Nell Gwyn. Charles Beauclerk
in der Einleitung zu Absalom and Achitophel gut heraus. Charles wird darin als David, König Israels, dargestellt und die Restauration als der Beginn eines neuen Goldenen Zeitalters ursprünglicher Befriedigung besungen:
In frommer Zeit, bevor man Pfaffen kannte,
bevor Polygamie man Sünde nannte,
als sich der Mensch mit vielen Weibern mehrte,
die Regel »eins zu eins« noch keiner lehrte;
als die Natur noch herrschte, kein Gesetz diktierte,
dass Frau plus Nebenfrau nicht konvenierte –
pflegt Israels Monarch, mit Gottes Segen,
zu Sklavinnen wie Weibern sich zu legen,
und sät im Lande, wo sein Ratschluss gilt,
mit warmer Kraft des Schöpfers Ebenbild.
Auf mythologischer Ebene bedeutete Charles’ II. Liebesieben so etwas wie die Reinwaschung des Körpers der Nation vom Puritanismus. Clarendon hat darauf hingewiesen, dass Charles in seinem Liebestemperament viel von seinem Großvater mütterlicherseits geerbt hatte, von Heinrich IV. von Frankreich. Genau wie Charles hatte auch der seinen Mätressen eine offizielle Stellung bei Hofe eingeräumt und darauf bestanden, dass seine Gattin, die Königin, sie akzeptierte. Auch Heinrich war berühmt für seine sexuelle Potenz (ihm werden vierundfünfzig Mätressen nachgesagt), und in der Öffentlichkeit nannte man ihn nur bewundernd »Le Vert Galant« (»der starke Liebhaber«). Charles erhielt den Spitznamen »Old Rowley« nach einem seiner Hengste.
Insgesamt stand Charles’ Leidenschaft für Frauen in einem gesunden Gegensatz zu dem blutleeren Liebesieben seiner unmittelbaren Vorgänger. Väterlicherseits zumindest blickte er auf eine lange Reihe von Männern zurück, die ihre Sexualität unterdrückt hatten. Sein Urgroßvater, Henry Stuart, Lord Darnley, sein Großvater, James I., und auch sein Vater, Charles I., waren allesamt ziemliche Neurotiker mit bisexuellen Neigungen und dominierenden Ehefrauen gewesen. Das Symbol für diese lange Zeit der unterdrückten Sexualität erscheint uns in der Gestalt eines riesigen Jagdhundes auf dem Porträt der fünf Kinder Charles’ I., das van Dyck im Jahr 1637 angefertigt hat. Das Tier ist unter dem linken Ellenbogen des siebenjährigen Prinzen Charles platziert, doch obwohl dieser sagenhaft große Hund seine rechte Pfote auf den linken Fuß des Prinzen gesetzt hat, scheint dieser ihn kaum zu bemerken, so als schlummere das Biest tief im Unbewussten des Jungen und warte noch darauf, geweckt zu werden.
Zur Zeit der Restauration wurde dann aber die gute alte englische Sinnenfreude wieder gründlich zum Leben erweckt. Die Bewohner Londons brauchten sich nur umzusehen, überall schossen die Maibäume aus dem Boden, um bereit zu sein, wenn es hieß, den Monat Mai zu begrüßen. Der höchste von allen erhob sich mit seiner vergoldeten Krone in Nell Gwyns unmittelbarer Nachbarschaft, in der Strand nahe der Drury Lane.
Als wir Nell am Ende des vorigen Kapitels verlassen haben, war sie die Königin der Straßenkinder in den schmutzigen Seitengassen der Drury Lane, die von einem Leben bei Hofe träumte und eine Bande lebhafter Gören ohne Dach über dem Kopf befehligte. Schon mit zehn Jahren war sie eigentlich kein Kind mehr, dafür hatte sie allzu früh bereits zu viel von der Welt erfahren. Im Mittelpunkt ihrer Träume hatte stets die Person des heimkehrenden Königs gestanden, und nun, da er wirklich zurückgekehrt war, schien alles möglich.
Kapitel 3
Aufstieg aus der Asche
Für ein zehnjähriges Mädchen mit dem Kopf voller Träume von Glanz und Ruhm war das London der Restaurationszeit ein aufregender Ort. Der König war ein Mann, der sich für jeden Bereich des menschlichen Lebens interessierte. Unter seiner gütigen, manche würden auch sagen lässigen Regentschaft erwachte das kulturelle Leben zu neuer Blüte: Die Theater öffneten ihre Tore, Kunst und Wissenschaft florierten, und mit dem Handel ging es bergauf, es wurde wieder investiert, und das Volk gab sich seinen Vergnügungen und seiner Lust hin. England atmete wieder jenen belebenden Hauch wie damals in den 1560er Jahren unter Elisabeth I. Und nirgendwo pulsierte das Leben stärker als entlang des nördlichen Ufers der vom König so geliebten Themse.
Charles und seine Kavaliere hatten aus Paris (und in geringerem Maß auch aus Flandern) eine neue Art von Kultur mitgebracht, neue Formen der Musik, der Malerei und der Mode, der Art, sich einzurichten und die Gärten zu gestalten, eine ungewohnte Architektur, ein neuartiges Theater und eine neue Hofetikette, das Glücksspiel (das Charles missbilligte), Pornographie, Champagner und insgesamt eine gewisse gallische Lebensart, die vom Gros der Engländer aber rundweg abgelehnt wurde. Charles, der eine Vorliebe für die Kammermusik hegte, wie er sie am französischen Hof kennengelernt hatte, erlernte das Gitarrenspiel. In Geschmacksfragen war er nämlich weit mehr durch seinen Vetter Ludwig XIV. beeinflusst, als er es jemals zugegeben hätte, und die Beziehungen zum Hof des Sonnenkönigs blieben allein schon durch den Umstand lebendig, dass seine Mutter und seine Lieblingsschwester Minette sich dort aufhielten. Letztendlich hat Charles den Boden für den Klassizismus in England bereitet. Wie Bryant sagt, sind »die Ruhe, die Ausgeglichenheit und die Schönheit des achtzehnten Jahrhunderts das Vermächtnis Charles’ an sein Volk«.
Mit einer halben Million Einwohner war London bei weitem die größte Stadt im Königreich. Über das gesamte Stadtgebiet verteilt erhoben sich wohl gut und gern einhundert Kirchtürme, und alle überragte väterlich die Kuppel von St. Paul. Insgesamt zeigte London immer noch das mittelalterliche Stadtbild aus der Tudorzeit mit seinen engen Straßen, in denen sich der Verkehr oft staute, und den Fachwerkhäusern mit ihren sich nach vorne neigenden Fassaden, die weder Luft noch Licht hereinließen. Zwar sollten die Leute ihre häuslichen Abfälle an einer Stelle deponieren, wo sie von den Müllmännern zusammengekehrt und zur öffentlichen Müllhalde vor den Toren der Stadt gekarrt werden konnten, oder aber doch zumindest ihren Müll in Eimern oder anderen Behältnissen vor ihrer Haustür abstellen, damit er von den sogenannten »Aasgeiern« eingesammelt würde, doch die meisten Bewohner kippten ihr Schmutzwasser einfach in den in der Mitte der Straße verlaufenden Abwassergraben und hofften, der Regen würde es schon wegspülen. Das führte dazu, dass es in den Straßen nicht nur düster und stickig war, sondern dass es auch noch erbärmlich stank. Kaum einer trank das Wasser aus den städtischen Wasserleitungen, und der alte keltische Argwohn gegenüber stehendem Gewässer hielt die Menschen davon ab, jemals ein Bad zu nehmen. In den zehn Jahren, in denen er sein Tagebuch führte, erwähnt Pepys nur ein einziges Mal, er habe ein Bad genommen, wenn es denn überhaupt als ein solches angesehen werden darf.1
Es gab auch breite Straßen wie die Strand, doch als Hauptverkehrsachse diente der Fluss, sowohl für den Handel als auch für Vergnügungsfahrten. Ausländische Würdenträger wunderten sich über die rege Schifffahrt auf der Themse und über die Vielfalt an Booten, angefangen bei den Barkassen des Adels mit ihrer livrierten Dienerschaft bis hin zu den schäbigen Kähnen der Obst- und Schnapsverkäufer. Und obwohl der Fluss doch Londons Hauptkloake war, blieb er dennoch »der silberne Strom Themse, dessen von Rädern gefurchte Ufer ... von Blumen in allen Farben gesäumt werden«, wie Spenser ihn in seinem Prothalamion beschreibt. Die Menschen lustwandelten an seinen Gestaden, und selbst der König ging oft im Fluss schwimmen, wenn er sein frühmorgendliches Tennismatch beendet hatte – sehr zur Beunruhigung seiner Ärzte übrigens.
Weniger erfreulich waren die Rauch speienden Fabriken der Bierbrauer, Färber, Seifensieder und Glasbläser, der Eisenschmelzer und der Kalkbrenner, die überall in der Stadt und in den Vororten aus dem Boden schossen. Viele davon auch am Flussufer. Zusammen mit dem Rauch, für den der weit verbreitete Gebrauch von Kohle verantwortlich war, sorgten sie für einen hohen Grad an Luftverschmutzung in London. Evelyn, der in seinem Werk Fumifugium (1661) eine Reihe von Abhilfemaßnahmen vorschlägt, bemerkte, dass »die Rauchsäulen und -schwaden, die aus den verrußten Schloten unserer Fabriken aufsteigen, so dick und reichlich sind, dass sie ... den stärksten Winden widerstehen und sich auf die Stadt niedersenken, noch bevor sie auseinandergetrieben werden konnten, und so bietet die Stadt innerhalb weniger Augenblicke den Anblick des von den Griechen geschleiften Troja«. Er beschwerte sich über das schreckliche Husten in den Kirchen und bei anderen Versammlungen, »wo das Kläffen und Spucken kein Ende hat und äußerst unangenehm ist«. Als Lösung