Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers. Pernille Juhl

Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers - Pernille Juhl


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sich an.

      „So ist es aber wohl. Es wird keinerlei Widerstand geleistet, und jetzt marschieren sie durch die Stadt nach Amalienborg.“

      Christians Puls beschleunigte. Wo im Land waren die Deutschen noch eingefallen? Sie hatten kaum Zeit, die Nachricht zu verdauen, als schon wieder ein neuer Bote zu ihrer Gruppe stieß und behauptete, auf Fünen habe man einige Streitkräfte zusammengezogen, die sich jetzt in den südfünischen Alpen, wo das Gelände günstig war, um Verteidigungsstellungen aufzubauen, verschanzen und gegen die Deutschen kämpfen sollten.

      Etwas später tauchte Petersen auf, der bei einigen anderen Gruppen Erkundigungen eingeholt hatte. Atemlos berichtete er: „Man sagt, heute Morgen sei es bei Sønderbro in Haderslev zu Gefechten gekommen. Die Deutschen sind mit Panzern vorgerückt, unsere Leute hatten nur ein Geschütz. Sie haben tapfer gekämpft, aber der Feind war überlegen, und als das Geschütz getroffen und zerstört wurde, mussten sie das Feuer einstellen. Die Rede ist von drei Toten und vier Verletzten. Und bei der Besetzung der Kaserne in Haderslev hat es wohl auch einen Toten gegeben.“ Blicke wurden gewechselt. Tote. In der Nähe von Haderslev.

      Das Gefühl der Machtlosigkeit wurde noch stärker, und es war sinnlos, immer wieder dieselben Fragen zu stellen: „Warum tun wir nichts? Warum leisten wir keinen Widerstand?“

      Mit hängenden Schultern zogen sie sich auf ihre Stuben zurück und schlossen die Fenster. Dennoch drang der Lärm der Flugzeuge, die dröhnend dicht über den Dächern der Häuser vorbeizogen, zu ihnen durch.

      Gegen Ende des Tages tauchte ein neues Flugblatt auf. Darauf war zu lesen:

      „Deutsche Truppen haben in der vergangenen Nacht die dänische Grenze überschritten und sind an mehreren Orten des Reiches an Land gegangen. Die dänische Regierung hat unter Protest beschlossen, unser Land den Erfordernissen der Besatzung anzupassen. In diesem Zusammenhang wird Folgendes bekannt gegeben:

      Die deutschen Truppen, die sich zurzeit im Land befinden, nehmen Kontakt mit den dänischen Streitkräften auf. Die Bevölkerung ist verpflichtet, jeden Widerstand gegen diese Truppen zu unterlassen. Ziel der Regierung ist es, das dänische Volk und unser Land vor Kriegshandlungen und den damit verbundenen Zerstörungen und Opfern zu schützen. Daher wird die Bevölkerung zu Ruhe und Besonnenheit hinsichtlich der zurzeit gegebenen Verhältnisse aufgerufen.

      Ruhe und Ordnung im Land müssen aufrecht erhalten werden, und Loyalität ist Bürgerpflicht gegenüber allen, die ein Amt auszuüben haben.“

Kopenhagen, 9. April 1940

      Chr. R./Th. Stauning.

      Christian kniff die Augen zusammen und runzelte verwundert die Stirn. Er musste den Text noch einmal lesen, langsamer diesmal. War das wirklich die Botschaft des Königs und der Regierung? Er konnte es nicht fassen.

      „Ruhe und Besonnenheit hinsichtlich der zurzeit gegebenen Verhältnisse“, fauchte Aksel. „Was zum Teufel ist das bloß für eine Regierung?“

      „Jeden Widerstand unterlassen … Loyalität ist Bürgerpflicht. Du lieber Himmel, das ist wahrhaftig zu viel!“ Petersens Augen funkelten. „Der erste, den man erschießen sollte, ist dieser verdammte Staatsminister. Was für ein Feigling!“

      „Mir dreht sich der Magen um, wenn ich nur daran denke, dass Sønderborg von Deutschen überschwemmt wird“, sagte Christian, „die von den Heimatdeutschen auch noch mit einem freundlichen 'Heil Hitler? begrüßt werden.“

      Die Gruppe löste sich auf.

      Die Sonne ging unter, und Christian dachte, dass es der sonderbarste und schlechteste Tag gewesen war, den er in seinem vierundzwanzigjährigen Leben durchgemacht hatte. Sie hatten zusehen müssen, wie Kolonnen deutscher Militärfahrzeuge in die Stadt gerollt waren. Im Laufe des Tages hatten sie jede Menge deutscher Soldaten gesehen. Jetzt saß er alleine mit Aksel und Petersen in ihrem Studierzimmer und sprach aus, was ihm schon lange im Kopf herumging: „Irgendetwas müssen wir tun.“

      „Du sagst es. Die Deutschen können nicht einfach hier einmarschieren und wir legen die Hände in den Schoß … Wir könnten ihnen wenigstens Schwierigkeiten machen“, sagte Petersen.

      Sowohl Christian als auch Aksel sahen ihn an. Nach einer Weile sagte Aksel nachdenklich: „Und was stellst du dir da so vor?“

      „Mal sehen. Es muss doch möglich sein, den Deutschen das Leben schwer zu machen. Erst mal müsste man sich natürlich von allem fernhalten, was nach Nazis oder Heimatdeutschen aussieht, nicht bei ihnen einkaufen. Bei keinem, der mit den Deutschen Geschäfte macht. So was eben.“

      Die beiden anderen stimmten ihm zu, meinten aber, das sei ja wohl eine Selbstverständlichkeit. Bei den Heimatdeutschen kaufte man nichts, das hatte Christian schon von Kindesbeinen an gelernt.

      „Man könnte zum Beispiel die Reifen ihrer Autos zerstechen. Nur für den Anfang“, meinte Aksel, und dann lachten sie zum ersten Mal an diesem Tag.

      Sønderborg, 10. April 1940

      „Geht es dir gut, Kedde?“ Onkel Jes Stimme drang ängstlich durch den Telefonhörer in sein Ohr.

      „Ja, ausgezeichnet, danke.“ Er stand draußen auf dem Gang und fühlte eine seltsame Beklemmung dabei, in das Telefon zu sprechen. Jes und Alma hatten sich vor Kurzem einen Apparat angeschafft, wegen des Ladens. Es war neu und ungewohnt, auf diese Art zu kommunizieren.

      „Wir waren gestern sehr besorgt wegen dir. Man hört so viele Gerüchte.“

      Er lächelte, stellte sich vor, wie Jes zu Oma gegangen war und sie beruhigt hatte. Und mit Tidde hatten sie ganz sicher auch gesprochen.

      „Ich habe auch an euch gedacht.“

      „Als wir hörten, dass es bei Søgaard zu Gefechten gekommen sei, war Alma ganz außer sich.“ Jes atmete tief durch.

      „Hier war alles ruhig.“

      „In Kollund sind gestern den lieben langen Tag deutsche Soldaten durch die Stadt marschiert, und heute kommen immer noch welche.“

      „Ja.“

      „Hast du schon gehört, dass die Regierung Verbote gegen Preissteigerungen erlassen hat? Und Lebensmittel bunkern darf man auch nicht, man darf nur für drei Tage einkaufen.“

      Nein, das hatte er noch nicht gehört.

      „Willst du immer noch nach Kopenhagen? Ich meine, mitten in all dem hier?“

      „Ja, ich fahre in ein paar Tagen.“

      Die Dame in der Vermittlung schaltete sich ein. „Es sind drei Minuten um. Wünschen Sie fortzufahren?“

      Ich hätte ruhig etwas redseliger sein können, dachte er, nachdem er aufgelegt hatte. Hätte mehr erzählen können. Aber was? Er schämte sich dafür, beim Militär zu sein. Für die Passivität, dafür, dass sie einfach nichts taten. Darüber würden die Leute in Kollund sicher reden. Sie mussten sich doch wundern. Vielleicht waren sie regelrecht aufgebracht?

      Telefonate waren sehr teuer. Nächstes Mal würde er darauf achten, dass keine Pausen entstanden. Das versprach er sich. Und er würde ihnen schreiben, ihnen allen. Letzte Woche war er nicht dazu gekommen, einen Brief zu schreiben.

      Es war ihr letzter Abend im Studierzimmer. Sie waren alle drei zu Oberfeldwebeln ernannt worden und hatten ihre Pläne. Christians Prüfungsergebnisse waren ausgezeichnet, und im Gegensatz zu seinen beiden Freunden wollte er nach Kopenhagen gehen und die Ausbildung zum Offizier absolvieren. Die Entscheidung war so klar gewesen, es schien so richtig zu sein, aber jetzt hatte er dieses Ziehen im Magen. Er war sich nicht mehr sicher.

      Ein sonderbares Gefühl beschlich ihn, als er durch die verdunkelten Straßen zu Frau Jakobsens Haus ging. Diesmal stand kein Lernstoff auf dem Plan, sie wollten sich nur noch ein letztes Mal dort treffen, wo sie so manche Stunde in Gesellschaft ihrer Bücher verbracht hatten. Sie hätten sich ohnehin nicht konzentrieren können. Die Tatsache,


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