Goldfisch, und die Wachen würden kommen und sie wegführen.

      »Nein«, fauchte Milla, ehe ihr einfiel, »Euer Gnaden« hinzuzufügen. Aus den Gerüchten, die in der Stadt die Runde machten, wusste sie, dass Vigo gern ein Auge auf hübsche Mädchen warf und dass diese im Allgemeinen nichts dagegen hatten.

      Sie sah zu ihm auf und versuchte, seine Worte und seine Miene zu deuten. Aus seinen grünen Augen sprach echtes Interesse und noch etwas anderes, eher Verächtliches. Hielt er Tarya für unter seiner Würde? Dann fiel ihr etwas auf. »Warum tragt Ihr die Drachenmedaille nicht, wie die anderen?«

      »Hast du gehört, dass ich meinem Vater die Treue geschworen habe?«

      »Nein, Euer Gnaden.« Milla entdeckte Herzog Olwar in der Menge. Isak hatte aufgehört zu tanzen und unterhielt sich angeregt mit ihm.

      Vigo senkte die Stimme und sagte auf Sartoli: »Ich mag das Pech gehabt haben, als sein Sohn auf die Welt gekommen zu sein, aber das heißt nicht, dass ich damit zufrieden bin. Auch wenn er hin und wieder durchaus eine gute Idee hat«, murmelte er, ohne Tarya aus den Augen zu lassen. »Bitte entschuldige mich«, sagte er dann und schlüpfte durch die Menge zur Tanzfläche.

      Dort tippte er Taryas Tanzpartner auf die Schulter. Sich charmant entschuldigend, nahm er Taryas Hand und verbeugte sich vor ihr. Milla war zu weit weg, um zu hören, was er sie fragte, aber Tarya nickte.

      Vigo und Tarya begannen zu tanzen.

      Die anderen Paare bemerkten die neuen Tänzer und machten ihnen Platz. Der Tanz kam den beiden entgegen: Er war schnell und kompliziert und verlangte absolute Kontrolle. In perfekter Übereinstimmung wirbelten sie schneller und schneller über die Tanzfläche.

      Milla beobachtete die beiden mit wachsendem Unbehagen. Ohne die vorgeschriebenen Tanzschritte zu vernachlässigen, baute Vigo Bewegungen ein, die Tarya überraschen sollten. Sie ließ sich von ihm führen, hielt Schritt und fügte ihrerseits Ausschmückungen hinzu. Was ohnehin bereits einem Wettkampf geähnelt hatte, wurde nun zu einer Art Duell, bei dem beide Tänzer die formalen Vorgaben des Tanzes aufs Äußerste ausreizten.

      Tarya hielt sich sehr gerade und aufrecht. Vollkommen eins mit der Musik, drehte sie bei jedem Richtungswechsel genau im richtigen Moment den Kopf und warf das Bein in die Luft, so weit es ihr Kleid zuließ.

      Vigo beugte sie nach hinten, und für einen kurzen Moment widersetzte sie sich, stürzte fast, dann gab sie nach und legte sich mit ihrem ganzen Gewicht in seinen Arm.

      Milla konnte die Augen nicht abwenden.

      Tarya funkelte Vigo an. Lächelnd wie ein zufriedener Kater sah er zu ihr hinab und schürzte die Lippen.

      Eine dralle Frau mit vom Wein geröteten Wangen sagte: »Na, wenn er sich für die entscheidet, ist es wenigstens eine Norländerin.« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern: »Nicht wie seine Mutter …«

      »Still! So etwas sagt man nicht!«

      »Warum nicht?«, fragte die Frau. »Das denken alle. Außerdem wird es allmählich Zeit, dass er sich verspricht. Und Nestans Tochter würde eine schöne Mitgift einbringen.«

      Nestan würde Vigo Taryas Hand niemals versprechen, nicht ohne vorher mit ihr darüber zu reden! Dennoch wurde Milla bei diesen Worten das Herz ganz schwer. Die Frau hatte recht. Wenn der Herzog seine wachsende Armee finanzieren wollte, dann hätte Nestan das Geld dafür. Milla kannte die Gerüchte. Nestan hatte Olwar im letzten Krieg das Leben gerettet – und dabei fast sein eigenes verloren. Danach hatte Olwar ihm Schuldgeld bezahlt. Mithilfe dieses Goldes hatte Nestan seine ersten Schiffe gekauft und jetzt war sein Vermögen beispiellos.

      Aber ein Verlöbnis? Es würde Isaks wütende Worte


Скачать книгу