Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945. Erika Karner
rel="nofollow" href="#ulink_7b6acf97-4f90-57f2-8bb1-5496bf79b05d">160 Im März 1903 übersiedelte der in Münsterberg in Schlesien geborene Viktor Goebel nach Wien.161 Bereits 1905 schien sein Büro im Branchenverzeichnis in der Rubrik „Landschaftsgärtner und Garten-Architekten“ auf.162 Er gründete eine Baumschule samt Staudengärtnerei und war als Planer, etwa für Erzherzog Franz Ferdinand, sehr erfolgreich. Goebel war bis zu seinem Tod 1924 in Wien aktiv.163
Im Jahre 1912 übersiedelte der am 23. September 1888 in Berlin geborene Alfred Kasulke nach Wien um als Geschäftsführer der Firma J.L. van Eynelhoben ein Jahr lang tätig zu sein. Im darauffolgenden Jahr arbeitete er als Gartenarchitekt im „Gartenbauetablissement“ W. Stingl, dorthin sollten noch einige Landsmänner nachfolgen.164
In den 1920er-Jahren zog es viele Deutsche nach Wien. Der Gartenbaubetrieb Hermann Rothe A.G. plante eine Zweigniederlassung in Wien und rekrutierte Gartentechniker.165 Auf diesem Weg kam Wilhelm Hartwich nach Wien, etwas später traf Wilhelm Vietsch ein. Die beiden gründeten die Unternehmung Hartwich und Vietsch.166
Ungefähr zur selben Zeit übersiedelte auch Wilhelm Wolf nach Österreich. Er arbeitete zunächst als Gartentechniker in Wien, heiratete aber 1926 Helene Pollak und führte mit ihr bis 1938 gemeinsam die Gärtnerei „Helenium“. Wolf war auch berufspolitisch sehr aktiv und gründete gemeinsam mit anderen die „Vereinigung der Gartengestalter Österreichs“.167
Um 1923 kam Wilhelm Schmidt nach Wien.168 Er war zunächst bei Wilhelm Debor, später bei der Firma Gebhardt & Füssl beschäftigt und übersiedelte 1929 nach seiner Berufung in das städtische Gartenamt Essen wieder nach Deutschland. Schmidt war maßgeblich an der Gründung der Gruppe Deutsch-Österreich der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst beteiligt und war bis 1929 auch deren Vorstand.169
Ebenfalls Mitte der 1920er-Jahre verschlug es den gebürtigen Rheinländer Otto Gälzer nach Wien. Er arbeitete zunächst bei Wilhelm Debor, später bei Wenzel Stingl und gründete 1930 seinen eigenen Betrieb, der rasch zu einem der größten landschaftsgärtnerischen Betriebe Österreichs wurde. Aufgrund seiner deutschen Herkunft und der Kontakte zur NSDAP bekam er 1939 auch den Auftrag zur Ausführung der landschaftsgärtnerischen Arbeiten der eingangs erwähnten „Krupp-Anlage“ in Berndorf.170
Wie stark die Konkurrenz zwischen den in Wien ansässigen deutschen Gartenarchitekten und den einheimischen Gartenarchitekten war, ist schwer zu sagen. Es gibt viele Hinweise auf eine gute berufliche Zusammenarbeit und freundschaftliche Verbindungen. Die Bruchlinien innerhalb der Berufsgruppe der Gartenarchitekten verliefen eher entlang politischer und weltanschaulicher Grenzen. Mit dem „Anschluss“ 1938 änderte sich dieses Bild jedoch, da nun „Reichsdeutsche“ sowohl bei der Ämtervergabe als auch bei Aufträgen eher bedacht wurden. Dies belegt unter anderem eine Aussage Albert Eschs, der 1946 erklärte, durch Otto Gälzer und Alwin Seifert künstlerisch (gemeint war damit wohl auch ökonomisch) unterdrückt worden zu sein.171
2.3.4.3 Entwicklungen im deutschen Gartenbau ab 1933
Mit der im Jänner 1933 erfolgten Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler begann die Transformation Deutschlands zu einem totalitären Staat. Erklärtes Ziel der Machthaber war die absolute Kontrolle von Bürgern und Organisationen durch die NSDAP und ihre Organe.
Für den deutschen Gartenbau bedeutete dies die Neuordnung der Berufsgruppe172 auf allen Ebenen. Gustav Allinger, ab 1933 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst, begrüßte diese Neuorganisation und kündigte eine radikale Änderung der Verbandsstrukturen an:
„Nachdem die Idee des Nationalsozialismus nach jahrelangem Kampf den Sieg errungen und Adolf Hitler die Reichsgewalt übernommen hatte, sind die politischen und wirtschaftspolitischen Ziele eindeutig festgelegt. Gleichzeitig aber ist von der Führung des Reiches und der Länder und mit maßgebender Unterstützung der dafür eingesetzten parteiamtlichen Stellen der NSDAP. auch die große berufsständische und kulturelle Neuordnung zielbewußt eingeleitet worden. Es ist selbstverständlich, daß im Zuge dieser Neuordnung auch die bisher vorhandenen Berufs- oder Liebhaberverbände des Gartenbaues und der Gartengestaltung von der Bewegung erfaßt werden müssen, daß ihre Arbeit auf eine neue Grundlage gestellt wird und daß sie gleichzeitig auf Grund der neuen Eingliederung auch neue Aufgaben zugewiesen erhalten. Ebenso selbstverständlich aber ist, daß diejenigen Verbände oder Vereinigungen, die in den letzten Jahren schon nicht recht lebensfähig waren, oder die sonst wie als entbehrlich und überflüssig, vielleicht sogar als für die Berufseinheit schädlich bezeichnet werden müssen, restlos zu verschwinden haben.“173
Es sollte die „Einheitsfront des Gartenbaues“ geschaffen werden die sich aus dem „berufsständischen Aufbau“, dem „kulturellen Aufbau“ und dem „Aufbau der Arbeitsfront“ zusammensetzte.174 Die Umsetzung der Neuorganisation des berufsständischen Aufbaues wurde im Auftrag des Reichsbauernführer Darré vom „Reichsverband des Deutschen Gartenbaues“ übernommen. Dieser Verband wurde bereits im April 1933 mit der „Zusammenfassung und Gleichschaltung aller Vereine und Verbände des Erwerbsgartenbaues einschließlich der Landschaftsgärtner […] durch das Amt für Agrarpolitik der NSDAP. beauftragt“,175 im Herbst 1933 war dieser Auftrag beinahe vollständig ausgeführt.
Der „Reichsverband des Deutschen Gartenbaues“ übernahm zusehends die Funktion der Interessenvertretung des gesamten Gartenbaues und untergliederte sich in folgende Fachgruppen: Obstbau, Gemüsebau, Samenbau, Blumen- und Pflanzenbau, Baumschulen, Garten-, Park- und Friedhofsgestaltung und Behördengartenbau. Jede dieser Gruppen hatte einen ehrenamtlichen „Führer“ und konnte nach Bedarf in Sondergruppen aufgeteilt werden. So differenzierte sich beispielsweise die Gruppe Garten-, Park und Friedhofsgestaltung, deren „Führer“ Gustav Allinger war, in die Sondergruppen Deutsche Gartenarchitekten, Gartenausführende und Friedhofsgärtner.176
Der Reichsverband wurde unter der Leitung von Johann Boettner später zur Gänze in den Reichsnährstand eingegliedert und Boettner zum ehrenamtlichen Leiter des Erwerbsgartenbaues ernannt.177 Wilhelm Ebert wurde Leiter der Unterabteilung Gartenbau im Reichsnährstand.178
Um auch den kulturellen Aufbau voranzutreiben, wurde „im Einvernehmen mit dem Kampfbund für deutsche Kultur“ und im Auftrag von dessen Reichsorganisationsleiter Hans Hinkel die „Deutsche Gesellschaft für Gartenkultur“ gegründet und alle Gartenbauvereine – seien es gartenkünstlerische, wissenschaftliche oder Laienvereine – wurden ihr eingegliedert, jüdische Mitglieder waren selbstverständlich bereits vorher ausgeschlossen worden.179