Handbuch Fahrrad und E-Bike. Michael Link W.

Handbuch Fahrrad und E-Bike - Michael Link W.


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      Das Mountainbike wurde in den 1970er-Jahren in Kalifornien erfunden, um damit schnell Waldpisten und Schotterstrecken hinunterzurasen. Erfunden haben soll es unter anderen der ehemalige Radrennfahrer und Zweiradmechaniker Gary Fisher, der gleichzeitig Namensgeber der späteren Fahrradmarke wurde. Fisher und sein Freund Joe Breeze bretterten mit umgebauten Beach Cruisern einen Berg im Marin County in der Bay Area von San Francisco hinunter. Später kam Tom Ritchey hinzu, dessen Name heute noch für hochwertige Anbauteile an Fahrrädern steht. Ende der 1970er-Jahre konstruierte Tom Ritchey erstmals ein geländetaugliches Fahrrad mit eigenständigem Rahmen – es sollte der Namensgeber für das Mountainbike schlechthin werden.

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      Urform des Mountainbikes, wie sie in den USA entstand: der „Stumpjumper“(1981) – das erste massenproduzierte Mountainbike von Specialized

      Ritchey entwickelte seinen tourentauglichen Rahmen weiter, es kamen Gangschaltungen und Steuerelemente am Lenker hinzu, und es gab Firmen, die auch Mountainbikes herstellten, wie Specialized und Cannondale. Shimano und SunTour konstruierten Anbauteile; langsam wuchs der Markt. Mitte der 1980er-Jahre boomte das Segment, dann auch in Europa. Seither haben sich Mountainbikes als eine Art Innovationstreiber im Fahrradbereich gezeigt. So stammen zum Beispiel die V-Bremsen, gefederte Vorderradgabeln, Scheibenbremsen und Hinterbaufederungen aus dem Mountainbike-Segment. Auch das Anwachsen der Zahnkränze am Hinterrad rührt daher. 1982 etwa präsentierte Shimano seine heute noch verkaufte Deore-Schalt- und Bremsgruppe für Mountainbikes.

      In den 1990er-Jahren explodierte der Markt dann förmlich, Aluminium ersetzte Stahl als Rahmenmaterial, die Rahmen wurden zunehmend in Taiwan hergestellt, Rahmenformen und Modellvielfalt nahmen enorm zu.

      Die Typen zu unterscheiden, fällt immer schwerer. War früher ein Mountainbike ein Fahrrad mit dicken Reifen, muss man sich heute zwischen den unterschiedlichsten Modellen entscheiden.

       image Ausgeklügelte Federungssysteme

      An Mountainbikes haben sich die ausgeklügeltsten Federungssysteme für die Gabel und den Hinterbau entwickelt. Vorn herrschen einstellbare Gabeln vor, die besseren sind ölgedämpft, die einfacheren mit Luft. Am Hinterbau unterscheidet man grundsätzlich Eingelenk-, Mehrgelenk- und Viergelenk-Hinterbauten.

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      •Bei Eingelenk-Hinterbauten ist der Hinterbau, der das Rad führt, nur mit einem Gelenk meist am Tretlager befestigt. Die Federung spricht sensibel an, ist aber nicht so seitensteif wie ein ungefedertes Hinterrad. Man kann bei starkem Tritt leichte Verwindungen im Rahmen bemerken. Dafür ist sie nicht wartungsintensiv.

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      •Die Mehrgelenk-Hinterbauten sind an insgesamt vier Punkten gelagert und stützen das Hinterrad sehr gut ab, sodass der Hinterbau steif steht. Um diese Federung muss man sich schon häufiger kümmern.

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      •Viergelenk-Hinterbauten verfügen im Vergleich zum Mehrgelenk-Hinterbau über einen zusätzlichen Drehpunkt an der Kettenstrebe. Dadurch federt das Hinterrad ziemlich senkrecht nach oben. Der Hinterbau ist sehr steif, aber auch wegen der vielen Drehpunkte und Hebelchen wartungsintensiv.

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      •Daneben gibt es noch das VPP-System (Virtual Pivot Point). Es besitzt zwei Gelenke kurz hinter der Tretlagerachse und zwei weitere Gelenke am Dämpfer unter dem Oberrohr oder direkt über dem Tretlager. Dieses System gilt als sehr steif und verhindert deutlich das Wippen beim Fahren. Je nach Modell bieten sich kleine Unterschiede. Der MTB-Hersteller Santa Cruz verwendet diese Systeme zum Beispiel. Die Verbindung des Dämpfers am Oberrohr wird bei agilen Bikes verwendet, geht es in schwieriges Gelände, ist die Anbindung unten besser, weil sie etwas träger anspricht.

      Sowohl die Federung als auch die Dämpfung der Systeme sind den persönlichen Erfordernissen anpassbar. Das geschieht per Luftdruck oder bei einfacheren Systemen mechanisch.

       image Die Mountainbike-Typen

      Mountainbikes waren seit ihrer Erfindung Innovationsträger (siehe Infokasten „Die Erfindung des Mountainbikes“, links, Seite 36), und das sind sie auch heute noch. Ihre Federgabeln sind abhängig vom Terrain verstellbar, seit 2019 auch elektronisch. Bosch hat mit dem Federgabelspezialisten Fox das elektronische Steuerungssystem „eSuspension“ für Federgabel und Hinterbau-Federung entwickelt und setzt es ein. Der amerikanische Experte Sram bietet mit seinem „AXS-System“ eine elektronische Verstellung auch der Sattelstütze an. Das ist für Downhill-Fahrten – also bergab – praktisch, während derer man aus Stabilitätsgründen tiefer und damit sicherer sitzt.

      Als Rahmenmaterial für Mountainbikes wird Aluminium benutzt, im höherpreisigen Segment ist aber immer mehr Carbon im Einsatz. Stahlrahmen findet man bei kleineren Spezialherstellern wie etwa Veloheld aus Dresden.

      Je nach Einsatzzweck kann man Mountainbikes grob in vier Kategorien unterteilen:

      •Allround- oder All-Mountainbike

      •Tour- und Cross-Country-MTB

      •MTBs nur zum Abfahren („Downhills“)

      •Enduro-Mountainbikes

       INFO

       Federgabeln und Dämpfer am Mountainbike

      Jede Federung hat den Zweck, die Bodenhaftung des Rades zu garantieren – ohne Federung könnten Mountainbikes auf ihren holprigen, von Wurzeln, Steinen oder Kanten geprägten Wegen kaum fahren, zumindest nicht so flott und komfortabel. Jedes Federsystem besteht aus einem Federungs- und einem Dämpfungssystem. Die Federung sorgt für das Ein- oder Ausfedern des Rades, die Dämpfung dafür, dass dies nicht zu abrupt, sondern kontrolliert geschieht. Wäre sie nicht da, würde ein Rad über Unebenheiten nur springen.

      Die Federung ist heute meist luftgefüllt und kann mit speziellen Luftpumpen härter gemacht werden. Wenn sie mit Stahlfedern arbeitet, ist die Härte der Federung meist mechanisch einstellbar, zum Beispiel mit einer Rändelschraube. Die Dämpfersysteme funktionieren mit Öl; auch sie können eingestellt werden.

      Alle Federsysteme zeichnet ein negativer Federweg aus, jenes Einfedern, das allein durch die Belastung des Rades entsteht – es federt etwas ein. Beim Überfahren von Löchern zum Beispiel kann das System dann ausfedern und die Unebenheit ausgleichen.

       image Allround-Mountainbikes

      Sie sind meist voll gefedert und können von einfachen Touren bis zu anspruchsvollen Geländefahrten eingesetzt werden. Zuverlässigkeit und Fahrkomfort stehen im Vordergrund, deshalb haben sie einen relativ großen Federweg von 120 bis 160 Millimeter. Für Fahrten bergauf können die Federgabel vorn und die Federung hinten blockiert werden, wodurch nicht so viel Pedalkraft verloren geht. Dies geschieht bei den meisten Modellen manuell, indem man an Gabel und Hinterbau-Federung eine Sperre aktiviert. Mit den vollgefederten Allround-Bikes werden auch schwierige Trails im Gelände befahren


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