Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945. Erika Karner
500 Kronen.45 Auch an der Höheren Gartenbauschule in Eisgrub kam pro Jahr ein Schüler in den Genuss eines „Kaiserstipendiums“ in Höhe von 400 Kronen.46
Nach dem Zerfall der k. u. k. Monarchie standen diese Formen der Unterstützung der Gärtnerschaft nur mehr sehr eingeschränkt über Stipendien verschiedener Ministerien und der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft (ÖGG) zur Verfügung.
2.2 Erste Republik 1918–1933
Der Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie bedeutete für die meisten Nachfolgestaaten die Erfüllung des lange gehegten Wunsches nach territorialer und politischer Selbstständigkeit. In Österreich wurden diese Veränderungen großteils als Schock empfunden und die Reaktionen waren zwiespältig. Für viele Aristokraten und im bürgerlichen Lager waren diese Umwälzungen mit einem statusmäßigen und materiellen Verlust verbunden, unter der Arbeiterschaft jedoch herrschte zumindest anfänglich Aufbruchsstimmung.47 Dieser scharfe gesellschaftliche Kontrast prägte die am 12. November 1918 ausgerufene Republik.
Im neuen Österreich gab es nun den Wunsch des „Zusammengehens“ mit Deutschland. Der am 10. September 1919 unterzeichnete Friedensvertrag von Saint-Germain gab dem neuen Staat den Namen „Republik Österreich“ und beinhaltete ein Anschlussverbot an Deutschland. Allerdings war damit das Thema einer „Annäherung“ an Deutschland oder die Schweiz in Österreich keinesfalls vom Tisch. Denn nun kamen die Anschlussforderungen nicht aus der Bundeshauptstadt Wien, sondern aus den Bundesländern.48
In Vorarlberg gab es einige wenige Jahre hindurch eine starke Gruppierung, die für den Anschluss an die Schweiz eintrat.49 In Vorarlberg, Tirol und Salzburg wurde in Volksabstimmungen eine sehr hohe Zustimmung für den Anschluss an Deutschland erreicht. In Tirol plädierten am 24. April 1921 98,8 % der Wähler für den Zusammenschluss.50 Die Stimmung in Salzburg, Oberösterreich und in der Steiermark war vergleichbar. Die Bundesländer wollten weg vom „roten“ Wien. Abstimmungen in Oberösterreich und in der Steiermark wurden aber nicht mehr gestattet.51
Die Konflikte zwischen den zwei großen, sich in einer weltanschaulichen Polarität befindlichen politischen Lagern Österreichs, den Christlich-Sozialen und den Sozialdemokraten, sollte die weitere Geschichte des Staates – besonders nach den Geschehnissen rund um den Justizpalastbrand im Juli 1927 – bestimmen. Als drittes politisches Lager in Österreich müssen die Großdeutschen und Deutschnationalen angeführt werden. Die wachsende Feindschaft zwischen Christlich-Sozialen und Sozialdemokraten zeigte sich am deutlichsten in der Aufstellung bewaffneter Verbände: auf der einen Seite die Heimwehr der Christlich-Sozialen, auf der anderen Seite der Schutzbund der Sozialdemokraten.52
Aufgrund der sich aufheizenden politischen Situation nach dem Justizpalastbrand 1927 kam es zur verstärkten Militarisierung der Verbände und schließlich im Februar 1934 zum Bürgerkrieg.53
2.2.1 Wirtschaftliche Situation
Die wirtschaftliche Situation im neuen Staat Österreich war nach dem Ende des Ersten Weltkrieges schwierig. Besonders angespannt war die Situation in Wien, wo es an der Versorgung mit den dringend benötigten Kohle- und Lebensmittelrationen mangelte. In direktem Zusammenhang mit der in Wien herrschenden Lebensmittelnot stand der blühende Schleichhandel. Im Jahr 1919 gab es erste große Lebensmittellieferungen seitens der Siegermächte in Form der „Reliefkredite“.54 Daraufhin entspannte sich die Situation für die Bevölkerung etwas.55
Die anhaltend schlechte Wirtschaftslage, die damit einhergehende Inflation und der Währungsverfall führten im Jahr 1922 zur Hyperinflation. Dies hatte gravierende Folgen für die Bevölkerung, da die Preise dramatisch stiegen. Der Staat befand sich ebenfalls in einer sehr schwierigen Lage, da er, um die Lebenshaltungskosten niedrig zu halten, 1920/21 bereits 59 Prozent der Staatsausgaben für die Stützung von Lebensmitteln verwendete. Die Regierung schmiedete zwar Sanierungspläne, aber alle Lösungsversuche blieben wirkungslos und Bundeskanzler Seipel setzte auf Hilfe aus dem Ausland.56
Ignaz Seipels Bemühungen waren erfolgreich und am 4. Oktober 1922 erhielt Österreich die sogenannte „Völkerbundanleihe“ in Höhe von 650 Millionen Goldkronen – sehr zum Ärger der Sozialdemokraten, die die vom Völkerbund geforderte partielle Entmachtung des Parlaments und die Kontrolle durch einen Generalkommissär nicht mittragen wollten.57
Die wirtschaftliche Situation Österreichs besserte sich danach langsam und am 1. Jänner 1925 trat das Währungsumstellungsgesetz zur Umstellung von Kronen auf die neue Währung Schilling in Kraft. Der Wechselkurs war 10.000:1, für 10.000 Kronen erhielt man also einen Schilling.58
Die wirtschaftliche Entspannung hielt bis Ende 1929 an, einen Beitrag dazu leistete das Wohnbauprogramm der Gemeinde Wien. Im Zuge des Zusammenbruchs der Boden-Credit-Anstalt und der hereinbrechenden Weltwirtschaftskrise kam es erneut zu einem Zusammenbruch der Wirtschaft. Die Wirtschaftslage blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs kritisch.59
Eine weitere Besonderheit der Zeit war die Hinwendung der Bundesregierung zur Landwirtschaft. Der immer deutlicher werdende „agrarische Kurs“ der Regierung verunsicherte die Gewerbevertreter und so kam es ab Herbst 1931 im gesamten Gewerbestand immer wieder zu Protestaktionen. Ein Grund dafür – neben der politisch-ökonomischen Krise – lag in der Art und Weise der CA-Sanierung60 und im Hinausdrängen gewerblicher Berufsvertreter aus politischen Entscheidungspositionen.61
Wirtschaftskrise und Gartenbau
Die schwierige wirtschaftliche Situation des Landes spiegelte sich in der katastrophalen ökonomischen Lage im Gartenbau. Rufe nach Änderungen und neuen Strategien wurden laut.
„Die letzten Jahre änderten die wirtschaftlichen Verhältnisse in einschneidendster Weise und es ist nur natürlich, daß jeder Stand trachten muß, sich ihnen schnellstens anzupassen. Der Versuch, das Alte zu erhalten, das Anklammern an Ueberholtes, an überalterte Phrasen ist wertlos, ein neuer Weg muß beschritten werden.“62
Dies prophezeite „Ignotus“ 1924 seinen Berufskollegen. Die geforderte Anpassung fand aber nicht in dem Ausmaß und der Geschwindigkeit statt, die zur wesentlichen Verbesserung im Berufsstand beigetragen hätten.
Auch in Deutschland wurde die schlechte Entwicklung des österreichischen Gartenbaus beobachtet. Die Zeitschrift „Die Gartenwelt“ vermerkte 1924:
„Während der Bedarf an Ware beinahe schon den der Vorkriegsjahre erreicht hat, ist die Produktion auf ein Bruchteil der Vorkriegsleistung