Die Chroniken Aranadias I - Die Tochter des Drachen. Daniela Vogel

Die Chroniken Aranadias I - Die Tochter des Drachen - Daniela Vogel


Скачать книгу
und setzen mich zurück auf den Schemel. Roxane lachte. Sie lachte wieder so, als wäre sie der Teufel in Person. Ich zuckte zusammen. »Ihr wart lange Zeit mein Gast! Mal sehen ... ich glaube, es sind neun Monate.« Ich spürte, dass sie jedes ihrer Worte genoss und ich konnte einfach nur hilflos da sitzen und ihr zuhören. »Wie ich hörte, geht es Eurer Familie bestens!« Gott Lob, sie hatte meiner Frau und meinen Söhnen nichts angetan. Tränen liefen mir über die Wangen. »Tränen? So glücklich? Ich werde Euer Glück noch vergrößern. Eure Frau hat im letzten Monat einer kleinen Tochter das Leben geschenkt. Ich möchte Euch dazu gratulieren. Es wäre doch so schön dieses kleine, zerbrechliche Geschöpf in den Armen halten zu können! Nur schade, dass Ihr die kleine Edwina nie zu Gesicht bekommen werdet!« Da war es wieder, dieses Lachen. »Ihr wollt Eurer Frau doch nicht etwa die Ehre erweisen, wieder in ihr Leben zu treten, zumal ich ihr, mein tiefes Bedauern über Euren Tod ausgesprochen habe. Außerdem ist sie, Dank meiner freundlichen Hilfe, seit Kurzem die Frau meines neuen Hoflieferanten. Ihr wollt doch keine Dummheit begehen und meine Worte Lügen strafen.« Ich bekam eine Gänsehaut. Ich war Vater geworden und wusste es nicht einmal. Meine Frau hatte erneut geheiratet in der Annahme ich sei tot. Und ich saß hier, vor dieser Hexe und musste mir so kurz vor meinem Ableben ihre Ausführungen anhören. Nichts schien mir noch wichtig. Meine Familie war für mich verloren. Ich war so gut, wie tot, aber was mich am meisten kränkte, warum hatte diese Hexe mich nicht einfach so in meiner Zelle sterben lassen, warum musste sie mir vor meinem Ende das alles noch erzählen?«

      »Habt Ihr nachgeprüft, ob die Königin Euch auch die Wahrheit sagte, als sie Euch über diese Vorkommnisse in Kenntnis setzte?«

      »Wie könnt Ihr mich so etwas nur fragen?«, Edward war außer sich. »Sicher sprach sie die Wahrheit. Es war nicht einmal schwer, alles nachzuprüfen. Schaut mich doch an! Als mich meine Frau zuletzt sah, war ich ein junger Mann, jetzt bin ich ein Greis, den nicht einmal seine eigene Mutter erkennen würde. Ich ging zu unserem Haus. Dort sah ich sie und die Kinder. Sie trug die Kleine auf dem Arm. Ihr Mann trat aus dem Haus und küsste sie zärtlich. Es brach mir fast das Herz, sie mit einem anderen in unserem Haus zu sehen. Meine Frau schien glücklich zu sein. Ich beobachtete sie eine ganze Weile vom Tor unseres Hauses aus. Als sie mich sah, warf sie mir einen Dukaten zu. »Hier Alter«, rief sie, »geh und kaufe dir etwas zu essen und trink dir einen, auf unser Wohl.« Alles, was ich noch tun konnte, war einfach zu gehen. Ich konnte und wollte ihr nicht sagen, wer in Wahrheit vor ihr stand. Ich wünschte mir, die Erde würde sich öffnen und mich in die Tiefe ziehen. Ich fühlte mich so erbärmlich.«

      Ruben schlug mit der Faust auf den Tisch.

      »Wieso fühlt Ihr Euch erbärmlich? Sie müsste sich erbärmlich fühlen. Überlegt doch einmal, was sie Euch alles angetan hat. Roxane spielt mit den Menschen. Es ist so ihre Art. Das Schlimme daran ist, dass sie auch die Macht dazu besitzt. Sie hatte niemals vor, Euch zu töten und sie wollte Euch auch nicht in diesem Loch verrotten lassen. Alles, was sie wollte, war Euch zu zerbrechen. Doch anscheinend ist ihr das nicht vollständig geglückt.« Ruben sah Edward in die Augen. Der Andere erwiderte seinen Blick und nickte.

      »Das, mein junger Freund, wird ihr niemals gelingen.« Jetzt war es Ruben, der nickte. Dann beendete de Tourance seine Geschichte.

      »Meine Augen gewöhnten sich zunehmend an das Licht. Ich konnte nun einzelne Personen in dem Raum erkennen. Roxane war nicht allein. Neben ihr stand de Beriot, selbstgefällig grinsend. Auch die Königin verzog ihr Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. Ich war ihnen ausgeliefert und das wussten sie nur zu gut. Roxane stand im Schein einer Fackel, in deren Licht ihre Haare wie Feuer glühten. Sie sah aus, wie eine Ausgeburt der Hölle, mit dem Gesicht eines Engels. Entsetzt starrte ich sie an, dann bekreuzigte ich mich. Meine Angst lähmte mich. Ich fragte mich, was sie wohl noch mit mir vorhatte, denn eines war mir klar, ihre Ausführungen waren erst der Anfang und nicht das Ende. Wieder ertönte ihr schrilles Lachen. »Habt Ihr Angst? Das ist auch berechtigt und gut! Ihr glaubt gar nicht, wie die Angst den Geist beleben kann. Es ist mir eine Freude, Euch mitzuteilen, dass Ihr es gleich überstanden habt!« Ich dachte, endlich bringt sie es zu Ende und lässt mich sterben. Aber, ich irrte mich. »Wisst Ihr eigentlich, welch stattlicher junger Mann Ihr seid. Gut, Eure Haare sehen jetzt ein bisschen wild aus und Euer Gesicht wird etwas von diesem schrecklichen Bart, der Euch während Eures Aufenthaltes hier gewachsen ist, verunstaltet, aber noch vor neun Monaten, hätte ich Euch ohne zu zögern in mein Bett gelassen.« Ich verstand absolut nichts mehr. Was wollte sie wirklich von mir. Langsam kam sie auf mich zu, ergriff meine Haare und zog meinen Kopf in den Nacken, sodass ich ihr in die Augen blicken musste, dann küsste sie mich wild und fordernd auf den Mund. De Beriots Lachen tönte durch den ganzen Raum. »Armer, kleiner Kaufmann! Ihr ward zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich kann nicht zulassen, dass Ihr mein kleines Geheimnis überall herum erzählt. Aber keine Sorge, so schlimm wird es nicht werden.« Sie küsste mich erneut. Ich hoffte inständig, dass sie dem Ganzen endlich ein Ende setzen würde, und meine Hoffnungen wurden, so dachte ich jedenfalls, erfüllt. De Beriot übergab ihr einen Kelch, aus dem es verdächtig dampfte. Gift, dachte ich. Gott war gnädig mit mir. Sie wollte mich anscheinend vergiften. »Trinkt das!« Sie setzte den Becher an meine Lippen. Gierig ließ ich den Trank durch meine Kehle laufen. Mit jedem Schluck spürte ich, wie er tiefer in meinen Körper eindrang. Meine Haut begann zu glühen. Ich betete zu Gott und dankte ihm, für die schnelle Erlösung. Als ich den Kelch vollständig gelehrt hatte, gab Roxane ihn zurück an de Beriot. Beinahe liebevoll wischte sie mir über den Mund, dann küsste sie mich erneut. »Ich wünsche Euch, dass Euer weiteres Leben, etwas anders verläuft, als die letzten neun Monate. Genießt es, denn lange, wird es nicht mehr dauern!« Mit diesen Worten drehte sie sich um, und ging auf de Beriot zu, dann betrachteten die beiden mich schweigend. In diesem Moment rebellierte mein Körper. Er verkrampfte sich und ich konnte mich nicht länger auf meinem Hocker halten. Ich fiel auf den Boden und krümmte mich vor Schmerzen.

      »Endlich!«, hörte ich de Beriot sagen. »Warum machst du immer so ein Theater darum? Du hättest ihm den Trank auch einfach in den Schlund schütten können, dann wäre alles schon lange erledigt!«

      »Lass mir mein Vergnügen! Es ist wesentlich aufregender, wenn man ihnen vorher die Angst vor dem Tod nimmt. Sie wissen ja nicht, was man wirklich mit ihnen vorhat, diese armen Schafe!« Trotz meines Kampfes verstand ich jedes ihrer Worte. Ich schrie. Ich wollte sie Fragen, was sie mir angetan hatten, aber aus meinem Mund kamen nur noch gurgelnde Laute. Ich war nicht mehr fähig, zu sprechen. Mir wurde zunehmend bewusst, dass das, was sie mir gegeben hatte, mich nicht umbringen würde, aber, was geschah dann mit mir. Kalter Schweiß brach mir aus. Mein Körper wurde durch die Krämpfe immer heftiger geschüttelt. De Beriot und Roxane starrten mich derweil immer erregter an. Ich begriff einfach nicht, was mit mir vor sich ging. Ich bat Gott, er solle mir gnädig sein und fügte mich in mein Schicksal. Wie lange mein Kampf gedauert hat, kann ich nicht mehr sagen, denn irgendwann verlor ich das Bewusstsein.

      Als ich wieder zu mir kam, lag ich in Lumpen gekleidet im Schnee auf einer Straße in Andrass. Ich lebte, aber, irgendwie hatte ich dennoch das Gefühl, dass etwas nicht mit mir stimmte. Ich fühlte mich müde. Meine Glieder waren schlaff und schmerzten. Benommen rappelte ich mich auf. Ich beschloss, zum Hafen hinunter zu gehen. Dort, so dachte ich, würden sich vielleicht einige Leute finden lassen, die mich erkannten. Ich war ja noch nicht einmal ein Jahr fort gewesen. Aber, als ich am Hafen ankam, erkannte mich niemand. Ich verstand das alles nicht, zumal ich selbst einen großen Teil der Anwesenden kannte. Ich sagte ihnen: »Schaut her, ich bin zurück! Erkennt Ihr mich etwa nicht? Ich bin es, Edward!« Sie, aber, brachen in Gelächter aus und nannten mich einen senilen Alten, der nicht mehr wüsste, wovon er überhaupt spräche. Ich traf alte Freunde und Bedienstete, doch, egal wem ich meine Geschichte auch erzählen wollte, alle hielten mich für verrückt. Sie meinten, Edward sei ein junger Mann gewesen, ich aber wäre ein alter Greis, ich solle keine Geschichten erzählen und mich sputen, sonst würden sie die Dinge auf ihre Art regeln. Resigniert schlich ich davon. Nach einer Weile entdeckte ich einen Zuber voll Wasser. Die Sonne brach sich in der glatten Oberfläche und ich konnte mein Spiegelbild erkennen. Ich bekam einen solchen Schreck, dass ich wütend gegen den Holztrog trat. Die Flüssigkeit ergoss sich über den Boden und lief mir über die fast nackten Beine. Ich beobachtete das Rinnsal, wie es sich seinen Weg über meine Füße suchte, über den Boden lief und dann in der Erde versickerte. Genauso war ein Teil meines


Скачать книгу