Auf dem Lande alles dicht?. Mieste Hotopp-Riecke

Auf dem Lande alles dicht? - Mieste Hotopp-Riecke


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Während „die Jugend“ heute in ihrer Gesamtheit zu einer der reichsten Generationen seit Jahrzehnten gehört, wird ein Drittel dieser Generation vom Reichtum und den Chancen der postmodernen „Multioptionsgesellschaft“ systematisch ausgeschlossen. Viele Junge fühlen sich schon mit 13, 14 Jahren überflüssig in dieser Gesellschaft. Und auch die Schule ist bis heute strukturell nicht in der Lage bzw. willens, da gegenzusteuern und eine Anerkennungskultur zu entwickeln, die Schüler*innen für gute Leistungen belohnt statt für Versagen bestraft und herabwürdigt. Respekt ist nicht zufällig ein Schlüsselwort fast aller Jugendkulturen. Respekt ist das, was Jugendliche am meisten vermissen. Viele Erwachsene, klagen Jugendliche, sehen Respekt als Einbahnstraße an. Sie verlangen von Jugendlichen, was sie selbst nicht zu gewähren bereit sind, und beharren eisern auf ihre Definitionshoheit, was anerkennungswürdig sei und was nicht: Gute Leistungen in der Schule werden belohnt, dass der eigene Sohn aber auch ein exzellenter Gitarrist ist, die Tochter einen vielbesuchten Blog gestaltet, interessiert zumeist nicht – es sei denn, um es zu problematisieren: Bleibt da eigentlich noch genug Zeit für die Schule? Musst du immer so extrem herumlaufen, deine Lehrer finden das bestimmt nicht so gut … Noch nie war die Erwachsenenwelt derart desinteressiert an der Kreativität, den Leidenschaften ihrer „Kinder“. Dabei weiß doch nicht nur jede*r gute Lehrer*in, welche Schüler*innen am meisten Stress verursachen: die Gleichgültigen, die, die sich für gar nichts interessieren, die keine Leidenschaft kennen, für nichts zu motivieren sind. Schule braucht heute nicht nur motivierte – und damit auch professionell ausgebildete und gut bezahlte – Lehrer*innen, sondern auch engagierte, kreative, selbstbewusste Schüler*innen. Und Eltern, die dies unterstützen, fordern, zulassen und nicht die Schule verklagen, weil ihr Kind eine schlechte Note erhalten hat.

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       Wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen: Wenn die Leute in 25 Jahren erwartungsgemäß auch über „die heutige Jugend“ schimpfen, welches werden dann die Hauptprobleme sein?

      Die gleichen wie heute: Auch die Jugend der Zukunft wird als respektlos und unpolitisch gelten, als konsum- und markenverliebt; sie wird zu viel Rauschmittel nehmen und sich zu wenig engagieren; statt gute Bücher zu lesen, wird sie weiterhin die Sprache in Comics, Chatrooms, SMS-Botschaften und noch kommenden neuen Kommunikationsmedien verstümmeln; statt reale Beziehungen zu knüpfen, wird sie autistisch vor dem PC sitzen und virtuelle „Freunde“ in Sozialen Netzwerken sammeln. Denn man muss kein Psychoanalytiker sein, um zu erkennen, dass die Erwachsenengesellschaft ihre eigenen Sündenfälle und Problemlagen gerne auf „die Jugend“ überträgt. Betrachten wir „die Jugend“ von heute, dann wissen wir, was „die Eltern“ von morgen ihren Kindern in die Schuhe schieben werden.

      Dies ist eine ergänzte Fassung des Interviews von Lucia de Paulis vom 22. Februar 2020 (Treffen von Klaus Farin mit Südtiroler Jugendarbeitern, Plattform-Netzwerktreffen vom netz I Offene Jugendarbeit, Jugendzentrum Fly in Leifers, 13.02.2020), veröffentlicht in der Reihe Picobello, einer salto.bz-Reihe über Jugendkultur in Südtirol, s.a.: https://www.salto.bz/it/article/18022020/interview-mit-klaus-farin [11.04.2020]

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      Die Idee vom Dazugehören

      Prasanna Oommen

       Auf der einen Seite steht der rechte Heimatbegriff, das Narrativ einer rückwärtsgewandten homogenen Mehrheitsgesellschaft. Demgegenüber steht eine gesellschaftliche Realität, die eine unumkehrbare Vielfalt und damit die Neuen Deutschen repräsentiert. Einen Heimatbegriff dafür gibt es in der Mitte der Gesellschaft noch immer nicht. Kann Kulturelle Bildung Brücken bauen? Nicht solange sie Mechanismen reproduziert, die Menschen ausschließen und ihnen Anerkennung und Zugehörigkeit verwehren.

      Mein Heimatbegriff ähnelt dem Bild einer ewig unglücklichen Liebe: Trotz großer Gefühle führte häufiges Infragestellen irgendwann zu einer distanzierten Haltung. Dies wiederum ermöglichte mir einen anderen, freiheitlichen Blick auf meine Heimat. Der jüdischstämmige Medientheoretiker Villem Flusser war ein Widerständler gegen den traditionellen ortsgebundenen Heimatbegriff: „Ich wurde in meine erste Heimat durch meine Geburt geworfen, ohne befragt worden zu sein, ob mir dies zusagt. Die Fesseln, die mich dort an meine Mitmenschen gebunden haben, sind mir zum großen Teil angelegt worden. In meiner jetzt errungenen Freiheit bin ich es selbst, der seine Bindungen zu seinen Mitmenschen spinnt, und zwar in Zusammenarbeit mit ihnen.“ Als ich diese Sätze zum ersten Mal hörte, schienen sie mir wie für „uns“ gesprochen. Für die Kinder mit migrantischen Wurzeln, die hier stets zu wenig waren. Zu wenig deutsch, türkisch, italienisch, indisch, spanisch, koreanisch etc.

      Flusser ging noch weiter, er empfahl Migrant*innen die aktive Rolle der Brückenbauer*in. Doch genau hier tat sich ein Dilemma auf: Mir und vielen anderen mit ähnlichen biografischen Bezügen war genau diese Rolle oft mehr als unangenehm. Unter anderem, weil ich eine Seite der Brücke nicht im Geringsten kannte, sondern mich vielmehr auf das Hörensagen der Eltern verlassen musste. Ich verstand zunehmend, dass wir, die „Neuen Deutschen“, Verantwortung für die eigene Beheimatung übernehmen mussten. Heute, 47 Jahre nach meiner Geburt in einem Land, das nicht die originäre Heimat meiner Eltern ist, bin ich überzeugt, dass es für ein echtes Zugehörigkeitsgefühl von zentraler Bedeutung ist, in der Mehrheitsgesellschaft willkommen zu sein – inklusive der eigenen kulturellen Prägung. Der Schriftsteller Navid Kermani beschreibt die Bedeutung des gesellschaftlichen Miteinanders für sein Heimatgefühl folgendermaßen: „Heimat hat für mich nichts mit Nation zu tun, sondern mit meiner unmittelbaren Lebenswirklichkeit. Die Freunde, die Sprache, was mich jeden Tag beschäftigt.“ Dies bildet sicher einen Teil positiver Heimaterfahrungen ab. Aber aus meiner Sicht sind sie unvollständig, da sie das mangelnde WIR-Gefühl in unserer diversifizierten postmigrantischen Gesellschaft ignorieren und auch wichtige Fragen außen vorlassen: Wer darf wirklich dazugehören und welche Stimmen wollen (sollen?) gehört werden?

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      Und


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