Nell Gwyn. Charles Beauclerk
in der Lage, ihren Standpunkt nachhaltig zu vertreten, wenn sie sich angegriffen fühlte. Äußerlich waren beide Frauen von sehr feingliedriger, ja fast puppenhafter Gestalt, und beider Schönheit lag vor allem in ihren großen, dunklen Augen. Es gab allerdings entscheidende Unterschiede. War Henrietta eine dogmatische Katholikin, deren Handeln durch politische und familiäre Loyalitätsbindungen bestimmt wurde, so war Katharina aufrichtig fromm, ja sogar mystisch und verspürte lebenslang immer wieder den tiefen Wunsch, sich aus der Welt zurückzuziehen. Sie verkörperte jenen Wesenszug, den Charles bei sich nicht auszudrücken vermochte: Ergebenheit und Hingabe.
Henrietta, die Katharina zum ersten Mal nach ihrer Rückkehr nach London im August des Jahres 1662 begegnet war, beschrieb sie in einem Brief an ihre Schwester Christine als eine Heilige. Es verwundert nicht, dass sich Katharina aus allen Hofintrigen herauszuhalten verstand und im Laufe der Jahre im Volk immer größere Beliebtheit genoss. Schon im Dezember 1662 hatte Pepys von Dr. Pierce, dem Leibarzt des Herzogs von York, gehört, dass Katharina »eine äußerst gütige Lady ist und alles [d.h. Barbaras Intrigen] mit der größtmöglichen Sanftmut erträgt«.
Der größte Unterschied zwischen den beiden Königinnen aber war vielleicht der, dass Katharina niemals Mutter wurde. Ihr Körper war der eines Kindes, und es hieß, sie sei unfähig, ein Kind auszutragen. Das war sowohl für sie als auch für Charles ein Grund tiefer Bekümmernis. Als Katharina im Herbst 1663 lebensbedrohlich erkrankte, fantasierte sie in ihren Fieberträumen, sie hätte Zwillinge zur Welt gebracht, einen Knaben und ein Mädchen, und der Knabe hätte dem König bis aufs Haar geglichen. Diese Phantomzwillinge symbolisieren möglicherweise das Verhältnis zwischen Katharina und Charles, wie es wirklich war, nämlich eine Beziehung von Bruder und Schwester. Und nach dem allzu frühen Tod seiner leiblichen Schwester Minette im Jahr 1670 übertrug Charles einen Großteil seiner idealisierten Liebe zu ihr auf Katharina. Gefühlsmäßig war er ihr sehr viel stärker verbunden, als die meisten Beobachter wahrnahmen. Ganz besonders schätzte er an ihr ihre selbstlose Liebe sowie die Tatsache, dass sie auf seine Mätressen nicht eifersüchtig war und seinen unehelichen Kindern mit großer Freundlichkeit begegnete.
Barbara Castlemaine hingegen tat es Charles’ Mutter gleich und setzte Tränen und Wutausbrüche ein, um dem König ihren Willen aufzuzwingen. Ihr beider Verhältnis war ein entwürdigender Machtkampf, noch angeheizt durch eine beiderseitige, geradezu schamlos anmutende Wollust. Manch einer, unter anderem auch die Mutter des Königs, führten Barbaras Einfluss auf den König auf Hexenkräfte zurück, aber ihre Lüsternheit und die fünf Kinder, die sie ihm schenkte, sind wohl doch die wahrscheinlichere Erklärung. Barbara hatte sowohl etwas Gefährliches als auch etwas Pathetisches an sich, und das war eine Mischung, der Charles nicht zu widerstehen vermochte. Sie war eine Bürgerkriegswaise (ihr Vater, Viscount Grandison, war im Dienst des Königs gefallen), und genau wie Nell Gwyn war auch sie schon viel zu früh in die Welt der Erwachsenen eingeführt worden. Barbara war eine Nymphomanin, schlief mit Männern und Frauen, und wenn es um die Befriedigung ihrer sexuellen Lust ging, vergaß diese herrschsüchtige Frau jeden Klassendünkel. Zu ihren Liebhabern zählten ein Schauspieler, ein Seiltänzer, ein Wegelagerer und ein gewalttätiger Bigamist. Zahlreiche andere blieben unerwähnt. Ihren unerhörtesten Skandal aber rief sie hervor, als sie einem toten Bischof den Penis abbiss.2
Pepys, der sie aus der Ferne anbetete, wunderte sich, dass ihre Schönheit ihn dazu verleitete, ihr Verhalten wohlwollend zu beurteilen, »obwohl ich doch sehr wohl weiß, dass sie eine Hure ist«. Er jedenfalls war sich ihrer Anziehungskraft gewiss: »Mylady Castlemaine herrscht, sie beherrscht alle nur erdenklichen Tricks, von denen Aretin berichtet, um lustvolles Vergnügen zu bereiten; der König ist dazu ebenfalls in der Lage, hat er doch einen langen [Penis]. Das Traurige an dem Ganzen ist nur, wie das italienische Sprichwort sagt, cazzo dritto non vuolt consiglio [ein Mann, der gerade eine Erektion hat, ist taub für jeden Rat].« Der König wird in Pepys’ Tagebuch heftig kritisiert, weil er Barbara so abgöttisch liebt und dabei sowohl die Königin als auch die Regierungsgeschäfte vernachlässigt. Pepys missbilligte, dass Charles fast jeden Tag in der Woche bei Barbara zu Abend speiste und man ihn dann in den frühen Morgenstunden nach Whitehall zurückeilen sah, so dass schließlich sogar die Schlosswachen anfingen zu tuscheln.
Ob das Wissen um Barbaras anderweitige Eroberungen den König stimulierte, entzieht sich unserer Kenntnis, als sie es jedoch auf seinen dreizehnjährigen Sohn, den Herzog von Monmouth, abgesehen hatte, gebot er ihr energisch Einhalt. Dass es sich um Eroberungen handelte, steht allerdings außer Frage. Ihre sexuellen Beziehungen zu Männern waren sehr stark durch ein Gefühl der Wut gekennzeichnet, Intimität spielte dabei nur eine geringe Rolle. Es war also weitgehend die gleiche emotionale Gemengelage wie bei Charles und seinen Affären mit dem anderen Geschlecht. Außerdem war sie habgierig und ehrgeizig und drängte den ihr willenlos ausgelieferten König durch Schmeicheleien dazu, ihr ungeheure Besitztümer, Juwelen und Vorrechte zu übertragen, sehr zum Missbehagen von Parlament und Volk. In seinem Tagebucheintrag vom 23. Februar 1662 vermerkte Pepys missbilligend, dass Barbara auf dem letzten Ball reicher mit Juwelen behangen gewesen sei als die Königin und die Herzogin von York zusammengenommen. Ihre Taktik war die eines Tiers, sie setzte ihren Raubtierinstinkt ein, um ihre Macht und ihren Einfluss immer weiter auszubauen. An der eigentlichen Politik aber hatte sie kein Interesse, genauso wenig wie ihr demonstrativer Übertritt zum katholischen Glauben einer tiefen Religiosität entsprang.
Man darf wohl bezweifeln, dass Barbaras fünf Kinder, die Charles als die seinigen anerkannt hatte, tatsächlich alle von ihm stammten, aber sie bedrängte ihn jedes Mal so sehr, dass er schließlich nachgab. Bei ihrem sechsten Bastard allerdings (ihrem gemeinsamen Sohn mit Henry Jermyn, Earl von St. Albans), sprach er ein Machtwort, obgleich sie tobte und drohte, sie würde ihm das Baby nach Whitehall bringen und den Kopf des Kindes vor seinen Augen zerschmettern. »Gott möge mich verdammen, aber Ihr sollt es anerkennen!« Zu diesem Kind bekannte sich der König niemals, doch es verstrichen kaum mehr als zwei Wochen, und schon verfiel er erneut ihrem Zauber. Glauben wir Pepys, so begab sich der König zu ihr, und sie ließ ihn auf Knien um Vergebung winseln und versprechen, dass er sie niemals wieder in solcher Art beleidigen werde. Außerdem »drohte sie ihm, sie werde ihm all seine unehelichen Kinder vor die Tür seiner Privatgemächer führen, und mit ihrer Tyrannei brachte sie ihn fast um den Verstand«.
Sie betätigte sich auch als des Königs Kupplerin, damit sie, selbst wenn der König nicht mit ihr schlief, doch sicher sein konnte, dass er das Bett mit einem Mädchen ihrer Wahl teilte. So behielt sie ihn immerhin indirekt in ihrer Gewalt. Doch im Fall seiner jungen Base Frances Stuart (und später auch bei Nell Gwyn) ging der Schuss nach hinten los. Frances war eine der Brautjungfern seiner Schwester Minette in Paris gewesen, und die hatte sie im Januar 1663 an den englischen Hof gesandt, wo sie im Hofstaat der neuen Königin dienen sollte. Frances war erst fünfzehn Jahre alt und Minette zufolge »das hübscheste Mädchen auf der Welt«. Sobald Barbara bemerkte, dass der König ganz hingerissen war von ihr, nahm sie Frances unter ihre Fittiche und sogar mit zu sich ins Bett. Später ließ Barbara, wie Pepys berichtete, für sich und Frances zum Schein eine Hochzeitszeremonie mit allen Ritualen abhalten. Nach dem Gottesdienst zogen sich die beiden unter den Augen des Hofes ins Bett zurück, und es wurde auch der Strumpf geworfen.3 »Doch man munkelt«, fährt Pepys fort, »dass Mylady Castlemaine, die den Bräutigam spielte, sich wieder erhob und dass der König ihren Platz an der Seite der hübschen Mrs Stuart einnahm.« (Die Anrede »Mrs« war nicht nur verheirateten Frauen vorbehalten, sondern wurde auch für unverheiratete Damen verwandt, um die Anrede »Miss« zu vermeiden, denn mit der war im Allgemeinen die Vorstellung von Mätresse oder Prostituierter verbunden.)
Diese Szene spielte sich knapp einen Monat nach Frances’ Ankunft bei Hofe ab, zu einer Zeit, da Barbara anerkanntermaßen die Stellung der »Miss of State« innehatte, das englische Pendant zur französischen maîtresse en titre. Der Vorfall zeigt auf anschauliche Weise, wie gut Barbara Charles’ abnormes sexuelles Verlangen kannte, beweist aber auch, welchen verzweifelten Einfallsreichtum sie an den Tag legte, um ihre Stellung als Lieblingsmätresse zu wahren. Sie wusste ganz genau, dass der König es hasste, sich durch emotionale Bindungen eingeengt zu fühlen, und dass es ihn nach Abwechslung, Abenteuer und einem Hauch von Exotik in seinem Liebesleben gelüstete. Keine Frau allein, nicht einmal so eine Freibeuterin in Sachen Sex wie Barbara, konnte darauf hoffen, all seine amourösen