Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

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abzuwarten, was die Gräfin tut.«

      Ermanns schüttelte den Kopf. »Ich würde das nicht so machen,« sagte er. »Wenn Sie mich aufforderten, Ihnen einen Rat zu geben, so würde ich Ihnen diesen Rat nicht geben.«

      »Und welchen Rat würden Sie erteilen?«

      »Ich würde Ihnen raten, Herr Ritterhausen, durch einen energischen Entschluß der ganzen Sache ein für allemal ein Ende zu machen, auch wenn es Ihnen vielleicht ein Opfer kostete. Ich würde dies Opfer um der Ruhe willen und um einen Prozeß zu vermeiden, den Sie höchst wahrscheinlich verlieren würden, bringen. Sie sind ein wohlhabender Mann. Sie können es. Ich würde mir sagen: Was ist da nun zu machen? Nehmen wir die Gelegenheit wahr, wo wir den Hader für immer beendigen können und kaufen der Gräfin die ganze Burg ab.«

      Ritterhausens Brauen zogen sich bei diesen Worten dunkel zusammen, als hätte Monsieur Ermanns etwas gesagt, was ihn beleidigte. Und doch war der Hammerbesitzer keineswegs beleidigt. Im Gegenteil, es war ihm außerordentlich erfreulich zu hören, was Ermanns sagte. Aber indem er mit seinen düstern Augen die Mienen des Polizeibeamten fixierte, glaubte er sichere Zeichen zu finden, daß die große Leichtigkeit, womit Ermanns seinen Gedanken als den Einfall des Augenblicks hinwarf, eine affektierte sei; zu gleicher Zeit wurde ihm auch der Grund des Erscheinens des würdigen Beamten klar, welches bis jetzt noch etwas Rätselhaftes für Ritterhausen gehabt hatte. Denn unmöglich konnte Monsieur Ermanns Vergnügen darin finden, einen Mann aufzusuchen, zu dem er solche Beziehungen wie zu ihm gehabt hatte. Ermanns mußte also seine besondern Absichten haben; Ritterhausen durchschaute sie jetzt. Sicherlich, man trug ihm den Kauf der Rheider Burg an. Und darum zog Ritterhausen so düster seine Brauen zusammen – er wollte die Genugtuung verbergen, welche er fühlte.

      Sibylle hatte vielleicht ähnliche Betrachtungen angestellt wie ihr Vater. Sie dachte nicht daran, sich wie er zu verstellen. Ein Strahl zuckte über ihr Gesicht wie ein helles Freudenleuchten. Es paßte außerordentlich gut in Ritterhausens Pläne, daß Ermanns sich ihm zuwandte und die Züge des jungen Mädchens nicht beobachtete.

      »Vor dem Prozesse fürcht’ ich mich nicht sehr,« antwortete der Hammerbesitzer kaltblütig, »die Gräfin wird auch nicht so eifrig darauf aus sein wie Sie annehmen; Prozesse kosten Geld, und im Anfang namentlich dem, der beginnt!«

      »Bei einem so guten Stande ihrer Sache wird die Gräfin die Vorschüsse nicht scheuen!«

      »Nun, mag sie denn immerhin,« versetzte Ritterhausen mit demselben Gleichmut und schwieg eine Weile; dann sagte er: »Geben Sie mir lieber einen andern Rat, Monsieur Ermanns, da Sie doch die Gräfin kennen. Sehen Sie, ich sehne mich fort von hier, wo ich so schmerzliche Erfahrungen gemacht habe; wo ich nicht zum Fenster hinausblicken und die alte Burg da oben setzen kann, ohne daß eine Fülle bitterer und zorniger Gedanken über mich strömt. Ich will den Hammer der Gräfin friedlich und ohne Rechtsstreit lassen, wenn dieselbe so billig ist, mir eine ansehnliche runde Summe auszuzahlen, als Entschädigung für die namhaften und großen Verbesserungen, die ich an dem Hammer angebracht habe.«

      Monsieur Ermanns horchte bei dieser Rede Ritterhausens hoch auf. Die Schlauheit des Hammerbesitzers brachte ihn vollständig aus dem Konzepte. Statt den letztern eifrig auf den hingeworfenen Gedanken eines Kaufs eingehen zu sehen, mußte er erleben, daß sich der Speer umkehrte – er mußte nun also förmlich den Kauf antragen, wenn er den Auftrag der Gräfin ausführen wollte.

      »Nun möchte ich Sie um Ihren Rat bitten,« fuhr Ritterhausen fort, »auf welchem Wege ich am zweckmäßigsten meine Absichten der Gräfin kundtue.«

      »Ich bin gern bereit, mit ihr darüber zu reden,« versetzte Ermanns etwas zögernd, »aber ich muß Ihnen gestehen, daß ich Ihren Plan nicht billige. Die Gräfin wird Ihnen nicht mehr Entschädigung geben, als sie gesetzlich verpflichtet ist, und ich fürchte, daß Sie dabei einen ganz enormen Schaden haben würden!«

      »Auf Schaden bin ich gefaßt,« erwiderte Ritterhausen. »Ich will ihn tragen, wenn ich nur fortkomme von hier!«

      »Auf einen Kauf also würden Sie nicht eingehen,« sagte Ermanns kleinlaut.

      Der Hammerbesitzer zuckte die Achseln.

      »Gewiß nur dann,« nahm hier Sibylle, die sich nicht mehr zurückhalten konnte, das Wort, »wenn der Kauf unter sehr günstigen Bedingungen geboten würde.«

      »Was nennen Sie günstige Bedingungen?« fragte Ermanns, sich Sibyllen zuwendend. »Die Burg mit Inbegriff des Hammers ist 200 000 Frank wert.«

      »Ich denke, die Summe ist nicht viel zu hoch gegriffen,« erwiderte Ritterhausen. »Allein, wenn die Gräfin das Ganze zum Verkauf aussetzen läßt, gibt niemand in der Welt 200 000 Frank für eine Besitzung, von der ein sehr bedeutender Bestandteil doch noch in den Händen Ritterhausens ist und erst durch einen mißlichen Prozeß ihm abgerungen werden müßte!«

      »Ja, was ist da nun zu machen!« rief der Beamte aus, »Bieten Sie 200 000 und ich will der Gräfin sehr gern Mitteilung von Ihrem Antrage machen.«

      »O, mißverstehen Sie mich nicht – es handelt sich durchaus nicht um einen Antrag der Art,« rief hier der Hammerbesitzer aus. »Mein Antrag lautet auf friedliche Einräumung des Hammers an die Gutsherrschaft, gegen eine Entschädigungssumme von etwa 30 000 Frank für aufgewendete Verbesserungen!«

      Ermanns schüttelte den Kopf. »Ich will Ihnen sagen, welches die einzige Art ist, wie Sie eine solche Entschädigung erhalten werden,« sagte er mit seinem Lächeln. »Bieten Sie der Gräfin 200 000 Frank für ihre ganze Gutssubstanz; ziehen Sie davon Ihre 30 000 Frank ab und zahlen Sie ihr 170 000 Frank aus. Ich glaube, sie würde einwilligen!«

      »Ich würde ihr schwerlich 150 000 Frank zahlen,« bemerkte Ritterhausen nach einer Pause.

      »Ich kann der Gräfin zu einem solchen Handel nicht raten,« entgegnete Ermanns.

      »Das verlange ich ja auch in keiner Weise,« fiel Ritterhausen lächelnd ein. »Raten Sie ihr zum Vergleich mit mir!«

      »Ich will mich erst genauer bei Sachverständigen nach dem Werte der Besitzung erkundigen,« versetzte der Beamte, »und dann werden wir weiter davon reden; die Gräfin wird tun, was sie als Vormünderin ihres Sohnes nur irgend tun und verantworten kann!«

      Ermanns erhob sich und nahm Abschied mit dem Versprechen, am folgenden Tage zurückzukehren. Als er fort war, sprang Sibylle auf und, Freudentränen im Auge, umarmte sie ihren Vater.

      »O, nun wird alles, alles gut!« sagte sie.

      »Ich hoffe es,« versetzte Ritterhausen mit zufriedenem Kopfnicken ... »ich hoffe, der Augenblick ist da, für den du seit Jahren dich bemüht, gesorgt, gespart und gesammelt hast ... der Augenblick, wo ... ich Herr werde auf dieser Rheider Burg!«

      »Sie, Vater?« sagte Sibylle leis, ihr lockiges Haupt auf die Schulter Ritterhausens legend und ihm mit ihren feuchten Blicken ins Auge schauend.

      »Nun ja, ich oder du, wie du willst,« versetzte Ritterhausen, sie freundlich anlächelnd ... »oder gar ein anderer ...«

      Sie legte ihre beiden Hände an seine Schläfen, und so seinen Kopf erfassend küßte sie ihn auf die Stirn.

      »Wir reden davon ein andermal,« sagte sie leise ... »wenn erst Ermann zurück ist, wenn die Burg erst unser ... wenn der Kaufbrief schwarz auf weiß vor mir liegt ... denn eher kann ich ja an mein Glück noch gar nicht glauben!«

      »Das wird nicht lange dauern, mein Kind,« versetzte der Hammerbesitzer, »und dann tu’, was du willst!«

      Und es dauerte in der Tat nicht lange; am folgenden Tage kam Ermanns zurück, einen von der Gräfin unterschriebenen Entwurf des Kaufvertrags in der Tasche

      Sechzehntes Kapitel

       Eine nächtliche Fahrt

       Inhaltsverzeichnis

      Unterdes saß Richard von Huckarde in seiner Strafhaft.


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