Betrayal - Stirb für mich. Fenja Wächter
schleifte ihn um das Gebäude herum und zur Tür, die in die Küche führte. Erst als Joshua auf den Stufen niedersank, ließ er ihn los, griff in seine Jackentasche und holte eine Packung Zigaretten heraus, hielt sie Joshua hin.
Joshua schüttelte den Kopf, sackte mit dem Rücken schwer gegen die Wand, während Rafael sich eine Zigarette herausnahm und die Packung zurücksteckte. Das Klicken des Feuerzeugs ertönte und eine Flamme schnellte empor, entzündete den Glimmstängel. Er nahm einen tiefen Zug, stieß den Qualm in einem langen Atemzug aus.
»Die Trennung nimmt dich ganz schön mit.«
Um ein Haar wäre Joshua herausgerutscht, dass er ihn wirklich sehr vermisste. Sein Lachen. Seine Berührungen. Das gemeinsame Essen, Fernsehen, Quatschen, Einschlafen … Die Liste ließ sich endlos fortführen.
»Was war der Grund?«
»Schwer zu erklären.« Zumindest war er wieder nüchtern genug, um auf seine Wortwahl zu achten, damit er sich nicht unversehens verriet.
»Mag sein, dass du bei Jason aufpassen solltest, was du sagst, aber bitte nicht bei mir.«
»Keine Ahnung, was du meinst.«
»Josh, ehrlich, ich hab kein Problem damit, dass du vom anderen Ufer bist und du solltest mit irgendjemandem reden, weil es dich gerade einfach nur fertig macht und in unglückliche Situationen bringt.«
Er hatte immer penibel darauf geachtet, Berufliches und Privates zu trennen. Und bisher hatte das auch geklappt. Bisher … »Seit wann weißt du es?«
Rafael grinste schief. »Hab’s mir zusammengereimt.« Er stieß eine weitere Rauchwolke aus. »Also? Was war’s nun?«
»Ich hielt es für sicherer, wenn wir uns nicht als Paar in der Öffentlichkeit zeigen und er hat mir vorgeworfen, nicht zu unserer Beziehung zu stehen.« Joshua seufzte schwer und sackte mit dem Hinterkopf gegen die Wand. »Im Dienst erleben wir jeden Tag so viel Mist … Und wenn das heute nicht irgendein Fremder, sondern er gewesen wäre, der in einer dreckigen Gasse verblutete … Ich hätte nichts dagegen tun können.«
»Schwieriges Thema und ich kann beide Seiten nachvollziehen.« Rafael trat seine Zigarette aus. »Aber ehrlich gesagt, hätte ich keinen Bock darauf, mich ständig zu verbiegen.«
»Wer hat das schon?«, murmelte Joshua, während wieder Jasons Worte durch seine Gedanken hallten.
Ein kaltes Schaudern packte ihn. Doch bevor mehr daraus werden konnte, klingelte sein Handy. Reflexartig schoss seine Hand in die Tasche, zückte es. Es war nicht Bennetts strahlendes Gesicht, das ihn begrüßte, sondern die Grimasse, die Joshuas Bruder schnitt.
»Ich hab ihn nur beschützen wollen«, sagte er leise und nahm ab. »Was gibt es?«
Das Rauschen der Leitung antwortete ihm. »Sammy?«
Keine Reaktion.
Joshua runzelte die Stirn und schaute noch einmal auf das Display. Definitiv hatte er abgenommen und es bestand eine Verbindung. Instinktiv setzte er sich aufrecht hin.
»Hallo?«
Da war ein Atmen zu hören!
»Sammy, hör auf mit dem Mist!«
Sein Bruder legte auf und Joshuas Magen drehte sich wortwörtlich um. Er kotzte Rafael vor die Füße, der gerade noch zurücksprang.
Keuchend schaute Joshua zu ihm auf. »Kannst du mich fahren?«
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Chase hatte ein simples Problem: Er war tatsächlich nicht mehr fünfundzwanzig.
Jede Muskelfaser schmerzte und auch seine Knochen fühlten sich nicht viel besser an. Das Joggen hatte er gleich nach dem ersten Versuch wieder aufgegeben, weil sein rechtes Knie ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Alles Details, die er niemals zugeben würde. Vor niemandem.
Nur ein Ärgernis hatte er nicht mehr: Albträume. Die waren seit seiner Entscheidung weg und das obwohl er sich die Aufzeichnungen von den Spielen zwei bis vier angesehen hatte. Lediglich das erste – sein eigenes – hatte er nicht über sich gebracht. Seine Erinnerungen reichten.
Auch sonst fühlte er sich anders. Nicht unbedingt glücklicher, aber immerhin wieder lebendig. Als wenn er aus einem langen dunklen Traum erwacht wäre. Selbst das unbeschwerte Penthaus kümmerte ihn nicht mehr. Auf die eine oder andere Art und Weise würde er sein bisheriges Leben hinter sich lassen. Ein für alle Mal. Es war erschreckend … befreiend.
Mit einem gelösten »Guten Morgen«, spazierte er in Butchers Büro, fand dort aber nur Kenai vor. Statt die Kaffeemaschine anzusteuern, wählte er gleich den Stuhl neben ihm.
Kenai blinzelte irritiert, neigte seinen Kopf. »In Anbetracht der Situation empfinde ich dein Verhalten ein wenig befremdlich.«
Chase grinste und zuckte mit den Schultern.
»Dir ist bewusst, dass du sterben könntest?« Kenai hob schnell die Hände. »Das meine ich jetzt nicht auf dein Alter bezogen!«
Chases Grinsen wurde breiter. »Was macht dein Hintern? Schon wieder einsatzbereit?«
Kenai stöhnte gequält und verzog herrlich flehend sein Gesicht.
»Komm, gib’s zu, du hast es genossen.«
»Vielleicht«, erwiderte Kenai und sein Lächeln war eindeutig. Es verblasste gleich wieder. »Du schuldest mir noch eine Antwort.«
»Klar, kann ich sterben.«
»Aber es stört dich nicht?«
Chases Blick glitt zum Fenster. Er schaute hinaus, ohne etwas wirklich zu erfassen. »Ich bin schon lange tot.«
Kenai räusperte sich. »Da gibt es etwas –«
Die Tür ging auf und Butcher kam herein, flog mit beschwingten Schritten zu seinem Platz hinterm Schreibtisch. »Ich hoffe, ich störe nicht. Hast du Chase schon über die großartigen Neuigkeiten aufgeklärt?«
»Ähm, nein«, sagte Kenai gedehnt. »Ich war mir nicht sicher, ob ich das sollte.«
Butcher wedelte auffordernd mit der Hand. »Na los.«
Kenai erhob sich, zog die Tastatur zögernd zu sich. Der PC erwachte aus dem Standby und Kenai tippe seine Zugangsdaten zum System ein. »Der Austragungsort befindet sich dieses Mal in Israel. Genauer in der Wüste Negev.« Er drehte den Bildschirm, auf dem nichts als die trostlose Einöde einer Felsenwüste zu sehen war. »Nach der Verkündung deiner Teilnahme, haben sich diverse Interessenten gemeldet und dadurch ein anderes –« Er warf Butcher einen flüchtigen Blick zu- »– Niveau geschaffen.«
»Sich mit dir zu messen, motiviert wohl ungemein«, sagte Butcher und rieb sich vergnügt die Hände. »Es wird ein Spiel im Spiel geben und die Leute lieben es jetzt schon.«
Chase schnitt eine Grimasse. »Freut mich, dass du zufrieden bist.«
In Butchers Augen fand er wieder das kalte Leuchten der Vorfreude.
»Was Butcher sagen möchte, es wird das normale Spiel stattfinden und darin –«
»Gibt es die Challenge, mich zu töten, schon klar.«
»Siehst du, Kenai, das schätze ich ungemein an Chase. Ich kann mir absolut sicher sein, dass er jedes Spiel zu etwas Besonderem macht.«
»Leck mich, Butcher«, knurrte Chase und erhielt dafür ein viel zu fröhliches Lachen.
Die folgende Pause nutzte Kenai zum Fortfahren: »Da sich diese Teilnehmer speziell auf dich vorbereiten, bekommst du vollumfänglichen Zugang zu jeglichen Details über sie.«
»Wie großzügig.«
»Es wird die doppelte Anzahl an Kämpfern sein und noch eine Besonderheit …« Kenai schaute zu Butcher, schien nicht mehr weitersprechen zu wollen.
»Ich war so frei, dir ein Geschenk zu machen«, sagte Butcher.
Die