Die Chroniken Aranadias I - Die Tochter des Drachen. Daniela Vogel

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Es ist Euer Risiko. Ich kann Euch zu nichts zwingen, aber ich verspreche Euch, wenn wir hier mit heiler Haut davonkommen, dann werde ich sehen, was ich für Euch tun kann! Ich möchte nicht, dass Ihr mich wieder falsch versteht, denn ich würde mich glücklich schätzen, Euch dann auch einen Gefallen zu erweisen! Wollt Ihr einschlagen?« Ruben streckte dem Alten seine Hand entgegen. Edward zögerte, dann grinste er breit. Seine Zähne waren, wieder Erwarten, makellos weiß und noch vollständig vorhanden, was in solch einem alten Gesicht äußerst seltsam aussah.

      »In Anbetracht der Tatsache, dass ich sowieso nichts mehr zu verlieren habe ...!«, er nickte. Schließlich ergriff er Rubens ausgestreckte Hand.

      »Vorerst habe ich noch keine Ahnung, womit wir beginnen sollen, deshalb bitte ich Euch, bleibt unser Gast! Wir werden sehen, wohin uns das alles hier führt! Marcus zeige dem Mann sein Quartier. Ihm soll es an nichts fehlen!«

       Kapitel 6

      »Hier ist das Wasser!«, Archibald kniete noch immer neben dem Gefangenen, der nun in eine dicke Decke gehüllt auf dem Boden lag.

      »Gut! Stellt es auf das Feuer. Es muss kochen.« Er ließ sich nicht das Geringste anmerken, genauso als hätte das Gespräch der Männer in Wirklichkeit nie stattgefunden. Rilana hielt inne, dabei wanderte ihr Blick auf die Feuerstelle. Die Männer hatten sie mit frischem Holz neu entfacht und inmitten der gleißenden Glut lag ein Dolch. Er befand sich wahrscheinlich schon eine ganze Weile in den heißen Flammen, denn seine Klinge schimmerte bereits rötlich.

      »Was wollt Ihr mit dem Dolch?«

      »Wolltet Ihr nicht, dass wir ihm helfen?« Rilana schluckte. Nicht auch noch das! Das konnte er nicht ernst meinen. So barbarisch war er nicht. Oder etwas doch?

      »Ja, aber ...«, Rilana zögerte. Sie benötigte eine Weile, um sich von Anblick des glühenden Metalls loszureißen, dann entgegnete sie ihm: »Wisst Ihr, ich werde aus Euch einfach nicht schlau! Warum tut Ihr das jetzt?« Archibald blickte zu ihr auf.

      »Warum mache ich was?«

      »Vor nicht allzu langer Zeit hat es Euch noch nicht einmal geschert, dass er beinahe im Schnee erfroren wäre und jetzt ...?«, Archibald antwortete ihr auch diesmal nicht. Stattdessen ließ er seinen Blick wieder zu dem Gefangenen wandern und fragte dann beiläufig, während Rilana den Kessel auf das Feuer stellte.

      »Wir brauchen Stoff, um die Wunde auszuwaschen und zu verbinden! Tragt Ihr einen Unterrock?« Ob sie einen Unterrock trug? Was für eine Frage! Sicher trug sie Unterröcke. Erneut sah er sie an. »Was ist? Warum guckt Ihr so? Steht nicht einfach bloß herum! Zieht ihn aus und zerreißt ihn!« Archibald wurde langsam ungeduldig. Doch anstatt sich zu bewegen, blieb Rilana neben dem Feuer stehen und blickte dem Älteren geradewegs ins Gesicht.

      »Beantwortet mir zuerst meine Frage! Warum wollt Ihr ihm jetzt auf einmal helfen? Soweit ich mich erinnern kann, soll er doch sowieso direkt nach unserem Eintreffen im Schloss hingerichtet werden!« Ihre Stimme klang herausfordernder, als sie beabsichtigt hatte. »Euer Freund,« sie deutete auf Wilbur, »freut sich doch schon so ungemein darauf. Wieso lasst Ihr nicht von ihm ab? Egal auf welche Weise, sterben wird er so oder so! Ich persönlich finde den Tod im Schlaf wesentlich angenehmer, als den Tod durch Folter oder einen Henker! Lasst ihn einfach liegen und die Natur wird den Rest schon besorgen! Ihr werdet sehen, die Sache erledigt sich, wie von selbst!«

      »Woher kommt Euer Sinneswandel? Wer hat mich denn geradezu angebettelt, sein Leben zu retten? Wer wollte denn, dass wir ihn aus der Kälte ans Feuer holen? Und wer, frage ich Euch, wollte dann auch noch, dass seine Wunden versorgt werden?«

      »Da wusste ich auch noch nicht, was ich jetzt weiß!« Rilana schwieg.

      »Ihr habt gelauscht!«

      »Nein, habe ich nicht! Aber Eure Unterhaltung war ja wohl kaum zu überhören. So wütend, wie Eure Männer sind! Ich nehme an, dass jeder im Umkreis, von Gott weiß, wie vielen Meilen, einen Teil davon mitbekommen hat.«

      »Das tut mir leid. Das Gespräch war nicht für Eure Ohren bestimmt!«

      »Ich weiß!«, gab sie zurück. »Doch ... Stimmt es, was Eure Männer behaupten?« Wieder antwortete er nicht, sondern widmete sich stattdessen abermals dem Gefangenen.

      Er warf die Decke beiseite, unter der Raoul beinahe vollständig nackt und ungefesselt lag. Trotz der Wärme sah er mehr den je, wie eine Statue aus. Seine Haut wirkte wächsern und hatte jedwede Farbe verloren. Und dennoch war sein Körper einfach nur schön. Verdammt, Rilana!, schalt sie sich selbst im Stillen. Er ringt hier mit dem Tod und du ... Was bist du? Ich erkenne mich selbst nicht wieder.

      Archibald betastete nun Raouls Wunde. Er drückte mit den Fingern die Ränder um den Pfeilschaft auseinander, sodass eine gelbe Flüssigkeit austrat. Vorsichtig tauchte er einen seiner Finger hinein und roch daran. Dabei bemerkte er, dass Rilana ihn die ganze Zeit beobachtete. »Was ist jetzt? Zieht Ihr Euren Rock aus und zerreißt ihn, oder nicht?« Rilana tastete nach ihrem Unterkleid.

      »Ihr habt mir immer noch nicht geantwortet!«, sie startete einen neuen Versuch, die Unterhaltung fortzuführen.

      »Ihr auch nicht!«

      »Seht Euch den Jungen doch einmal genau an! Wie alt schätzt Ihr ihn? Vielleicht vier Jahre älter, als ich selbst!?«, sie nahm ihm dadurch seine Antwort vorweg. »Er ist noch kaum seinen Kinderschuhen entwachsen und Ihr wollt ihn dem Henker übergeben!« Sie verzog angewidert das Gesicht. »Wie viele der im Schloss lebenden Laffen haben mir schon angedroht, mich zu entführen, wenn ich sie nicht erhöre? Wollt Ihr sie auch direkt dem Scharfrichter übergeben? Soweit ich mich erinnern kann, haben ihr affektiertes Gehabe und ihre Worte Euch damals königlich amüsiert. Ihn aber wollt Ihr gleich töten!«

      »Es besteht ein Unterschied darin, was man sagt und dann schließlich auch tatsächlich tut! Diese Burschen hätten Euch niemals entführt! Sie haben alle viel zu große Angst vor Eurer Mutter!«

      »Muss Mut dann nicht belohnt werden?« Archibald stutze. Dahin also führte ihre Unterhaltung. Während sie mit ihm redete, hatte sie scheinbar zufällig ihr Unterkleid auf den Boden fallen lassen. Es lag nun achtlos neben dem Feuer.

      »Macht Streifen daraus!«, er deutete auf den Rock. »Einige werft in den siedenden Kessel die anderen gebt mir!«

      »Warum? Es hat doch eh keinen Sinn! Warum hier sein Leben retten, um ihn dann noch größeren Qualen auszusetzen? Dann lasse ich ihn lieber hier und jetzt sterben, bevor ich noch einmal zulasse, dass sich Euer Freund um ihn kümmert!«

      »Siehst du, was habe ich dir gesagt?« Werfried wandte sich mit einem schadenfrohen Grinsen an Wilbur, der nur mit einem angewiderten »Umpf«, auf den Kommentar seines Kumpans reagierte. Rilana beachtete die beiden Männer jedoch nicht weiter, sondern verschränkte die Arme vor ihrer Brust, dabei funkelten ihre Augen den Älteren kampflustig an. Sie stand da, wie eine Mischung aus trotzigem Kind und Racheengel.

      Archibald war bewusst, dass sie das, was sie sagte, auf keinen Fall auch so meinte. Sie hatte sich anscheinend eine Taktik zurechtgelegt, um ihn aus der Reserve zu locken und langsam fing er auch an zu begreifen, worauf sie hinaus wollte. Eins musste man ihr lassen, sie war äußerst geschickt.

      »Helft mir! Er hat mir nichts, aber auch gar nichts getan, was solch eine Strafe rechtfertigen könnte. Ich will ihn nicht zum Mittelpunkt eines Schauspiels machen, das für ihn der Hölle gleichkäme!«

      »Und wie soll ich Euch helfen?«

      »Tötet ihn! Oder ...!«, ihre Stimme wurde leise. »Lasst ihn gehen!«

      »Ihn gehen lassen?«, Wilbur war entsetzt aufgesprungen. »Frau, ich verstehe Euch nicht! Wollt Ihr uns zum Narren halten? Was denkt Ihr Euch, oder könnt Ihr gar nicht denken? Seid Ihr von Sinnen? Ich glaube, Eure Entführung hat Euch den Geist vernebelt!«

      »Wilbur!« Archibald schrie ihn förmlich an. »Das reicht! Entschuldige dich bei der Prinzessin!« Wilbur zuckte mit den Schultern und ließ sich dann auf seinem Platz nieder, dabei schnaufte er, wie ein altes Walross. »Verzeiht ihm! Er hat


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