THE BOYS OF SUMMER. Richard Cox H.
gewesen sein«, meinte Juan. Er schien das, was passiert war, offenbar irgendwie komisch zu finden. »Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, warum sonst irgendjemand Trockenbaustangen verbrennen sollte. Sie vielleicht?«
Adam war sich nicht sicher, was er darauf antworten sollte.
Kapitel 9
Mit seinen neununddreißig Jahren konnte sich Bob Steele nicht länger als Sportler bezeichnen, oder auch nur als gesund, und das war eine echte Schande, wenn man bedachte, dass er im Sport einst nach Größe gestrebt hatte. Wenn es jemals einen Zeitpunkt gegeben hatte, an dem man sich an diesen längst vergangenen Ruhm erinnern sollte, um ihn in etwas Produktives zu verwandeln, dann war es heute Abend. Stattdessen fühlte sich Bob, als ob alle Zellen in seinem Körper, von den Strähnen seines schütteren Haares bis zu den Spitzen seiner arthritischen Zehen vor Erschöpfung stöhnten. Als er in den Rückspiegel schaute, starrten ihn gelbe Augen an. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, aber er konnte nicht genau sagen, was es war. Die Halluzinationen, die ihn jetzt fast täglich quälten, verwirrten sein Bewusstsein so gründlich, dass er inzwischen nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden konnte.
Verzweiflung war nicht ungewöhnlich in diesem vergessenen Teil der Welt, aber manchmal hatte Bob das Gefühl, dass sein persönliches Versagen und seine ständigen Enttäuschungen, ihm von einer äußeren Kraft aufgezwungen wurden. Sein größter Ehrgeiz – den er schon seit frühester Kindheit hatte – war, dass er ein besseres Leben führen würde als sein Arschloch von Vater, und dort Erfolg haben würde, wo diese Niete kläglich versagt hatte. Aber in fast jeder Beziehung war Bob noch schlechter dran. Seine Karriere als Footballspieler hatte sich als kompletter Fehlschlag erwiesen. Sein erbärmlicher Job als Autoverkäufer bewahrte ihn und seine Frau gerade mal vor dem Sozialamt, was ihn auch noch zu einem schlechten Ehemann machte, und obwohl Steele Senior ein Alkoholiker gewesen war, der sein ganzes Leben lang in der brutalen Hitze von Texas gearbeitet hatte, würde er wahrscheinlich seinen eigenen Sohn noch überleben.
»Was Letzteres betrifft, bin ich da gar nicht so sicher«, sagte Todd Willis vom Beifahrersitz aus. »Das Wort überleben beinhaltet nämlich, dass man lebt, und wir beide wissen, dass das für dich gar nicht gilt.«
Durch die mit Dreck verschmierte Windschutzscheibe starrte Bob misstrauisch auf das Gebäude vor ihm. Es war ein niedriges hellbraunes Haus mit einem umzäunten Grillplatz, der an die westliche Mauer angrenzte. Zwei Stunden nachdem das Restaurant für die Nacht geschlossen hatte, stieg immer noch Rauch vom Grillplatz auf, der nach Fleisch und Mesquite stank.
An diesem Ort hatte Bob zwanzig Jahre zuvor ein seltsames Geheimnis von der Welt erfahren. Damals war er jung und naiv gewesen und kaum in der Lage, den Sinn von Todds Bemerkung zu begreifen. Er war außerdem abgelenkt gewesen, denn nur wenige Minuten später hatten die fünf das Restaurant bis auf die Grundmauern abgefackelt. In den darauffolgenden Jahren hatte Bob alles getan, um diesen speziellen Sommer nach Möglichkeit zu vergessen und ein halbwegs anständiges Leben zu führen, aber jetzt sah er ein, dass seine Bemühungen von Anfang an vergeblich gewesen waren. Das hier war kein Leben. Seine gesamte Existenz war nur ein Vorspiel für diesen Augenblick gewesen; den Abend, an dem er endlich gezwungen war, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Sechzehn Jahre lang war Bob mit einer fetten Frau verheiratet gewesen, die früher einmal, auf der Highschool, sehr attraktiv gewesen war. Darlenes einziger Ehrgeiz hatte darin bestanden, Kinder zu bekommen, und als sich herausstellte, dass das aus medizinischen Gründen nicht möglich war, hatte sie sich auf die Couch zurückgezogen, wo sie nichts anderes mehr tat als sich Seifenopern und Realityshows im Fernsehen reinzuziehen. Bob hatte ihr Verhalten als Rechtfertigung für seine Seitensprünge genommen. Sein letzter war diese rothaarige Empfangsdame in der Verkaufsniederlassung gewesen, eine dreiundzwanzigjährige Frau mit weißer sommersprossiger Haut und einem riesigen Hintern. Sie hieß Sherilyn. Vor zwei Stunden war er in ihrem Apartment gewesen. Er hatte das Rattern der Fensterscheiben in den Rahmen gehört und versucht, die Kollektion von Teddybären zu ignorieren, die sie auf drei weißen Regalen über ihrem Bett aufgereiht hatte. Aber es war nicht so leicht, sie zu ignorieren, da sie die Regale mit auffälligen Girlanden aus Spitze versehen hatte, die wie Wimpel aussahen. Als Sherilyn auf Zehenspitzen zum Badezimmer gelaufen war, hatte Bob fast erwartet, dass die Bären kleine Blechinstrumente hervorholten, die amerikanische Nationalhymne spielten und dann wie Lemminge von den Regalen heruntermarschierten. Er wusste nicht, ob er allmählich den Verstand verlor oder ob er sich schuldig fühlte, weil er wieder einmal seine Frau betrogen hatte. Wahrscheinlich von beiden ein bisschen. Er hasste diese verdammten Bären.
»Diese Bären sind wie wir«, sagte Todd jetzt zu ihm. »Sie sitzen auf ihrem Hintern und tun absolut nichts, während das Leben an ihnen vorüberzieht.«
Bob wandte sich vom Restaurant ab und schaute auf den Beifahrersitz, wo Todd Willis ihn anstarrte.
»Du warst mal ein richtiger Held«, meinte Todd. »Der Quarterback, der die Old High ins Viertelfinale gebracht hat. Alle Jungs wollte so sein wie du, und alle Mädchen wollten mit dir ins Bett steigen. Warum hast du deine Träume bloß für das hier aufgegeben?«
Bob konnte sich nicht daran erinnern, wie das passiert war. Irgendwann hatte er mit Meth angefangen und seitdem waren seine Erinnerungen irgendwie sehr verschwommen. Aber schlimmer als diese verlorenen Erinnerungen war der Gedanke an seine Mutter, die jetzt irgendwo vom Himmel aus zu sehen musste, was für einen Mist er aus seinem Leben gemacht hatte. Sie hatte ihr Leben im Tornado verloren, und sein eigenes Leben hatte er praktisch verschwendet. Es war diese Ungerechtigkeit, die Bob dazu brachte, sich jeden Tag ein wenig mehr zu hassen.
»Warum bist du überhaupt hierher zurückgekommen?«, fragte er Todd nun.
Für einen langen Augenblick war das Echo seiner Stimme die einzige Antwort, und Bob fürchtete, dass er wusste warum: Er sprach mit sich selbst. In den letzten Tagen hatte er Todd an den unwahrscheinlichsten Orten gesehen … in der Verkaufsniederlassung, auf der Straße vor seinem Haus und einmal auch in einem weißen Ford Focus auf dem Southwest Parkway. Das war wohl nicht ungewöhnlich. Die Sache war nur die, dass Bob in den letzten fünfundzwanzig Jahren von Todd weder etwas gesehen noch gehört hatte. Wenn man diese Tatsache in Betracht zog, dann fragte man sich doch, wo er so plötzlich hergekommen war und warum er ihm nun praktisch überallhin zu folgen schien.
Die Erinnerung tauchte immer wieder auf, wie eine aufgezeichnete Musikschleife. Das erinnerte ihn daran, dass Todd als Kind Songs geschrieben hatte, und dass er sein Casio-Keyboard überall mit sich herumgetragen und damit ständig irgendwelche neuen und erstaunlich guten Melodien für sie gespielt hatte.
»Ich werde dir die Geschichte noch einmal erzählen«, sagte Todd schließlich.
»Was meinst du? Welche Geschichte?«
Todd lachte, und der Klang seiner Stimme im Lastwagen war irgendwie flach; ohne jede Schwingung, als ob sie in einer Art endlosen Raum erklang. In diesem Augenblick wurde Bob von einer starken Angst ergriffen, so wie er früher vor Albträumen Angst gehabt hatte.
»Wir waren The Boys of Summer«, meinte Todd. »Erinnerst du dich noch daran?«
»Das ist aber schon lange her.«
»Du bist ein Idiot oder ein Feigling.«
»Ein ziemlich starker Spruch für ein kleines Kind. Pass auf, was du sagst!«
»Ist es das, was du siehst, wenn du mich anschaust? Ein Kind? Du bist echt ein verrückter Prolet. Ist dir das klar?«
»Ich bin nicht verrückt«, erwiderte Bob automatisch. Aber Todd hatte schon irgendwie recht. Wenn die Person in diesem Laster vor fünfundzwanzig Jahren ein Kind gewesen war, wie könnte sie jetzt noch immer eines sein?
»Wenn du nicht verrückt bist«, sagte Todd, »dann verrate mir mal, was du mit dem 20-Liter-Benzinkanister hinten in deinem Wagen anfangen willst, und mit den Streichhölzern zwischen deinen Beinen.«
Bob konnte von seinem Platz aus, die Ladefläche seines Lasters nicht sehen, weil die Werkzeugkiste im Weg stand, aber als er mit der rechten Hand zwischen seine Beine