Nell Gwyn. Charles Beauclerk

Nell Gwyn - Charles Beauclerk


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Hinsicht der ideale Schützling für Barbara, denn sie weigerte sich, den Avancen des Königs vollständig nachzugeben. Sie wollte einen Ehemann und war deshalb nicht bereit, ihre Jungfräulichkeit ohne den entsprechenden Ring zu opfern. Ihre Zeitgenossen waren sich alle darin einig, dass Frances, deren Lieblingsbeschäftigung darin bestand, Kartenhäuschen zu bauen, das Gemüt eines Kindes besaß. Ihre Unschuld machte den König verrückt und brachte ihn sogar dazu, rührselige Herz- und Schmerzgedichte zu verfassen. Pepys, der zumeist durch den schon erwähnten Dr. Pierce über den neuesten Hofklatsch informiert wurde, schrieb: »Er [Pierce] erzählte mir, wie vernarrt der König jetzt in Mrs Stuart ist, dass er sich in Ecken rumdrückt und sie unter den Blicken aller Welt wohl eine halbe Stunde lang abküsst ... doch man ist allgemein der Meinung, dass diese neue Jungfer so klug ist, ihm nichts zu gewähren, was für sie gefährlich werden könnte ...« Der frustrierte König witzelte nur, er hoffe, er werde es noch erleben, Frances eines Tages »hässlich und willig« zu sehen.

      Mit der Zeit begann der König, Barbara wegen Frances zu vernachlässigen, und als später im Jahr 1663 die Königin ernsthaft erkrankte, ging das Gerücht um, der König wolle sie heiraten, sollte Katharina sterben. Der Herzog von Buckingham, selber ein Villiers und Wortführer der Höflinge, scharte eine Gruppe von Gefährten um sich, die sich für Frances als zukünftige Königin einsetzen wollten. Selbst für den Fall, dass Katharina überlebte, planten sie, diese zu entführen und in einem Kloster verschwinden zu lassen. Hinter diesem abstrusen Komplott stand eine ganz gewichtige politische Sorge. Es wurde zunehmend klar, dass Katharina unfruchtbar war und dass der vermutliche Thronerbe, Charles’ Bruder James, insgeheim ein Katholik war (sein Übertritt zum katholischen Glauben wurde erst 1666 öffentlich bekannt gegeben). Buckingham und viele andere auch wollten aber unbedingt die protestantische Thronfolge gesichert wissen. Einige unruhige Wochen lang musste sich Barbara mit der grauenhaften Perspektive auseinandersetzen, dass sie möglicherweise einmal als Kammerzofe von Frances Stuart enden würde.

      Doch die Verschwörer hatten den König völlig falsch eingeschätzt. Charles mag zwar den Frauen, die er liebte, nicht treu gewesen sein, loyal aber blieb er immer. Charles betrachtete die Krankheit seiner Frau keineswegs als eine Chance, sondern erstaunte jedermann – und nicht zuletzt sich selber – durch seinen tiefen und aufrichtigen Kummer. Katharinas Leben hing tatsächlich nur noch an einem seidenen Faden. Man hatte ihr bereits den Kopf geschoren, tote Tauben an die Füße gebunden und die letzten Sakramente gespendet. Ärzte und Priester stritten heftig miteinander, und der König, der stundenlang bei ihr am Krankenbett ausharrte, bedeckte ihre Hände mit seinen Tränen und bat sie, um seinetwillen doch am Leben zu bleiben. Als sie sich dann wirklich wieder erholte und ihre Lebensgeister zurückkehrten, äußerte die Königin voller Dankbarkeit, dass die ruhige und liebevolle Gegenwart ihres Gatten ihr das Leben gerettet habe. Und es war mehr als nur eine körperliche Wiederherstellung. Während ihrer Krankheit hatte sich Katharinas ganzer Kummer über ihre Unfruchtbarkeit zugespitzt, und im Fieberwahn hatte sie eine Reihe von Fantasiekindern geboren. Jetzt, da sie die Krankheit überstanden hatte, war sie eine neue Frau. Sie fügte sich in ihr Schicksal, zeigte sich bei Hof fröhlich und zugewandt und behandelte den König mit Humor und Nachsicht.

      Charles’ eigener Sohn, der vierzehnjährige James Crofts, war ein Jahr zuvor bei Hofe eingeführt worden (bis dahin hatte er in der Obhut der Königinmutter in Frankreich gelebt). Er war ein Jahr älter als Nell Gwyn und sollte später in ihr, der jüngsten Mätresse seines Vaters, eine treue Freundin finden. Charles vergötterte den hübschen jungen Mann, und als er ihn im Februar 1663 zum Herzog von Monmouth erhob, munkelte man, er wolle ihn als seinen Erben einsetzen. Monmouth selber bestärkte das Gerücht, dem zufolge Charles seine Mutter Lucy Walter geheiratet hatte und er somit der rechtmäßige Thronfolger war. Er führte sich zweifelsohne auf wie der Prinz von Wales, und Charles unternahm nichts, um die Überheblichkeit seines Sohnes zu dämpfen, sondern überhäufte ihn mit Ehren. Er war ein ausnehmend hübscher und munterer Bursche, nur viel Verstand besaß er nicht. Pepys nannte ihn einen »übermütig daherhüpfenden Galan, wie ich noch keinen sah, stets in Bewegung, immer dabei, zu hüpfen, zu springen oder zu klettern«.

      Der Charakter des Königs, vor allem aber seine Haltung gegenüber Frauen, bestimmte den Lebensstil bei Hofe. Zunächst einmal war da die königliche Familie, unkonventionell und weit verzweigt, aber doch erstaunlich funktional, an deren Spitze gleich einem orientalischen Potentaten Charles höchstpersönlich stand, den sein kompliziertes Gefühlsleben anscheinend in keiner Weise beunruhigte. Man muss diesen Mann schon bewundern, der es fertigbrachte, sich in der Öffentlichkeit zusammen mit seiner Frau, seiner Lieblingsmätresse sowie seinem unehelichen Sohn aus der Beziehung zu einer anderen Geliebten zu zeigen, und zwar alle gemeinsam in ein und derselben Kutsche. Trotz aller unterschwellig vorhandenen Unmoral und Ausbeutung, trotz Inzest und Rebellion war Charles in der Lage, den Eindruck der familiären Eintracht aufrechtzuerhalten und sich als einen genialen Patriarchen darzustellen. Als einmal eine Petition an ihn gerichtet wurde, in der er als »Vater seiner Untertanen« angeredet wurde, soll der Herzog von Buckingham geflüstert haben: »Vater von vielen ganz gewiss!«

      Und dann waren da noch Charles’ besondere Vertraute, die Höflinge, eine Schar adliger Lebemänner, die sich in ihren Manieren am König orientierten. Zwei Dinge waren für sie von Interesse: Liebe und Esprit, und beides zusammen bildete ihre raison d’être: mit Geist und Witz jagten sie der Liebe nach. Dabei trug ihr Witz aber genau wie der des Königs zynische Züge, d.h. er beruhte eher auf der Verachtung von Gefühlen und glänzte gerade durch seine Gefühlskälte. Und bei der Jagd nach der Liebe ging es ihnen darum, zu beweisen, dass sich alle Frauen trotz ihrer formalen Beteuerungen von Keuschheit und Treue insgeheim danach sehnten, verführt zu werden. Wenn der Schürzenjäger nur seinen Esprit geschickt einsetzte, war ihm die Eroberung gewiss und damit der höchste Lohn: das sinnliche Vergnügen. Sie bedienten sich ihres Witzes, um den Frauen zu schmeicheln und sie zu idealisieren, doch gleichzeitig war er eine scharfe Waffe, mit der sie andere demütigten. Das also waren die Männer, die das Theater der Restaurationszeit schufen, sozusagen als Spiegel ihrer Eitelkeiten. Das Theater sollte das Forum sein, auf dem sie sich mit ihren Eroberungen brüsten und gleichzeitig über sie herziehen konnten.

      Charles selber war der größte Windhund von allen und bediente sich sowohl in der Liebe als auch in der Politik desselben Zynismus. Wenn er witzelte, mit der Seele einer Frau habe er nie etwas zu schaffen, so entsprach das vollkommen der Abneigung eines Galans, sich gefühlsmäßig zu engagieren. Genau wie die Helden des Theaters der Restaurationszeit verhielt er sich nach dem Grundsatz, dass ein Mann seinem Wesen nach ein heuchlerisches Geschöpf ist und dass die einzig vernünftige Art, mit ihm umzugehen, darin besteht, ihn zu überlisten. Charles’ Freund und Gefährte Lord Rochester brachte einmal folgendes Lob seines Herrschers zu Papier:

      Gott segne den König, der gnädig ist,

      keiner glaubt, was er verspricht,

      nie sagt er etwas Dämliches

      und Kluges tut er nicht.

      Ob das nun ein Kompliment war, sei dahingestellt, Charles parierte jedenfalls mit einem eigenen Bonmot und erwiderte, seine Worte stammten immerhin von ihm, die Taten hingegen gingen auf das Konto seiner Minister. In der Zeit von 1660 bis 1670 wurden nämlich immer mehr von Charles’ Kumpanen auf Ministerposten gehoben, und in der Öffentlichkeit setzte sich allmählich der Eindruck durch, die Regierungsgeschäfte lägen in den Händen verantwortungsloser Libertins. Sexuelle Intrigen durchzogen auch die Politik, die Cliquenwirtschaft blühte – d.h. es gab Geheimausschüsse, in denen häufig auch die wichtigsten Mätressen saßen –, und die Minister mussten unverhältnismäßig viel Zeit darauf verwenden, Charles’ Frauen zu besänftigen, und dafür sorgen, dass kein Tratsch nach außen drang. Ein Lebemann hatte notgedrungen auch nach außen hin geschickt zu taktieren, das war die andere Seite seines so hoch gepriesenen Witzes.

      Zehn Jahre lang beklagt sich Pepys immer wieder darüber, dass der König die Staatsgeschäfte vernachlässige und das Land seinem Ruin entgegentreibe. Verärgert macht er Andeutungen über »den Stolz und den Luxus bei Hof« und darüber, dass »jedermann nur an sich selber denke, an seine eigene Gier und seinen Luxus«. Damals wie heute war die öffentliche Meinung von höchster Bedeutung, und es schien wichtiger, bei Taten gesehen zu werden, als diese tatsächlich zu begehen. Charles’ Tändeleien in


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