THE BOYS OF SUMMER. Richard Cox H.
würde, und er hoffte, dass sie ihn trotz allem immer noch lieben würde.
»Hey, Sie da!«, rief jemand. »Was zum Teufel machen Sie da?«
Die Stimme kam von hinten, und er dachte, dass es seine Mutter wäre, die gekommen war, um ihn von dem abzubringen, was er jetzt vorhatte. Aber als er sich umdrehte, stand da plötzlich ein Mann. Es war ein Polizeibeamter, der im Eingang zur Barbecue-Grube stand, ein ziemlich korpulenter Typ, dessen unsicherer Blick nicht ganz zu seinem entschlossenen Auftreten passte.
Bob stellte sich noch einmal das Gesicht seiner Mutter vor … ihr ständig besorgtes sanftes Gesicht. Er konnte es gar nicht erwarten, sie zu sehen und zu fühlen, wie sie ihre Arme um ihn schlang.
Er hielt die Streichholzschachtel in die Höhe, damit der Beamte sie sehen konnte, und zeigte ihm das Streichholz.
»Lassen Sie das sofort fallen! Halten Sie die Hände so, dass ich sie sehen kann!«
Der Beamte griff zögernd nach seiner Waffe. An der Unsicherheit in seinen Augen konnte Bob erkennen, dass der Typ ihn so oder so nicht erschießen würde. Er hatte ebenso viel Angst wie jeder andere, aber er richtete dennoch eine Waffe auf ihn.
»Lassen Sie das sein!«, schrie der Beamte. Die Waffe zitterte deutlich in seiner Hand, als wäre sie ein Tier, das sich von ihm befreien wollte.
Dann, im allerletzten Moment, erinnerte sich Bob daran, was in der Barbecue-Grube passiert war, als sie noch Kinder gewesen waren. Er erinnerte sich wieder genau daran, was Todd ihnen gesagt hatte. Diese Erinnerung erfüllte ihn mit einem so unerwarteten Gefühl des Erfolgs und der Freude, dass er einen Lachkrampf bekam, der tief in ihm begann und so stark zur Oberfläche drängte und aus seinem Mund heraussprudelte, wie Erdöl, das tief aus der Erde kam und schon bald jemanden sehr reich machen würde.
»Es tut mir leid«, sagte Bob zu dem Beamten, und bevor er es verhindern konnte, brach er erneut in ein unkontrollierbares Lachen aus, ein mächtiger Sturm, der diesen ruhigen Ort vollkommen überwältigte. Der Beamte war zuerst verwirrt, doch dann verwandelte sich seine Unsicherheit in eine schreckliche Gewissheit. Doch Bob konnte sich an keinen glücklicheren Moment in seinem ganzen Leben erinnern. Nachdem er all die Jahre im Schatten seines Vaters verbracht hatte, war Bob Steele jetzt endlich dabei, ins Licht zu treten und als der Bessere der beiden erkannt zu werden.
»Es tut mir leid«, sagte er noch einmal. »Todd meinte schon, dass es so enden würde.«
Bob entzündete das Streichholz und warf es in die Luft. Das winzige Streichholz schien vor seine Augen zu schweben, dann drehte es sich in Zeitlupe in der Luft, und als die erste Kugel in seiner Brust einschlug, fühlte Bob so etwas wie Ekstase.
Flammen schossen aus dem Nichts empor und tanzten vor ihm wie ein Wirbel. Er fiel zu Boden und wurde sofort vom Feuer erfasst.
Doch er starb lächelnd.
Kapitel 10
David Clarks Haus in Carmel war eine zweistöckige Villa im spanischen Stil mit Fußböden aus Makassar-Ebenholz und Pietra-Firma-Kacheln. Große Panoramafenster boten einen atemberaubenden Blick auf die Bucht und die Sonnenuntergänge über dem Pazifik. Die Kücheneinrichtung war nahezu futuristisch. Es gab außerdem einen gemütlichen Billardraum und ein großes Heimkino. Im ersten Stockwerk befanden sich sechs Schlafzimmer und sogar eine Master-Suite. Das Bett war ein speziell angefertigtes Hästens Vividu, sechs Zoll länger und fünf Zoll breiter als ein standardmäßiges Kingsize-Bett, das ihn 568.342,88 Dollar gekostet hatte, nach allen Maßstäben ein absolut wahnsinniger Preis.
Seine Golfplätze waren Pebble Beach und Cypress Point, zwei der spektakulärsten Plätze auf der ganzen Welt. Er dinierte wie ein König. Er besaß zwölf Autos. Eines von ihnen war ein Bugatti Veyron. Für jede einzelne seiner 1.001 PS hatte er tausend Dollar bezahlt, und letztes Jahr hatte er sein neuestes und extravagantestes Fahrzeug gekauft – eine Gulf Stream G550, sein persönlicher Jet – für einen absolut günstigen Preis von 48.450.000 Dollar. Darin waren aber noch nicht die siebenundzwanzig Millionen Dollar enthalten, die für die Umrüstung angefallen waren, um das Innere noch schalldichter zu machen.
Aber sein opulentes Leben beschränkte sich nicht nur auf die Westküste. Jedes Jahr spielte er vier Runden Golf beim Augusta National in Georgia. Bei Rao‘s in New York war er mal Jennifer Aniston auf die Zehen getreten, als er bereits drei Cocktails intus gehabt hatte. Er war davon überzeugt gewesen, dass sie seine Einladung zu einem Drink annehmen würde, und sie hatte ihn auch tatsächlich sehr amüsant gefunden. Er hielt sie für sexy und zugänglich. Sie hatten sich dreimal zum Abendessen getroffen, aber dann hatte sie einen Schauspieler kennengelernt, den sie anscheinend für noch amüsanter hielt.
Er war ein Neureicher, also gab es für ihn gewisse Grenzen, aber David konnte so ziemlich alles tun, was er wollte. Er konnte hingehen, wo immer er hingehen wollte. Aus Wichita Falls war er geflohen wie ein Strafgefangener aus einem Gefängnis. Jetzt war er so weit entfernt von diesem kulturell unbedeutenden Höllenloch, wie man nur sein konnte. Er war seinen texanischen Akzent ebenso losgeworden wie sein provinzielles Übergewicht und seinen antiquierten Sozialkonservativismus.
Aber irgendetwas stimmte dennoch nicht. Irgendetwas, das ganz in seiner Nähe war, folgte ihm überallhin. Er konnte es irgendwie wahrnehmen, aber es entschwand sofort, wenn er versuchte, es direkt anzusehen. Es verfolgte ihn seit jenem Tag im Wald als gewaltiger Hagelsturm, und selbst jetzt suchte es ihn in den Nächten als gespenstischer Laut heim, den er gerade so eben hören konnte, wenn er intensiv lauschte. Ein schrecklicher Laut, der, da war er sicher, wenn man ihn verstärken könnte, einer Tornado-Sirene ähneln würde.
David hatte dieses Gefühl bisher noch niemandem anvertraut, aber die Leute, die ihn am besten kannten, schienen trotzdem zu spüren, dass da etwas war. Er spielte seine Rolle als entspannter und sorgenfreier Millionär perfekt, der immer gebräunt und unglaublich gepflegt war und ausschließlich Maßanzüge trug. Aber er sprach niemals über seine Jugend in Texas und erwähnte niemals seine Familie. Er ignorierte entsprechende Fragen einfach so lange, bis man es schließlich aufgab. Das schuf unvermeidbar eine gewisse Distanz, die es ihm erschwerte, enge Beziehungen einzugehen, besonders die von der romantischen Art.
Doch es war leicht, diese Unzufriedenheit auf das perfekte Klischee zurückzuführen, dass ein reicher unverheirateter Mann nun mal keine Befriedigung in einem konventionellen Leben finden konnte. Für einen normalen amerikanischen Mann in seinem Alter war es jetzt an der Zeit, dass er heiratete und Kinder in die Welt setzte. Alles verändert sich, so sagt man, wenn man sieht, dass ein Köpfchen aus dem Mutterleib kommt und wenn man den allerersten Schrei hört. Die Prioritäten verändern sich dann ganz von selbst. Die existenzielle Unsicherheit löst sich auf und das Leben wird auf einmal ganz klar und einfach. Du wirst schon sehen, hatte ihm einmal sein Freund Jim Thain gesagt. Eigentlich hatte er es ihm schon hundert Mal gesagt. Millionen Väter können sich nicht irren.
Wenn David geglaubt hätte, dass seine Angst dadurch beseitigt werden könnte, dass er ein Kind in die Welt setzte und ein normales Familienleben führte, dann hätte er schon vor langer Zeit geheiratet. Jede seiner engeren Freundinnen hätte eine wunderbare Ehefrau und Mutter abgegeben. Aber ganz tief im Inneren wusste David, dass die Probleme mit seinem Leben nicht dadurch gelöst werden konnten, dass er sie mit jemandem teilte. Das bedeutete, dass jede Frau, die darauf bestand, ihr Leben mit ihm zu teilen, Schwierigkeiten bekommen würde, gleichgültig welche Argumente sie auch vorbringen würde.
Es war kurz nach Mitternacht und er lag mit seiner gegenwärtigen Freundin Meredith im Bett. Ihr blondes Haar lag wie ein Sternregen auf dem Kopfkissen – das Haar eines schlafenden Engels. David saß im Bett, mit dem Rücken zum Kopfende. Er las gerade die New York Times auf seinem Laptop und überlegte, ob er mit ihr Schluss machen sollte.
Er hatte Meredith vor fast einem Jahr im Golfladen von Pebble Beach getroffen. Er hatte sich sofort von ihrem intensiven Blick und ihrem Pferdeschwanz, der aus ihrer weißen Nike-Golfkappe herausragte, angezogen gefühlt. Sie war allein dort gewesen und hatte einem Mitarbeiter erzählt, dass sie gerade auf die Halbinsel gezogen war und hoffte, sich einer Gruppe anschließen zu können,