Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945. Erika Karner
Einschränkungen auf der Tagesordnung.‘ Wir sehen also, wie auch unser Beruf in engste Mitleidenschaft gezogen wird durch die außerordentlichen Verhältnisse, welche die Wirtschaftskrise dem arbeitenden Volke auferlegt.“103
Nach einer kurzen Phase der wirtschaftlichen Erholung und damit einhergehenden sinkenden Arbeitslosenzahlen wurde ab 1929 wieder ein Anstieg verzeichnet. Im Februar 1930 wurde in einem Artikel in der Allgemeinen Österr. Gärtner-Zeitung über die „bisher noch nie verzeichnete Höhe von 749 arbeitslosen Gärtnern und Gärtnereiarbeitern in Wien und Umgebung“ berichtet104 und Nationalrat Pius Schneeberger schilderte 1932 in einer Parlamentssitzung, in der die Zuordnung des Gewerbes zur Landwirtschaft behandelt wurde, die schwierige Lage der Gärtnereiarbeiter und die Auswirkungen einer Gesetzesänderung für die Berufsgruppe:
„Die Gärtnereiarbeiter aber haben unter der Arbeitslosigkeit gerade heute furchtbar zu leiden. Für sie gibt es nicht nur die bekannte saisonmäßige Arbeitslosigkeit, die heute bei den schlechten Verdiensten und der schlechten Beschäftigungsmöglichkeit in der Saison viel schwerer zu überstehen ist als in normalen Zeiten, sondern es gibt für sie auch eine große krisenmäßige Arbeitslosigkeit, die es mit sich bringt, daß selbst während der Saison ein großer Teil der Gärtner überhaupt keine Beschäftigung bekommt. […] Die Industrielle Bezirkskommission Wien schildert die Lage des Arbeitsmarktes für die Gärtner in ihrem Bericht für 1931 mit folgenden Worten: ‚Blumengärtnergehilfen waren nur schwer unterzubringen. Ganz besonders schlecht war die Vermittlungsmöglichkeit für verheiratete Gärtner.‘ Es ist Tatsache, daß unter den arbeitslosen Gärtnern die überwiegende Anzahl verheiratete Arbeiter sind und daß heutzutage nur noch die ledigen Arbeiter hie und da Aussicht haben, eine Arbeit für kurze Zeit zu bekommen. Hier ein Gesetz zu beschließen, wodurch wieder tausende Arbeitslose um die Unterstützung gebracht werden sollen, das heißt wahrlich ein Spiel mit dem Feuer treiben.“105
2.3 Austrofaschismus 1933–1938
Bereits ab 1932 wurde ein politischer Veränderungsprozess in Gang gesetzt, der am 4. März 1933 zum Rücktritt der drei Präsidenten des Nationalrats führte und den die Regierung unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß für sich nutzte, um den Nationalrat auszuschalten.106 Danach begann die sukzessive Ausschaltung der Sozialdemokratie, anfangend mit dem Verbot des Schutzbundes am 31. Mai 1933 bis zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei und ihr nahestehender Vereine und Organisationen im Februar 1934. Parallel dazu kam es zur Ausschaltung und Einschränkung rechtsstaatlicher Einrichtungen wie der Einschränkung der Pressefreiheit und der Geschworenengerichte sowie dem Verbot politischer Demonstrationen.107
Die Regierung Dollfuß begann 1932 zudem mit sozialpolitischen „Reformen“, die nur durch den eingeleiteten politischen Veränderungsprozess möglich wurden. Diese „Reformen“ gingen einher mit einem massiven sozialen Leistungsabbau: Die Senkung der Produktions- und Lohnkosten und die Sanierung der Sozial- und speziell der Arbeitslosenversicherung bedeuteten für die Arbeitnehmerschaft Kürzungen in allen Bereichen. Die Lebensbedingungen für die Arbeiterschaft hatten sich dadurch dramatisch verschlechtert.108
Durch diese massiven Eingriffe konnte eine der wichtigsten Forderungen der Unternehmerschaft, die Senkung der Produktionskosten, erfüllt und gleichzeitig eine Entlastung des Staatshaushaltes durch die Senkung der Ausgaben für „soziale Verwaltung“ erreicht werden.109
Auf politischer Ebene stieg im Lauf der Jahre die Bedeutung der Landwirtschaft. Die christlich-soziale Partei hatte – parallel zur Drei-Säulen-Theorie der Sozialdemokratie basierend auf den Bestandteilen Partei, Gewerkschaftsbund und Konsumgenossenschaften – im agrarischen Bereich ebenfalls ein dreigliedriges System entwickelt: Die politische Vertretung oblag dem Bauernbund (1919 erfolgte der Zusammenschluss der christlich-sozial und konservativ orientierten Bauernbünde zum politisch dominierenden Reichsbauernbund), die ständischen Interessen wurden von den Kammerorganisationen wahrgenommen und für die wirtschaftlichen Belange war das Genossenschaftswesen zuständig.110
Im Mai 1933 kam es zur Gründung der Vaterländischen Front (V.F.), einer hierarchisch und autoritär strukturierten „politischen Monopolorganisation“ des Austrofaschismus. Sie hatte, „aufgrund des korporativen Beitrittes ganzer Körperschaften und Organisationen“, Ende 1935 mehr als 2,15 Millionen Mitglieder.111 Auch unter den Gärtnern gab es V.F.-Mitglieder, so etwa Anton Eipeldauer, Eduard Maria Ihm, Fritz Kratochwjle und Viktor Mödlhammer.112
Nach der Ermordung von Engelbert Dollfuß durch Nationalsozialisten im Juli 1934 übernahm Kurt Schuschnigg das Amt des Bundeskanzlers und führte zunächst das Land im Sinne von Dollfuß weiter, hatte aber gegen den immer stärker werdenden politischen und wirtschaftlichen Druck Deutschlands anzukämpfen. Dies führte 1936 zum sogenannten „Juliabkommen“: Das deutsch-österreichische Abkommen vom 11. Juli 1936 bildete die Grundlage für den 1938 folgenden „Anschluss“. Dabei verpflichtete sich Österreich unter anderem zu einer weitreichenden Amnestie angeklagter bzw. verurteilter Nationalsozialisten sowie zur Zulassung der „nationalen Opposition“ in politische Ämter. Deutschland verzichtete dafür pro forma auf jede weitere Einmischung in innerösterreichische Angelegenheiten.113
2.3.1 „Berufsständische Ordnung“
Unter der „berufsständischen Ordnung“ verstand man die Zusammenführung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern der gleichen Berufsgruppe in einer Organisation, dem Berufsstand.
Das Konzept der „berufsständischen Ordnung“ sah, dem zugrunde liegenden autoritären Prinzip entsprechend, sieben Berufsstände unter Aufsicht des Staates vor: Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Bergbau, Gewerbe, Handel und Verkehr, Geld-, Kredit- und Versicherungswesen, freie Berufe und öffentlicher Dienst. Die Konkretisierung der berufsständischen Ordnung – sie war in der neuen Verfassung nur wenig geregelt – blieb Ausführungsgesetzen überlassen, die größtenteils nicht erlassen wurden.114
Die Gründung der sieben Berufsstände sollte sich laut Sozialminister Neustädter-Stürmer in drei Etappen vollziehen. Als Erstes war die einheitliche Organisierung aller Arbeitnehmer – mit der Errichtung des Gewerkschaftsbundes – angedacht, in einem zweiten Schritt sollten die Arbeitgeber in Bünden organisiert werden, und erst danach sollte es in einem dritten Schritt zur Vereinigung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen und die Berufsstände sollten errichtet werden. Die ersten beiden Schritte dienten demgemäß zu Vorbereitung und erst mit dem dritten Schritt konnte der berufsständische Aufbau durchgeführt werden.115
Bis 1938 wurden nur zwei der laut Verfassung vorgesehenen sieben Berufsstände eingerichtet, der Berufsstand öffentlicher Dienst116 und der Berufsstand Land- und Forstwirtschaft – hier waren die Landarbeiter bereits in bestehenden Landwirtschaftskammern integriert. Alle anderen Berufsstände kamen über die ersten beiden Stadien (Errichtung des Gewerkschaftsbundes und Errichtung der vier Unternehmerbünde117)