Touched: Süchtig nach dir. Lea Mayance
Sie ließ ihn ziehen und im nächsten Moment überkam sie ein mulmiges Gefühl. Während sie noch im Flur ihre Jacke auszog, kam Felix die Treppe aus dem Souterrain herauf.
»Es wird ja auch Zeit, dass du endlich kommst«, fuhr er sie an.
»Tut mir leid, der Zug braucht nun mal fünf Stunden von Berlin bis Mainz.«
»Du warst im Fernsehen zu sehen … mit diesem … Hollywood-Statisten.« Verachtung lag in seiner Stimme. »Marco und Julia haben angerufen und gefragt, was du denn mit dem Möchtegern-Schauspieler in Berlin tust. Ich war völlig irritiert und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich habe irgendeine Ausrede erfunden, dass du das Treffen bei einer Zeitschrift gewonnen hättest. Aber ich weiß nicht, ob sie mir geglaubt haben.«
»Und wenn schon … ist doch unwichtig, was sie glauben«, entgegnete Greta. Sie hatte jetzt keine Lust auf diese Diskussion. Für Felix war immer nur wichtig, was andere von ihm dachten.
»Mir ist das aber nicht gleichgültig. Wo hast du den nur aufgegabelt?«
Greta zuckte mit den Schultern und antwortete nicht.
»Sieh mich an! Hast du etwa mit ihm gevögelt?« Seine Augen waren dunkel vor Aufregung.
Greta kniff die Augen zusammen und schaute ihn innerlich kochend an. Als wenn ich dir Rechenschaft ablegen müsste …
»Los, sag schon … hat er dich mal so richtig rangenommen und deine Muschi geleckt, wie du es brauchst?«
»Hör auf! Lass mich einfach in Ruhe, Felix!«, fauchte Greta empört.
»Ist ja auch egal. Jedenfalls wirst du ihn nicht mehr sehen.« Er stand mit erhobenem Zeigefinger und zusammengebissenen Zähnen vor ihr.
»Bist du jetzt total durchgeknallt?«, rief sie außer sich. »Ich lasse mir von dir gar nichts verbieten. Ich treffe mich, mit wem ich will.« Was bildet er sich denn ein?
»Du kannst dich von mir aus mit deinem Lover treffen, wenn es niemand mitbekommt. Aber nicht in aller Öffentlichkeit. Schließlich sind wir immer noch verheiratet und müssen wenigstens nach außen den Anschein aufrechterhalten, dass wir Mann und Frau sind. Wenigstens für Tom.«
»Tom … der ist dir doch völlig egal. Du denkst doch nur an deinen guten Ruf. Wenn herauskommen würde, dass du deine Sekretärin vögelst, wäre der nämlich dahin. Aber ich sage dir was … ich mache dieses Spiel nicht mehr mit! Vorbei! Ich will die Scheidung!« Sie schrie ihn an. Schrie ihre ganze Wut heraus, die sich in den vergangenen Monaten aufgestaut hatte.
»Wenn ihr euch scheiden lasst, bleibe ich bei Papa!«, brüllte es vom Treppenabsatz vom oberen Stockwerk herunter. Tom rannte in sein Zimmer und knallte die Tür zu.
Oh Gott, hat Tom etwa alles mitgehört?, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie hatte nicht gewollt, dass er es auf diese Art und Weise erfuhr.
»Da siehst du, was du angerichtet hast«, schrie Felix sie an. Er holte aus und schlug ihr mit aller Kraft ins Gesicht.
Sie hatte das Gefühl, ihr Kopf würde gleich explodieren. Beim Aufprall auf den Schrank, der neben ihr stand, spürte sie einen stechenden Schmerz in der Schulter, bevor sie auf den Boden fiel. Es herrschte unerträgliche Stille. Felix rührte sich nicht, er war wie zur Salzsäule erstarrt. Zum ersten Mal hatte er sie geschlagen. Greta lag auf dem Boden, schaute zu ihm auf und kniff ihre Augen zusammen. Falls sie noch einen Rest von Zuneigung für ihren Mann in sich getragen haben sollte, dann hatte er sie mit diesem Schlag für immer ausgelöscht. Sie hatte sich noch nie so gedemütigt gefühlt.
Felix bewegte sich schließlich und streckte ihr die Hand hin. »Komm, ich helfe dir hoch.«
Sie schlug die Hand weg und krabbelte auf die Knie. Ihr war schwindlig. Als sie endlich stand, hob sie ihre Jacke auf und verließ wortlos das Haus. Sie beide wussten, dass dies das Ende war.
Im Auto brach sie in Tränen aus. Warum muss alles Schöne im Leben immer wieder gleich kaputtgemacht werden?, dachte sie verzweifelt. Es war nicht einmal eine Stunde her, dass sie im Zug das Wochenende in all seinen Facetten noch einmal durchlebt hatte. Da hatte sie sich jung und begehrt gefühlt. Und nun das! Es war wie so oft: Der Dämpfer ließ nie lange auf sich warten.
Ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Jackentasche und schaute auf das Display. Es war Connor. Connor! Unter normalen Umständen hätte sie sich unglaublich gefreut, dass er sich bei ihr meldete. Aber sie konnte jetzt unmöglich mit ihm sprechen, sie war nicht in der Verfassung dazu. Sie drückte das Gespräch weg und warf das Mobiltelefon auf den Beifahrersitz.
Mit steifen Fingern startete sie den Wagen und fuhr die paar Straßen weiter zum Haus ihrer Eltern. Das iPhone klingelte erneut, aber Greta ignorierte es. Sie parkte das Auto, ging zur Tür, klingelte und war froh, dass ihr Vater öffnete.
»Mein Gott, Greta. Wie siehst du denn aus?«
Sie stammelte etwas zusammen, was für ihren Vater wohl ziemlich wirr klingen musste.
Er brachte sie erst einmal in die Wohnung. Ihre Mutter kam sofort angelaufen und überschüttete sie mit Fragen.
»Jetzt lass sie sich doch erst einmal setzen«, herrschte ihr Vater seine Frau an. Er holte ihr ein Glas Wasser und ein Kühlpack für die geschwollene Gesichtshälfte. »Komm, erzähl mal, was passiert ist.«
»Felix und ich lassen uns scheiden«, berichtete sie unter Tränen.
»Ich habe ja gewusst, dass es zu Problemen führt, wenn du alleine wegfährst«, legte ihre Mutter los.
»Damit hat das gar nichts zu tun. Wir haben schon die ganze Zeit getrennt gelebt. Felix hat ein Verhältnis.«
»Das glaube ich nicht. Ihr wart doch immer so glücklich.« Ihre Mutter konnte es nicht fassen.
»Nach außen hin, ja«, meinte Greta bitter. Ihr wurde klar, welchen Fehler sie gemacht hatte, allen um sie herum diese Scheinwelt vorzuspielen.
»Hat er dich geschlagen?«, fragte ihr Vater.
Greta nickte.
»Dieser Mistkerl«, fluchte er. »Ich würde am liebsten …«
»Paps, lass gut sein.«
»Sie wird ihn bis aufs Blut gereizt haben. Das kann sie ja gut«, warf ihre Mutter ein.
Greta hasste es, wenn sie in ihrem Beisein in der dritten Person von ihr sprach.
»Anne, jetzt reiß dich zusammen. Er hat nicht das Recht, unsere Tochter zu schlagen.«
»Da ist noch etwas«, sagte Greta schnell, um ein Ausufern des Streits zwischen den beiden zu verhindern. »Ich habe einen Mann kennengelernt.« Greta wollte es ihren Eltern lieber selbst sagen, bevor sie es von Felix erfuhren.
»So ganz unschuldig bist du also doch nicht«, keifte ihre Mutter schon wieder.
»Mama … bitte … steh doch ein Mal auf meiner Seite«, flehte Greta. »Felix hat seit Monaten ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. Er schläft im Souterrain. Was habe ich also Schlimmes getan?«
»Meistens ist nicht nur einer schuldig, wenn eine Ehe in die Brüche geht. Du hast zum Beispiel dauernd vor dem Computer gehangen. Vielleicht hat Felix sich deshalb eine andere gesucht.«
Gretas Handy vibrierte. Sie warf einen kurzen Blick darauf, um zu sehen, ob es vielleicht noch mal Connor war, sah aber Felix’ Namen im Display. Er besaß wirklich die Unverschämtheit, sie jetzt anzurufen.
»Anne, entweder du bist jetzt ruhig und lässt Greta erzählen, oder du kannst rausgehen«, sagte ihr Vater in einem gefährlich ruhigen Tonfall.
Greta kannte diesen sehr gut. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Seine Frau wusste ebenfalls, dass sie den Bogen nicht weiter überspannen durfte. Sie stieß geräuschvoll die Luft aus und lehnte sich eingeschnappt auf ihrem Stuhl zurück.
Greta erzählte ihnen die ganze Geschichte mit Connor, erwähnte allerdings nicht, dass sie bereits miteinander geschlafen hatten. Aber das konnten ihre