Betrayal - Stirb für mich. Fenja Wächter

Betrayal - Stirb für mich - Fenja Wächter


Скачать книгу
nervtötendes Klopfen übertönte das beruhigende Trommeln der Regentropfen auf den Scheiben und hallte scheinbar endlos in der Zweizimmerwohnung im fünften Stock nach.

      »Reed, bist du da?«

      Reed murrte vor sich hin, hievte sich auf der Couch herum und wandte der Tür damit demonstrativ den Rücken zu.

      »Du hast mich heute schon zum zweiten Mal sitzen lassen.«

      Tja, joggen mit Prellungen und Blutergüssen war halt nicht drin und wenn Reed ehrlich war, hatte er die morgendlichen Runden mit anschließendem Sex bisher gekonnt ignoriert. Bis jetzt. Aber nach wie vor wollte er Lance nicht unter die Augen treten. Nicht nachdem, was er getan hatte.

      »Wenn du die Nase voll hast, dann sag mir das bitte ins Gesicht, und lass mich nicht einfach wortlos im Regen stehen.«

      Reed stierte die Rückenlehne der biederen Couch an. Es war ein schrecklich hässliches Ding, passte hervorragend in sein verkorkstes Leben.

      »Komm schon, das sieht dir nicht ähnlich.«

      Lance konnte so eine Nervensäge sein! »Hau ab, Lanny!«, knurrte Reed und nutzte mit voller Absicht den Spitznamen, den er Lance gegeben hatte und den dieser wie die Pest hasste. Ein Stechen in der Brust bestrafte Reed umgehend für sein Verhalten. Scheiß Karma! Er schnitt eine Grimasse, sackte zurück auf den Rücken und fasste sich an die Rippen.

      »Reed, bitte!« Lance ignorierte die Gemeinheit. Dafür nahm jedoch die Dringlichkeit in seiner Stimme zu und viel fehlte vermutlich nicht mehr, bis er sich gewaltsam Zutritt verschaffte. »Ich mache mir Sorgen!«

      Reed gab sich geschlagen. »Warte.«

      Sachte ließ er seine Beine von der Couch gleiten und stemmte sich hoch. Bittere Galle schoss in seine Kehle, weil sein nüchterner Magen endgültig gegen die Unmengen an Schmerzmittel rebellierte. Reed biss die Zähne zusammen, zwang den Brechreiz nieder. Er schwankte, taumelte Richtung Tür und griff kraftlos nach dem Knauf, drehte ihn. Die Sicherheitskette stoppte abrupt das Öffnen der Tür, bis Reed sie fluchend löste.

      Lance war wirklich so nass, wie er behauptet hatte. Seine dunklen Haare klebten an seiner Stirn und sein T-Shirt haftete an seinem Körper, zeichnete seine Muskeln nach. Eine gute Mischung aus Kraft und Ästhetik, ohne jemals protzig zu wirken. Hörbar klappten Lances Zähne aufeinander und der sonst grimmige Gesichtsausdruck war tatsächlich einmal nicht anwesend. Dabei mochte Reed ihn eigentlich. Sexy, geheimnisvoll. Lance eben. Nur der Ansatz der Kerbe zwischen den Augenbrauen war noch erkennbar. Was auch daran lag, dass die Zornesfalte nie gänzlich aus Lances Gesicht verschwand.

      »Was ist …? Butcher?«

      Reed nickte ansatzweise, wich dem besorgt musternden Blick seines Liebhabers aus.

      Der lachte auf. Es klang erleichtert. »Na ja, immerhin lebst du noch.«

      Noch ehe Reed etwas darauf erwidern konnte, fasste Lance ihn behutsam an den Armen und schob ihn in die Wohnung. »Ich sag’s nicht gerne, aber du siehst echt mies aus! Setz dich lieber.« Mit den Worten beförderte er ihn zurück auf die Couch und spazierte ungefragt in die Küche.

      Fahrig strich sich Reed durch die Haare. Er musste ihm beichten, was er getan hatte! »Lance, hör mal –«

      »Warum hast du mich nicht angerufen?«, fragte Lance und inspizierte den Inhalt des Kühlschranks.

      Auch das war typisch Lance, bei dem Reed höllisch aufpassen musste, dass dessen Fürsorge nicht in Bevormundung endete.

      »Und was hätte ich sagen sollen? Oh, Lanny, Lanny, komm mich retten, ich komme nicht alleine klar?«

      Lance gab der Kühlschranktür einen sachten Stoß, kam zurück zur Couch und blickte mit einem schiefen Grinsen auf Reed herunter. »Lass gut sein, Böckchen. In deinem Zustand lasse ich dich nicht alleine, egal, was du mir an den Kopf wirfst.« Ungefragt nahm er Reeds Schlüsselbund an sich. »Ich werde jetzt erst mal nach Hause fahren und mir trockene Sachen anziehen, und dann komme ich mit Einkäufen zurück!«

      Kapitel 2

      Nach Bennetts Auszug hätte für Joshua alles wie vorher sein müssen. War es auch. Aber es fühlte sich nach dem Leben einer anderen Person an und Joshua war der Betrüger darin, der allen etwas vormachte. Allem voran sich selbst.

      Im Versuch, seinen trüben Gedanken zu entkommen, hatte er sich sogar von Rafael zu einem Abend unter Kollegen überreden lassen. Keine seiner besten Ideen. Denn Rafael quatschte angeregt mit ihren Kolleginnen, im Speziellen mit Grace. Es war einfach schrecklich, immer wieder mitzuerleben, wie die beiden umeinander herumtänzelten, ohne wirklich weiter zu kommen. Und natürlich war auch Jason, das Großmaul, mit von der Partie, samt seinem Püppchen, das er ihnen präsentierte. Verlobte, korrigierte Joshua sich gedanklich. Nur weil er alleine war, musste er seinen Unmut nicht an Unbeteiligten auslassen. Das änderte jedoch nichts daran, dass er weder ihrer Oberweite noch ihrem mangelnden Intellekt etwas abgewinnen konnte. Die anderen offenkundig schon, wodurch Jason in Sphären schwebte, die Joshua nicht einmal kannte.

      So gut es ging, blendete er seine Kollegen aus, nippte an seinem Bier und schielte ab und zu auf sein Handy, nur für den Fall, dass Bennett sich melden würde. Er tat es nicht und würde es vermutlich auch nie mehr. Seine Aussage und das darauffolgende Auflegen waren eindeutig gewesen, weshalb sich Joshua seinerseits nicht traute, noch einmal den Kontakt zu suchen. Und das, obwohl er im Recht war, wie ihm die heutigen Ereignisse wieder schmerzlich vor Augen geführt hatten.

      »Ey, ganz ehrlich, so wie die Homos rumlaufen und sich verhalten, schreien sie doch förmlich danach, verprügelt zu werden!«, gab Jason zum Besten und riss Joshua zurück in die brutale Realität. In der war es wohl legitim, jemanden zusammenzuschlagen, sodass er seinen Verletzungen erlag, nur weil man sich durch seine Anwesenheit belästigt fühlte.

      »Aha«, murmelte Joshua und hatte damit schneller die Aufmerksamkeit aller, als ihm lieb war.

      »Was? Ist doch so!«

      Joshua drehte sein Glas. »Wenn ich dir also eine reinhaue, für jeden dummen Spruch, den du bringst, ist das dann auch gerechtfertigt?«

      Stephen verschluckte sich an seinem Bier und Harrison, einer von Jasons Buddys, prustete los, während Aiden, ebenfalls lachend, Joshua auf die Schulter klopfte.

      »Oh!«, kam aus der Damenecke.

      An Jasons Hals traten die Adern hervor. »Wo ist dein Problem, Hinterwäldler?«

      »Mein Problem sind –«

      Jemand legte ihm die Hände auf die Schultern. »Zeit zum Rauchen«, rief Rafael fröhlich in die Runde und drückte sachte. »Kommst du mit?«

      Jason warf Joshua vernichtende Blicke zu, sagte aber kein Wort mehr, was vermutlich nur dem Umstand geschuldet war, dass er in Joshua einen Kollegen und eben keinen Homo sah. Um ein Haar hätte sich Joshua ausgerechnet in das Thema verstricken lassen, das nicht gut für ihn ausgehen konnte. Bittere Galle drängte sich in seine Kehle hoch. Er nickte Rafael flüchtig zu, stand auf und schwankte bedrohlich. Vielleicht hatte er doch schon weit über den Durst hinaus getrunken. Schwer sackte er gegen Rafael, der ihn stützte.

      »Was läuft denn bei dem verkehrt?«

      »Lass gut sein, Jason«, sagte Grace. »Joshua ist aktuell einfach ein wenig durch den Wind.«

      »Uh, dann gab’s eine Trennung, oder?«, mutmaßte nun auch Stephen.

      Kälte kroch Joshuas Haut hoch und er stockte im Schritt.

      »Mach dir keinen Kopf, Grace klärt das«, raunte Rafael ihm zu und schob ihn weiter.

      Er holte Atem für einen Protest, schaute über seine Schulter zu Rafael zurück und sah unweigerlich ihren Tisch. Keiner seiner Kollegen nahm noch Notiz von ihm. Jason winkte ab, schüttelte den Kopf und Grace lachte. Sie unterhielten sich und selbst wenn es um ihn ging, war es nun ohnehin zu spät.

      Rafael beförderte ihn durch die Tür. Unversehens prallte Joshua gegen kalte Nachtluft, taumelte


Скачать книгу