Nell Gwyn. Charles Beauclerk

Nell Gwyn - Charles Beauclerk


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Schauspieltruppen zusammenzustellen. Damit einher ging auch die Erlaubnis, für die jeweiligen Ensembles an beliebiger Stelle in London neue Theater zu errichten. Die Schirmherrschaft über Killigrews Truppe, die unter dem Namen The King’s Company bekannt wurde, übernahm Charles selber, und die Schauspieler unter Davenants Leitung bildeten die Duke of York’s Company. Die Auftritte aller anderen Truppen sollten »zum Schweigen gebracht und unterdrückt« werden. Killigrew und Davenant besaßen das Monopol über das Theaterschaffen in der Hauptstadt.

      Auch wenn dem König viel daran lag, eine neue Freiheit in der Kultur einzuführen, war er doch klug genug, dem Theater nicht völlige Unabhängigkeit zu gewähren. Das, was er letztendlich ins Leben rief, war ein neues höfisches Theater im Londoner West End. Im Gegensatz zu Shakespeares Globe, das allen gesellschaftlichen Schichten etwas zu bieten hatte, war der Besuch des Theaters zur Zeit von Charles II. in erster Linie den Gentlemen vorbehalten. Die Dienstboten, die ihre Herrschaft begleiteten, saßen auf den oberen Rängen, und vorbei war die Zeit der armen Schlucker oder »Pennystinker«, die zu Füßen von Shakespeares Bühne lauthals fluchten, sich Duelle lieferten und mitunter den Schauspielern ins Wort fielen. Sowohl Killigrew als auch Davenant hatten bereits in den Diensten Charles’ I. gestanden (Davenant hatte den Posten eines Hofdichters, eines Poeta laureatus, bekleidet), und beide respektierten die bei Hofe geltenden Gepflogenheiten und verhielten sich dementsprechend. In den 1630er Jahren hatten sie selber Theaterstücke verfasst. Es war unwahrscheinlich, dass sie aufwieglerische Werke auf die Bühne bringen würden, und schon gar nicht, wenn der König höchstpersönlich im Publikum saß. Charles wusste, dass er ihnen vertrauen durfte.

      Killigrew war ein ganz besonders enger Freund, der dem König auch ins Exil gefolgt war. Er entstammte einer vornehmen und leicht exzentrischen Familie aus Cornwall und war dafür bekannt, dass er gerne den Hanswurst spielte. Als der König im Mai 1660 zurückkehrte, befand er sich mit an Bord der Royal Charles, und Pepys schildert ihn als einen »netten Spaßvogel, aber doch ganz Gentleman, der dem König höchsten Respekt zollt« und der während der gesamten Überfahrt lustige Geschichten zum Besten gab. Später berichtet er, Killigrew sei zum königlichen Hofnarren avanciert. Wieder einmal wusste Pepys als Erster Bescheid: »Unter dem Titel eines königlichen Narren oder Spaßmachers bezieht Tom Killigrew eine Apanage aus der Kammer für Schabernack, und diese Stellung verleiht ihm das Vorrecht, selbst die höchstgestellte Persönlichkeit ungestraft zu verunglimpfen und zu verspotten.« Doch handelte es sich hier vermutlich um einen privaten Scherz unter zwei Männern, die beide für ihren beißenden Humor berühmt waren.

      Die Theaterstücke, die Charles während seines Exils in Frankreich gesehen hatte, waren die gleichen klassischen höfischen Maskenspiele gewesen, wie er sie auch schon als Kind in Whitehall, Windsor oder Hampton Court miterlebt hatte. Durch das Zusammenwirken von Ben Jonson und Inigo Jones waren sowohl einige technische als auch dramaturgische Neuerungen aus Italien eingeführt worden (so z.B. Proszenium und Vorhang, gemalte, bewegliche Kulissen und Versenkungen), und man hatte viele Konventionen des neoklassischen Theaters übernommen. Mit der Restauration wurden diese Neuerungen nun auch im öffentlichen Theater in England eingeführt, wobei man aber weiterhin an einer Vorbühne elisabethanischen Stils vor dem neuen Proszenium festhielt, die von beiden Seiten betreten werden konnte.

      Diese Zugeständnisse an die Vergangenheit konnten allerdings die fantasievolle Lebendigkeit und Tiefgründigkeit des elisabethanischen Theaters nicht wieder hervorzaubern. Denn das Proszenium verwandelte die Bühne in einen gewaltigen Schaukasten, und das bedeutete einen fundamentalen Wandel in der Art der Unterhaltung des Publikums. Die Zuschauer waren nun nicht mehr aktiv an einem fiktiven Geschehen beteiligt, das ihr Bewusstsein wecken und gleichzeitig die widersprüchlichen Elemente der Gesellschaft aufzeigen wollte. Jetzt setzte man ihnen als passiven Konsumenten einen Eskapismus in hoher Dosierung vor. Während das elisabethanische Theater den Zuschauer angeregt hatte, sich selber besser und tiefer zu verstehen, zielte das Drama der Restaurationszeit darauf ab, ihn vergessen zu lassen, wer er war. Das ist einer der Gründe, weshalb diese Form von Theater Stars und Idole hervorbrachte. Doch trotz all seiner Mängel bedeuteten die neuen Stücke sowie das gut und raffiniert ausgestattete Schauspielhaus den Beginn des modernen kommerziellen Theaters in England. Pepys hatte zwar einige Vorbehalte, erklärte aber nichtsdestoweniger, das königliche Theater in der Drury Lane sei »außergewöhnlich gut ausstaffiert«.

      Im letzten Absatz jenes Patents vom 25. April 1662, das der König Killigrew gewährt hatte, findet sich eine Neuerung, ohne die die Geschichte von Nell Gwyn ganz gewiss niemals erzählt worden wäre: »Desgleichen sind Wir damit einverstanden und gestatten, dass alle weiblichen Rollen von nun an in den beiden genannten Kompanien von Frauen gespielt werden, damit solche Darbietungen [d.h. Stücke], die durch den früheren Missbrauch [d.h. aufgrund der Skurrilität, die entstand, wenn Männer Frauenrollen übernahmen] skandalös und beleidigend waren, aufgrund dieser Neuerung nicht nur als harmlose Vergnügungen, sondern für all unsere guten Untertanen, die diese Schauspiele besuchen, auch als eine nützliche und lehrreiche Darstellung menschlichen Lebens gelten mögen.« Auch wenn die neuen Schauspielerinnen erheblich schlechter bezahlt wurden als ihre männlichen Kollegen, und selbst wenn das Publikum in ihnen eher Objekte sexueller Lust sah und nicht so sehr Künstlerinnen, bedeutete diese Regelung doch einen großen Fortschritt.

      Während das erste königliche Theater in der Drury Lane sich noch im Bau befand, ereignete sich bei Hofe ein Drama ganz im wirklichen Leben, das auch wichtige Auswirkungen auf Nell Gwyn haben sollte. Als im Mai 1662 die portugiesische Prinzessin Katharina von Braganza in England eintraf, um den König zu heiraten, war der noch ganz und gar seiner schönen und dominanten Mätresse Barbara Castlemaine verfallen. Die war zudem hochschwanger mit ihrem zweiten Kind, das auf die Welt kam, während das königliche Paar seine Flitterwochen in Hampton Court verlebte. Obwohl Katharina in Portugal ein äußerst zurückgezogenes Leben im Kloster geführt hatte, war sie von ihrer Mutter, der Königinregentin, schon vor der Castlemaine gewarnt worden, und sie hatte ihrer Mutter versprechen müssen, an ihrem Hof niemals die Anwesenheit von Charles’ Mätresse zu dulden. Katharina nahm sich den mütterlichen Rat nicht nur zu Herzen, denn hinter ihrem einfachen und frommen Äußeren verbarg sich ein leidenschaftliches und gebieterisches Wesen, das durchaus in der Lage war, auch entsprechend zu handeln. Lady Castlemaine ihrerseits hatte nun dem König ebenfalls ein Versprechen abgerungen, nämlich, dass er sie zu einer der Kammerfrauen der Königin ernennen würde. Es bedurfte keiner seherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass sich zwischen der Königin und der Mätresse ein gewaltiger Konflikt abzeichnete.

      Katharina war mit einem umfangreichen und düster anmutenden Gefolge von schwarz gekleideten Mönchen und Kammerzofen in England eingetroffen. Letztere waren durchweg alt und übelriechend und trugen ausladende Reifengestelle unter ihren schwarzen Röcken, was bedeutete, dass man für sie Extrakutschen anfordern musste, um sie von Portsmouth nach London zu bringen. Keine von ihnen sprach auch nur ein Wort Englisch, aber aus ihren verächtlichen Mienen war deutlich abzulesen, was sie dachten. Der König war anscheinend der Einzige in dem englischen Tross, den der monströse Zug, der seiner künftigen Gattin nachfolgte, nicht verstörte. Wahrscheinlich war die Mitgift groß genug, um alle Bedenken zu zerstreuen, die er in diesem Punkt hätte haben können. Zutreffender war aber wohl, dass irgendetwas an dieser zierlichen und geistreichen Prinzessin seine Loyalität und seinen Beschützergeist, ja sogar seine Zuneigung auf den Plan rief. Trotz der Korkenzieherlocken, die zu beiden Seiten ihrer Schläfen abstanden und die Charles dazu veranlassten, einem seiner Freunde gegenüber verlauten zu lassen, er habe auf den ersten Blick gedacht, »man hätte ihm eine Fledermaus geschickt anstelle einer Frau«, schrieb er noch von der Küste aus an Clarendon: »Sie hat ausgesprochen schöne Augen ... und wenn ich, wie ich durchaus meine, nur über ein wenig Menschenkenntnis verfüge, so denke ich, dass sie nicht schlechter ist als jede andere Frau auch.«

      Doch Loyalität und eheliche Treue sind zwei verschiedene Dinge. Als Charles ein Jahr zuvor in der Abtei von Westminster gekrönt worden war, hatte er ganz bewusst den Tag des heiligen Georg für diesen Anlass gewählt, um damit zu verstehen zu geben, dass er den Drachen der Rebellion endgültig besiegt habe. Doch sein wahrer Feind war der Drache der Wollust. Selbst während der Flitterwochen, sozusagen das Ehegelöbnis noch frisch auf den Lippen, stahl er sich heimlich fort zu Barbara, die nach der Geburt ihres Sohnes Charles, des späteren Herzogs von Southampton, ein Haus im nahe gelegenen Richmond


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