Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland. Volker Elis Pilgrim

Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland - Volker Elis Pilgrim


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um Hitlers nicht-existente Heterosexualität und sein nicht-feuchtes Verhältnis zu Eva Braun wurden von Döhring mit der präzisen Erfassung des Hitler’schen Non-Hetero-Sexes aus der ordinären Folgen-Beschreibung herumgerissen.

      Der 86/87-jährige Herbert Döhring hat im Jahre 2000/01 noch ein zweites Interview gegeben, von dem Anton Joachimsthaler nichts wusste. Döhring äußerte sich für die einstündige TV-Dokumentation Adolf and Eva der englischen Filmemacherin Marion Milne, Erst-Sendung am 29. April 2001 – noch vor seinem Auftritt im deutschen Fernsehen. (Lambert 06, S. XII, Anm. 5, Milne)

      Das Bemerkenswerte: Für die Briten spricht Döhring nicht durch die Blume wie für die Deutschen: »An den Folgen sollt Ihr sie erkennen!« – Keine Intimsekret-Spuren auf den Laken und Handtüchern = kein Geschlechtsverkehr stattgefunden.

      Döhring votiert im englischen Fernsehen für ein Adolf without Eva. Sein Diktum lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: »Hitler war unfähig dazu. Darin könnte der größte Teil der Ursache liegen, warum Eva Braun immer so unbefriedigt war.« (Lambert 06, S. 244, Anm. 18)

       »Bei Liebschaften ist es zu keinem intimen Verkehr gekommen«

      22. Zeuge – Hitlers »Sturm«-Gefährte und zweiter »Leibfahrer« Emil Maurice

      Emil Maurice (1897–1972) war Hitlers nahester Duzfreund aus den frühen Schläger-Tagen um die Münchener Putschzeit 1923. Er und Hitler waren in den Jahren ihrer Freundschaft zwischen 1921 und Ende 1927 zuweilen auf »Jung-Mädchen-Eroberung« gegangen, wobei Hitler mit dem Backfischfang nur Tee-nachmittäglich charmierte und nichts Weiterführendes arrangierte – das überließ er dem Praktiker Maurice. (Schroeder 99, S. 153, Sigmund 08, S. 17, Sigmund 98, S. 94, Sigmund 05, S. 94 f.)

      Von diesem Spontan-Anmachen schöner Frauen und junger Mädchen berichten auch zwei andere Leibnahe Hitlers, die späteren Diener Karl Wilhelm Krause und Heinz Linge.

      »Begeistert« von der weiblichen Schönheit ließ Hitler die Frauen frisch von der Straße weg oder nach einem Opernabend zu einem Date einladen. Doch es blieb immer bei einem Plauderstündchen mit Mineralwasser-Trinken und Weggeschickt-Werden – auf Nie-mehr-Wiedersehen. Keiner der beiden Diener machte einen Hinweis auf ein Bett-Ergebnis zwischen Hitler und der Neuen. Auch von anderer Seite her wurde so etwas nicht behauptet. (Krause, S. 47/43, Linge 55/56, Nr. 48 v. 26. 11. 55, S. 34, Nr. 52 v. 24. 12. 55, S. 32 f.)

      Maurice stand Hitler sieben Jahre lang Leib-nah, war in beider Straßenmädchen-Abenteuer verwickelt und im Unterschied zu Hitler mit Frauen immer Bett-aktiv. Wenn ein solcher Zeuge feststellte: »Da war schon in Hitlers Münchener politischer Frühzeit das ›Berghof‹-Ver-walter-Döhring-Laken-›Nix‹«, dann muss eine derartige Aussage für bare Münze genommen werden.

      Maurice gab bei seinem Verhör vor den Amerikanern im Juni 1945 zu Protokoll: »Zur Beantwortung der sexuellen Frage glaube ich bestimmt sagen zu können, dass es bei keiner der verschiedenen kürzeren oder längeren Liebschaften Hitlers zu einem intimen Verkehr gekommen ist. Er fürchtete wohl zu Recht, ein geschlechtlicher Verkehr hätte ihn nur an die Frau oder das Mädchen gebunden. In diesem Sinne sprach er oft. Er, der die Abwechslung liebte, wollte frei sein.« (Verhör von Emil Maurice am 5. Juni 1945 in Augsburg durch das US-Counter Intelligence Corps [CIC] – Kopie der Abschrift der Vernehmung im Besitz von Anna Maria Sigmund, die die Passage 2003 zum ersten Mal publizierte. [Sigmund 03/05, S. 94 f., 79 ff., 301 ff., 336, Anm. 30 f.])

      »Bei keiner der verschiedenen kürzeren oder längeren Liebschaften Hitlers zu einem intimen Verkehr gekommen« – von Maurice gemeint waren Hitlers Geschichten während der Zeit zwischen 1921 und 1927 mit Ada Klein, Maria Reiter und Margarete Slezak, erst recht die Anbahnungen von namenlosen Nachmittags- und Abend-Bekanntschaften.

      Wenn drei Zeugen zu verschiedenen Zeiten und Gelegenheiten das Gleiche sagen – Maurice 1945, Krause 1949 und Linge 1955 –, dann kristallisieren sich die Aussagen zu historischen Wahrheiten heraus.

      Maurice hat in seiner Zeit mit Hitler, in der er vorübergehend mit ihm auch zusammenwohnte, die Lampe sogar über Hitlers »längere Liebschaften« halten können und dessen Horizontale ausnahmslos vakant vorgefunden. In Maurices Übermittlung lag keine Spur von Gehässigkeit gegenüber Hitler im Döhring’-Hanfstaengl’schen Sinne, Hitler wäre impotent gewesen (5., 4. Zeuge). Maurice begründete Hitlers sexuelle Enthaltung in naiver Gutherzigkeit aus angeblichem freien Willen heraus, Hitler habe frei sein wollen. Gerade diese Neutralität in Maurices Aussage macht sein Zeugnis unangefochten authentisch.

      Doch wie war es mit Maurices Verlobter Geli Raubal? Hat Hitler den Othello Ende 1927 ohne jegliche sexuelle Grundlage aufführen können? Oder war da doch Sex mit im Spiel?

      Geli Raubal (1908–1931) war eine Männerfrau, trat mit Verhältnissen in Erscheinung, ehe Hitler sie psychisch besetzte und im Oktober 1929 bei sich in seiner neuen großen Wohnung am Münchener Prinzregentenplatz 16 einziehen ließ. Raubal hatte auch danach Männerbekanntschaften. Ihre kurze Verlobung mit Maurice kann von Maurices Draufgänger-Naturell her keine reine Distanz-Angelegenheit gewesen sein.

      Hitler hat sich ein einziges Mal Furien-eifersüchtig benommen und die Entlobung zwischen Geli und Emil im Dezember 1927 erzwungen, aber seltsamerweise seinen alten Fahrer und Leibdiener, der nach der Trennung von Hitler ein unauffälliges, NSDAP-gestütztes Leben als Uhrmacher in München führte, nicht in der »Nacht der langen Messer« während des »Röhm-Putschs« (30. Juni–2. Juli 1934) umbringen lassen. Stattdessen hat er ihn bei halböffentlichen Gelegenheiten zuweilen sogar wiedergesehen.

       Hitler – Geli = »nichts mit einem unmoralischen Verhältnis zu tun«

      Die Übermittlungen durch Hitlers naheste Personen widersprechen einander darin nicht, dass Geli Raubal einen besonderen Stellenwert in Hitlers Gefühlshaushalt eingenommen hatte. Doch auch die Onkel-Nichte-Beziehung setzte die Tatsache von Hitlers Low-Sex-Konditionen nicht außer Kraft.

      Wenn Klarheit über die Art einer Beziehung erreicht werden muss, genügt oft schon die Beschäftigung mit den einfachen Fragen: Wann und wo soll geschlechtlich verkehrt worden sein?

      Geli Raubal lebte vom 5. Oktober 1929 bis zu ihrem Tod am 18./19. September 1931 für fast zwei Jahre in Hitlers Neun-Zimmer-Wohnung in der zweiten Etage am Prinzregentenplatz 16 in München. Dort wohnten außer Onkel und Nichte noch weitere zwei Personen, die Hitler für eine Wohngemeinschaft aufgenommen hatte. Das waren seine Haushälterin Anni Winter und ihr Mann Georg. Hitler war willentlich in seiner Wohnung prinzipiell nie allein.

      Ein permanentes gemeinsames Unter-einem-Dach-Sein von vier Personen – Hitler, Raubal und zwei faktotische Lampen-Halter mit vier Augen und ebensovielen Ohren, die nach 1945 von ihrer Zeugenschaft über Sexual-Spezifisches zwischen Hitler und Raubal etwas hätten herauslassen können. Stattdessen nur lapidar das Resumee: Die Beziehung zwischen Onkel und Nichte habe »nichts mit einem unmoralischen Verhältnis« zu tun gehabt, war nur eine »mit Eifersucht durchtränkte platonische Liebe«. So äußerte sich Haushälterin Winter im Einklang mit den Wahrnehmungen von Sekretärin Schroeder. (Joachimsthaler 03, S. 339, Schroeder 85, S. 234)

      Also Affekt – ja, darüber hinaus sogar eine Zukunfts-Potenzialität des »Wenn heiraten, dann Geli!«, aber voreheliche genitale Praxis zwischen Hitler und Raubal – nein! Wieder ist das allem Feuchten den Garaus machende Fremdwort fürs Trockene gefallen: das Verhältnis Hitler-Raubal = platonisch.

      Um die Jahrtausendwende 1998/2003 wurde von den Pionieren in der Hitler-Biografik, Anna Maria Sigmund und Anton Joachimsthaler, die Nachricht gestreut, Hitler hätte von Anfang an in seiner Münchener Wohnung am Prinzregentenplatz mit noch drei weiteren Personen zusammengelebt, also zwischen 1929 und 1931 nicht nur zu viert, sondern zu sechst bis siebent. Zwei zusätzliche Mitbewohner wären die ehemaligen Vermieter seiner bisherigen Wohnung in der Thierschstraße gewesen, in der er von Mai 1920 bis Oktober 1929 gelebt hatte. Wie mit seinen


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