Nell Gwyn. Charles Beauclerk
haben.
Charles’ eigene Tugenden, wie Geduld, Stärke und Unparteilichkeit, aber auch der Wille, sich nicht der Verzweiflung anheim zu geben, waren ebenso verantwortlich für seine Restauration wie die Ereignisse in England, die sich seinem Einfluss entzogen. Was an den Jahren im Exil so erstaunt, ist nicht die Lasterhaftigkeit oder das ausschweifende Leben des Königs, denn die Berichte darüber entsprangen weitgehend den Hirngespinsten puritanischer Einbildung und Propaganda, sondern vielmehr seine bemerkenswerte Selbstbeherrschung und Mäßigung. Man könnte sagen, Charles’ Genialität bestand darin, dass er sowohl Distanz zum Volk und den Ereignissen bewahrte als auch beides akzeptierte. Es war ihm gelungen, auf der Welle der Politik zu reiten, ohne von ihr hinweggespült zu werden, und seine Leiden hatten ihn gelehrt, ein aufrichtigerer Demokrat zu sein als seine republikanischen Widersacher. Er hatte gelernt, einen Menschen nicht nach seiner Geburt oder seinem Stand zu beurteilen; wahrer Adel, das wusste er, war eine Charaktereigenschaft.
Im Gegensatz zu seinem Vater, Charles I., und seinem Großvater, James I., die beide eine streng theoretische Auffassung von der Monarchie vertreten hatten, scherte sich Charles II. nicht im Geringsten um politische Abstraktionen und Theorien, denn er wusste nur zu gut, wie flüchtig solche Konstrukte sein konnten. Er hatte eine ganz klare Vorstellung von seiner politischen Aufgabe: Er wollte sich auf dem Thron halten und die Rolle des Königs spielen. Er besaß jene alte, nicht von selbstzweiflerischen Lehren belastete elisabethanische Selbstsicherheit. Wenn er eine politische Philosophie vertrat, dann kommt sie am besten in seiner berühmt gewordenen Abwandlung der Stelle aus dem Buch der Könige zum Ausdruck: »Ich möchte, dass jeder Mann unter seinem eigenen Weinstock und unter seinem eigenen Feigenbaum sitzen kann.« Mit anderen Worten, er glaubte an wirtschaftlichen Wohlstand und an Gewissensfreiheit für alle. Mit seinem Charakter war er ideal geeignet für die konstitutionelle Monarchie und die Schaffung eines neuzeitlichen Staates. In den Auseinandersetzungen, die er mit dem Parlament über die Frage der religiösen Toleranz ausfechten musste, war, wie Churchill sagt, »seine Stimme die einzige, die moderne und tolerante Ansichten vertrat«.
Auch wenn man ihm schon sehr bald den Beinamen »der fröhliche Monarch« verleihen sollte, machte der König, der an jenem strahlenden Sommertag in London Einzug hielt, einen eher ernsten denn fröhlichen Eindruck. Pepys, der dem König am 17. Mai 1660 in Den Haag zum ersten Mal begegnet war, beschrieb ihn in seinem Tagebuch als einen »sehr nüchternen Mann«. Seiner äußeren Erscheinung nach konnte man ihn eigentlich weder als hübsch noch als fröhlich bezeichnen, dafür war er viel zu schmal gebaut und zu dunkel, aber er hatte sich schon seit langem ein forsches Auftreten zugelegt, um den ihm innewohnenden Zug der Schwermut zu verbergen. Charles hatte seine Gefühle unter absoluter Kontrolle, und es freute ihn, wenn man ihn für fröhlich oder sogar leicht frivol hielt, sofern ihm das half, seine Widersacher zu täuschen. Eigentlich ist es nur natürlich, dass sich ein ganzer Reigen von Mythen um seine Person rankte, war er seinen Landsleuten doch fast eine ganze Generation lang nur aus Erzählungen vertraut gewesen. Jene allerdings, die ihn gut kannten, sahen ihn als den, der er wirklich war: ein selbstbeherrschter, geistreicher Mann von raschem Entschluss, der allen Menschen ungeachtet ihrer Geburt mit Höflichkeit begegnete.
Wie schon Shakespeare am Beispiel seines Heinrich V. deutlich macht, der sich als Prinz Hai die Hörner abstößt, ist es für das Wohl einer Nation lebenswichtig, dass der Herrscher sich über sein eigenes Wesen im Klaren ist. Der König muss sich selber beherrschen, bevor er über andere herrschen kann. Charles II. wurde durch seine Leidenszeit im Exil zu dieser Selbsterkenntnis geführt, das formuliert er ganz klar in seinem ersten Schreiben als König an den Sprecher des Unterhauses. Der Brief endet mit dem Satz: »Und Wir hoffen, dass Wir aus Unserer Not die rechte christliche Lehre gezogen haben, und dass das, was Wir in anderen Ländern gesehen und erfahren haben, Uns und wie Wir hoffen auch Unseren Untertanen in Zukunft zu einem Besseren gereichen möge.« Wie bei allen Königen aus dem Hause Stuart waren es die tragischen Ereignisse, die Charles’ beste Eigenschaften ans Licht brachten, und außerdem besaß er eine unglaubliche Fähigkeit, mit schwierigen Lagen fertig zu werden. Aber dennoch litt er stets unter einem unheilvollen Gefühl der Entwurzelung, was, wie Cecil Chesterton meint, der Grund dafür war, dass er sich niemals zu absoluter Treue verpflichtet fühlte, nicht einmal gegenüber dem Land, über das er regierte.6
Es bestand stets und besteht auch heute noch eine Kluft zwischen dem Charles, der er wirklich war, und jenem Charles, wie er in der Vorstellung der Menschen lebte. Seine Abneigung gegenüber den Regierungsgeschäften wurde ihm als Faulheit ausgelegt, und dabei gab es wohl nichts, was weniger der Wahrheit entsprach. Wenn der König eine Eigenschaft besaß, dann war es eine überbordende Energie, die es ihm sogar schwermachte, sich zu entspannen. Schon vor Sonnenaufgang stand er auf, um sich seiner morgendlichen Körperertüchtigung zu widmen (Reiten, Schwimmen und Tennisspielen), und noch bevor irgendeiner seiner Minister überhaupt am Ratstisch erschien, hatte er bereits einen großen Teil seiner Amtsgeschäfte erledigt. Sein Gang war so schnell, dass Amtsträger und Bittsteller sich sputen mussten, um mit ihm Schritt halten zu können. Selbst Cromwell hatte sich bewundernd über Charles’ Tatkraft und sein Geschick geäußert, als der 1651 seine Truppen in Schottland aufstellte.
Und wenn er sich gerade einmal nicht den Staatsgeschäften widmete, empfing er zu jeder Tageszeit Besucher, unterstützte Kunst und Wissenschaft oder führte in seinem Privatlabor sogar eigenhändig chemische Experimente durch. Seine Kenntnisse in Mathematik, Astronomie und Navigation waren geradezu berühmt. Auch die Architektur begeisterte ihn, außerdem war Charles ein begabter Zeichner. John Evelyn, selber ein vielseitig gebildeter Mann, berichtet über folgende Begegnung mit dem König am 27. Oktober 1664:
Er [der König] forderte mich auf, mit ihm allein an eines der Fenster zu treten, und fragte mich, ob ich ein leeres Blatt Papier und einen Bleistift bei mir habe; ich reichte ihm beides. Er legte es auf die Fensterbank und zeichnete von eigener Hand den Entwurf des künftigen Whitehallgebäudes mit allen Repräsentationsräumen und sonstigen Details. Danach sprach er noch über verschiedene Dinge mit mir ... all das erweckt in mir den Eindruck, dass Seine Majestät außerordentlich befähigt ist, ein wunderbarer Herrscher zu werden.
Von Bewunderern und Kritikern gleichermaßen wurden immer wieder seine Intelligenz und seine Vorliebe für das geistreiche Gespräch hervorgehoben. Seine rasche Auffassungsgabe ermöglichte es ihm, die Gelegenheiten für gute Geschäfte schnell zu erkennen, und da er mütterlicherseits aus dem Geschlecht der Medici stammte, besaß er auch kaufmännisches Geschick und konnte rechnen, und das gereichte ihm in der neuen Welt, in der er sich nun befand, durchaus zum Vorteil. Ja, die Tatsache, dass er allem Neuen gegenüber aufgeschlossen war, ließ seine Herrschaft in fast allen Bereichen so modern erscheinen. Selbst seine Neigung zum süßen Nichtstun trägt moderne Züge. Insgesamt gesehen aber erwies sich Charles als radikaler und auf ehrlichere Weise leistungsorientiert als Cromwell, der sich insgeheim immer nach dem Thron gesehnt und abweichende Meinungen nicht geduldet hatte. Der König hingegen war aufgrund seines langen und mühevollen Exils sowohl realistisch als auch ohne Vorurteile. Er begriff, welch wichtige Rolle der freie Markt und die Entwicklung der Wissenschaft als Grundlage einer neuen, zivilisierteren Gesellschaft spielten.
Trotz seiner zahlreichen Liebesaffären im Ausland und der daraus erwachsenen Nachkommenschaft (im Jahr 1660 war er bereits Vater von fünf Kindern) wurden seine Frauengeschichten doch stark übertrieben. Gewiss, als König hielt er sich später eine Reihe von Mätressen, aber auch nicht mehr als seine Tudorvorgänger. Dass Charles die Frauen auf sehr sinnliche Art liebte, ließ sich nicht verheimlichen. Halifax schrieb dazu, dass der König »seine Neigung zur Liebe seiner Gesundheit und seiner guten Kondition verdanke, dass aber auch die Englein, wie bei nur ganz wenigen Menschen, ihr Teil dazu täten«. Wenn es nicht die Engelein waren, so gewiss die Teufelchen. Schon als Junge hatte sich Charles vom weiblichen Geschlecht angezogen gefühlt. Verführt wurde er von seiner früheren Amme, Christabella Wyndham, und von dem Augenblick an war der Sex für ihn zu einem Tröster geworden, zum Ersatz für wahre Zuneigung.
Wichtig für Charles war auch das Gefühl der Macht, das mit der Eroberung einherging, ganz besonders, wenn er, wie wir wohl annehmen dürfen, nicht in der Lage war, sich hinreichend zu entspannen, um den Geschlechtsakt wirklich zu genießen. Außerdem gehörte es zu den Attributen eines Königs, sich einen Harem zu halten und dabei nicht einmal vor den Gattinnen seiner