Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945. Erika Karner
sollte die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst die Führungsrolle übernehmen), einen Bereich für botanische Vereine (Deutsche Dahliengesellschaft, Kakteenfreunde, Rosenfreunde etc.) und einen Bereich für allgemeine Gartenkultur (Deutsche Gartenbau-Gesellschaft). Präsident der Gesellschaft für Gartenkultur war Johann Boettner.180 Die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst (DGfG) wurde im Zuge dieser Zusammenlegungen deutlich in ihrer pluralistischen Ausrichtung beschnitten.
„Die DGfG. wird sich künftig auf ihre kulturellen Aufgaben beschränken und kein Tummelplatz mehr sein zur Austragung von Sonderinteressen beamteter oder freischaffender Berufsgenossen. […] Die Geschäftsstelle der DGfG. wird nach Berlin verlegt, so daß die Erledigung der Arbeiten von zentraler Stelle rasch und reibungslos möglich sein wird. Es wird ferner sorgfältig überprüft werden, ob die Gestaltung, Erscheinungsweise und die Schriftleitung der Zeitschrift ‚Gartenkunst‘ im Zusammenhang mit den Maßnahmen der ‚Deutschen Gesellschaft für Gartenkultur‘ Änderungen erfahren soll und kann, mit dem Ziel, die Zeitschrift und die von ihr erörterten Ideen einem weit größeren Kreis von Personen, vor allen Dingen aber der Jugend, zugänglich zu machen.“181
Die Zeitschrift „Gartenkunst“ diente ab diesem Zeitpunkt der Verbreitung der NSIdeologie im Gartenbau – sie war zu einem Propagandainstrument geworden. Auf diese Weise kamen auch die Mitglieder der Sektion Österreich der DGfG in direkten Kontakt mit den Anschauungen des NS-Regimes.
2.4 Drittes Reich 1938–1945
Bereits mit dem „Juliabkommen“ von 1936 begann, wie der Historiker Hanns Haas es ausdrückt, der „kalte Anschluss“. Der Begriff „Anschluss“ im engeren Sinne bezeichnet den Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am 12. März 1938.182
Die Eingliederung Österreichs ging zügig voran. Am Tag nach dem Einmarsch in Österreich bekam der kommissarische Leiter Josef Bürckel von Adolf Hitler den Auftrag, die österreichische NSDAP zu reorganisieren und die Volksabstimmung im April vorzubereiten, die bekanntlich mit 99,6 % Ja-Stimmen für den „Anschluss“ endete.183 Bereits am 15. März wurde in Wien vom Chef der Sicherheitspolizei Reinhard Heydrich eine Gestapoleitstelle errichtet und in den folgenden Wochen und Monaten wurde die österreichische Wirtschaft in die deutsche eingegliedert, die Landeshoheit der Bundesländer aufgelöst und der ehemalige Bundesstaat der Reichsregierung in Berlin unterstellt.184
Zeitgleich erfolgte die Gleichschaltung der Presse, indem das „Presseamt“ Josef Bürckels in den meisten Zeitungen „kommissarische Hauptschriftleiter“ und „kommissarische Verlagsleiter“ einsetzte, mit 15. März 1938 bereits die erste Wiener Ausgabe des „Völkischen Beobachters“ herausbrachte und im Laufe des Jahres rund die Hälfte der österreichischen Zeitungen einstellte.185 Damit einher ging die Entlassung und Inhaftierung vieler Journalisten und die Ausgrenzung jüdischer Journalisten.186
Unmittelbare Auswirkungen auf die „arische“ Bevölkerung hatte der rasche Abbau der Arbeitslosigkeit. Betrug die Arbeitslosenrate 1937 noch 22 Prozent, so sank sie bis 1938 auf 12,7 % und betrug 1939 nur noch 3,7 %. Dieses „Beschäftigungswunder“ wurde durch die Abwanderung vieler Facharbeit ins „Altreich“, die Ausweitung der Bürokratie, die Vertreibung von politisch und rassisch Verfolgten aus dem Arbeitsprozeß und durch Rekrutierungsmaßnahmen für Armee und Arbeitsdienst erreicht.187
Ein übergeordnetes Ziel des Hitler-Regimes war die Angleichung der österreichischen Wirtschaft an die Verhältnisse im „Altreich“. 1941 mussten jedoch führende Parteifunktionäre eingestehen, dass diese Angleichung trotz aller Bemühungen nicht gelungen war.188
2.4.1 Nationalsozialismus in Wien
Das Verhältnis der neuen Machthaber zu Wien war ambivalent. So verkündete zunächst Bürgermeister Hermann Neubacher:
„Wir werden diese deutsche Stadt Wien nationalsozialistisch verwalten und wir werden diese deutsche Stadt Wien einem ungeahnten Aufbau zuführen, einem Aufbau, der der Kritik der Welt standhalten wird, und einer Ausgestaltung, über die als oberster, unvergleichlicher Bauführer unser Führer des deutschen Volkes und des Großdeutschen Reiches Adolf Hitler mit seiner ganzen wahrhaft königlichen Baugesinnung stehen wird.“189
Hitler meinte jedoch im Rahmen vertraulicher Tischgespräche, dass er zwar Wien bewundere, aber vorhatte, „Wiens Vormachtsstellung auf kulturellem Gebiet in den Alpen- und Donaugauen zu brechen und ihm einmal in Linz eine Konkurrenz erstehen zu lassen und zum anderen Graz so auszubauen, daß seiner von jeher nicht so sehr für Wien begeisterten Bevölkerung in kultureller Hinsicht der Rücken gestärkt werde“.190
Bereits im Herbst 1938 kam es zur flächenmäßigen Ausweitung Wiens, es wurden zahlreiche Umlandgemeinden, wie z. B. Hadersdorf-Weidlingau, Liesing, Purkersorf, Rodaun, Mödling, Münchendorf und Schwechat eingemeindet. Insgesamt wurden 97 Gemeinden angegliedert, die Fläche der Stadt wuchs von 27.800 ha auf 121.800 ha und die Einwohnerzahl erhöhte sich um rund 213.000 auf 2.087.000 Personen.191 Die neu geschaffenen Bezirke trugen die Nummern 22 bis 26.192
Die vor dem „Anschluss“ existierenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Stadt, hauptsächlich die hohe Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot mit den daraus resultierenden Schwierigkeiten, sollten durch ein eigenes Wirtschaftsprogramm gelöst werden.193 Dabei hatte der „Anschluss“ zu einer Erhöhung der Arbeitslosenzahl beigetragen: So war im April 1938 die Zahl der Stellensuchenden in Wien von 204.000 auf 235.000 gestiegen. Aufgrund der Vertreibungen, der anlaufenden Rüstungsindustrie und schließlich durch den Kriegsausbruch konnte die Arbeitslosigkeit bis Ende September 1941 in Groß-Wien auf 871 registrierte Arbeitslose gesenkt werden.194
Das Wohnungsproblem konnte, trotz anders lautender Ankündigungen, nicht durch Neubauten gelöst werden, sondern es wurde durch die Deportation und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung gemildert.195
1939 avancierte Bürckel zum Gauleiter Wiens. Ihm waren auf politischer Ebene bis 1940 zwei große „Erfolge“ beschieden: „die völlige Zerschlagung Österreichs und der Aufbau der Reichsgauverwaltung sowie die Übernahme der Führung auch in der Wiener Gemeindeverwaltung“.196
2.4.2 Parteimitgliedschaft in der NSDAP
Da es unter den österreichischen Gartenarchitekten einige NSDAP-Mitglieder gab, ist es erforderlich, die Bedeutung der Mitgliedschaft und die Möglichkeiten der Erlangung einer Mitgliedschaft darzustellen.
In die NSDAP sollten, gemäß einem Ausspruch Hitlers, nur die besten Nationalsozialisten aufgenommen werden.