Nell Gwyn. Charles Beauclerk
ihn nicht davon abhalten konnten, sich mit ihr zu vereinen. Katharina war sicherlich klug genug, so zu tun, als sähe sie nichts. Aber die Mätresse des Königs öffentlich anzuerkennen und ihr die Vorrechte einer königlichen Kammerfrau, ihrer Kammerfrau, zu verleihen, das was etwas ganz anderes. Und deshalb lehnte sie, als ihr der König die Liste mit den Neuernennungen vorlegte, auf der Barbaras Name ganz oben stand, dieses Ansinnen wutschnaubend ab.
Katharina, die ja an einem königlichen Hof erzogen worden war, wusste ganz genau, was man da von ihr verlangte. Um den Titel einer königlichen Kammerfrau ging es erst in zweiter Linie, es ging vielmehr um den offiziellen Status der Mätresse des Königs und damit um die Moral an dem Hof, der nun auch der ihrige war. Man verlangte von ihr, einer Person Ehre zu erweisen und eine rechtmäßige Stellung zu verleihen, die in den Augen vieler bei Hofe und auch außerhalb nichts anderes war als eine ganz gemeine Hure – und all das auf Kosten ihrer eigenen Ehre und ihres Glücks. Das war schon eine ziemlich starke Zumutung, und Charles war sich seiner Rücksichtslosigkeit durchaus bewusst, was aber wohl seinen Zorn angesichts ihrer Weigerung noch verstärkt haben mag. Außerdem war der König immer dann verwundbar, wenn tiefe Gefühle mit im Spiel waren, und nun fühlte er plötzlich, wie er den Boden unter den Füßen verlor.
Schließlich beschloss der König, Barbara bei Gelegenheit und ohne Vorankündigung der Königin vorzustellen und darauf zu hoffen, dass alles gut ginge. Es gab keinen Grund, warum sie die Angelegenheit nicht untereinander, von Frau zu Frau, regeln sollten. So oder ähnlich mögen seine Überlegungen ausgesehen haben. An jenem Morgen sollten etliche Damen vorgestellt werden, und Charles wusste, dass Katharina Barbara nicht vom Sehen her kannte. Und so geschah es. Katharina empfing die fremde Dame huldvoll und hatte ihr gerade die Hand zum Kuss gereicht, als Charles sich zu ihr herabbeugte und verkündete: »Mylady Castlemaine.« Beim Klang dieses Namens wurde die Königin leichenblass, und sie musste sich an der Armlehne ihres Stuhls festklammern. Dann brach sie in Tränen aus, ihre Nase fing an zu bluten und sie fiel vornüber in Ohnmacht. Man musste sie hinaustragen, doch der normalerweise so aufmerksame König fühlte sich zu sehr verletzt, als dass er ihr folgte.
Stattdessen ließ er wissen, dass er jeden, der ihn an seinem Entschluss hindern wolle, Lady Castlemaine zur Kammerfrau der Königin zu ernennen, lebenslang als seinen Feind betrachten werde. Außerdem schickte er den größten Teil von Katharinas Gefolge zurück nach Portugal und ging ihr danach ostentativ aus dem Weg. In dieser Haltung wurde er von seinen Höflingen noch bestärkt (von seinen »Ratgebern in Vergnügungsdingen«, wie Pepys sie nannte), die ihn immer wieder an das Beispiel seines Großvaters Heinrich IV. von Frankreich gemahnten, der seine Ehefrauen dazu gezwungen hatte, seine Lieblingsmätressen zu akzeptieren. Es sei an der Zeit, sagten sie, dass der König auch am englischen Hof den Status einer maîtresse en titre einführe. Wortführer dieser netten Bande war George Villiers, Herzog von Buckingham und Barbaras Vetter, dem daran gelegen war, seinen eigenen Platz neben dem Thron zu sichern.
Diese unerfreuliche Situation blieb monatelang bestehen, bis die Königin nach einigen Überredungsversuchen vonseiten eines widerwilligen Clarendon unvermutet doch einlenkte – als sie den Zeitpunkt für gekommen hielt. Man sah sie und Barbara im Gespräch miteinander herzlich lachen. Ihre Ergebenheit gegenüber dem König hatte schließlich die Oberhand behalten. Clarendon, dessen Sympathien die ganze Zeit über der gedemütigten Königin gegolten hatten, hatte den König offen für sein Verhalten in der Angelegenheit kritisiert, und ihr Verhältnis war dadurch rasch abgekühlt. Barbaras Einfluss auf den König verbitterte ihn sehr. Aber wie dem auch sei, der König hatte sich den Hof geschaffen, den er sich wünschte, und jeder musste schauen, wo er blieb. So könnte man sagen, dass die Schlafzimmerkrise, wie sie allgemein genannt wurde, den Weg geebnet hatte für eine noch skandalträchtigere Mätresse in der Zukunft, die ebenfalls einmal die Vorrechte einer Kammerfrau der Königin genießen sollte, für Nell Gwyn.
Kapitel 4
Ein König der Liebe
In der Schlafzimmerkrise hatte sich sehr anschaulich offenbart, wie kompliziert Charles’ Verhältnis zu den Frauen war und dass er mit ihnen ein doppeltes Spielt trieb; sie sprach auch Bände darüber, dass er entschlossen war, sich nicht von Frauen beherrschen zu lassen. Stattdessen behandelte er sie lieber wie seine Minister, spielte sie gegeneinander aus und behielt selbst stets die Fäden in der Hand. Außerdem versuchte er, sich mit dieser Taktik seine Freiheit zu bewahren. Damit allerdings lief er Gefahr, Opfer stürmischer Gefühlsausbrüche zu werden, ganz besonders, wenn Barbara Castlemaine betroffen war.
Charles’ Furcht vor Dominierung lässt sich ganz direkt aus der Beziehung zu seiner Mutter herleiten, der energischen Henrietta Maria, ihrerseits Tochter einer kalten, dominierenden Mutter, Maria von Medici, und eines Vaters, den sie niemals gekannt hat (er wurde ermordet, als sie erst ein Jahr alt war).1 Von dem Augenblick an, da sie den Knaben zur Welt gebracht hatte, der von so dunklem Äußeren war, dass sie, wie sie selber sagte, sich »seiner schämte«, tyrannisierte Henrietta Maria ihren ältesten Sohn und fürchtete sich gleichzeitig vor ihm, so als wüsste sie, dass er eines Tages zu dem König heranwachsen würde, der ihr Gatte nie hatte sein können, und dass er damit ihre Kontrolle über die Männer in der Familie brechen würde. Für sie bedeutete das Leben Aufopferung und Pflichterfüllung, und um ehrlich zu sein, selbst die Liebe ordnete sie ganz der Pflicht unter und sah in ihr nur ein Opfer, Zuneigung war zweitrangig. Zwar war sie eine sehr empfindsame Frau, behielt aber ihre Gefühle streng für sich. Wenn sich ihre Emotionen doch einmal nach außen Bahn brachen, dann unabsichtlich und eher in der Form von Wutanfällen denn in Bekundungen mütterlicher Liebe.
Diese tapfere, leidenschaftliche kleine Frau (sie maß kaum einen Meter fünfzig) erschien ihren Kindern kalt und herrisch. In ihren Augen waren die Kinder niemals individuelle Persönlichkeiten, sondern nur Spielfiguren in dem alles bestimmenden Drama ihres Lebens. Jede Bekundung eines eigenen Willens oder des Widerspruchs vonseiten der Kinder löste, selbst als diese schon erwachsen waren, entsetzliche Wutanfälle aus oder, was noch schlimmer war, kalt berechnete Demütigungen. Um die Kontrolle zu behalten, war ihr jedes Mittel recht. Als Charles’ jüngster Bruder Henry, der Herzog von Gloucester, den Versuchen seiner Mutter widerstand, ihn zum katholischen Glauben zu zwingen, ließ sie alle Möbel aus seinen Gemächern im Pariser Palais Royal entfernen und seine Pferde aus den Stallungen fortführen. Daraufhin unternahm er einen letzten Versuch, sich mit ihr vernünftig auseinanderzusetzen, doch sie behandelte ihn in aller Öffentlichkeit, als wäre er Luft. Das war im Jahr 1655. Henry, der fünf Jahre später den Pocken erlag, hat seine Mutter nie wiedergesehen. Ihren zweiten Sohn, James, den Herzog von York, behandelte sie kaum weniger harsch, als der heimlich eine Bürgerliche heiratete.
Es hatte den Anschein, als konnte sie nur einem Ersatzkind eine richtige Mutter sein, einem Kind, mit dem sie keine Blutsbande verknüpften und über das sie uneingeschränkte Herrschaft auszuüben vermochte. Ein solches Kind war der zwergwüchsige Jeffrey Hudson, der ungefähr im Alter von acht Jahren vom Herzog von Buckingham der damals noch kinderlosen Königin zugeführt worden war. Jeffrey war aus einer Torte herausgehüpft, die man dem König und der Königin in Burleigh on the Hill serviert hatte. Henrietta Maria schloss den Kleinen sofort ins Herz, ließ ihn aufs Feinste einkleiden und kümmerte sich um seine Erziehung. In ihm hatte sie ein fügsames Kind, das sie ganz nach ihren eigenen Vorstellungen formen und zum Katholiken machen konnte. Sie lehrte ihn Französisch und unterwies ihn in den Sitten und Ritualen bei Hofe. 1633 ließ sie sich sogar zusammen mit ihm von van Dyck porträtieren. Das Bild zeigt eine hochmütige und auf eine etwas kindliche Art überaus schöne Königin. Ihre linke Hand ruht auf einem Äffchen, das auf Jeffreys Arm sitzt, ein Symbol für die Lust am Schabernack, der diesen beiden Außenseitern am Hof zu eigen war. Berühmt geworden ist ein Vorfall in Den Haag aus dem Jahr 1642. Damals hatte der holländische Gesandte den dreiundzwanzigjährigen Jeffrey fälschlicherweise für den Prinzen von Wales gehalten und hatte sich niedergebeugt, um dem Zwerg die Hand zu küssen. Zu diesem Irrtum hatte ihn ganz gewiss der ungezwungene und liebevolle Umgang der Königin mit dem jungen Mann verleitet, eine Zuneigung, zu der sie Charles gegenüber nie in der Lage war. Nach der Restauration, als Jeffrey fort war, adoptierte sie einen Chinesenjungen, einen blinden Passagier auf einem Ostindienfahrer, den sie ebenfalls zum katholischen Glauben bekehrte und wie ihren leiblichen Sohn aufzog.
Mit