Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking


Скачать книгу
gefügt, daß mein teurer Sohn Richard für einige Jahre übers Weltmeer gegangen und von den Wellen des Lebens gleichsam an einen ganz fremden Strand geworfen ist, um da sich umzutun und zu lernen, wie ein Mann seine Arme gebraucht. Denn wenn es Ihnen da drüben auch nicht gelungen ist, das Haus Ihrer Väter wiederzuerobern, hier werden Sie noch immer Gelegenheit haben, es sich im rechten und besten Sinne neu zu erobern. Und was Sie drüben lernten, wird Ihnen dabei verdammt gut zustatten kommen, Richard!«

      »Ich hoffe es,« entgegnete Richard.

      »Hier hätten Sie es nicht gelernt,« fuhr Ritterhausen fort. »Sie lebten hier befangen von einer gewissen überlieferten Art und Weise, solch ein Gut zu bewirtschaften und mit dieser Art und Weise wären Sie keinesfalls lange fortgekommen. Ein bedeutender Besitz wird nur erhalten durch dieselben Mittel, wodurch er erlangt wird. Es ist nicht zu leugnen, daß solche Besitzungen wie diese in alten Zeiten von den Vorfahren meist durch große Anstrengungen, kluge Benutzung der Umstände und zähe Sparsamkeit errungen sind. Wenn nachfolgende Geschlechter dies aus den Augen lassen und vergessen, daß uns Menschenkindern nichts im Schlafe geschenkt wird, sondern daß wir für die Güter des Lebens unsere Lebenskräfte einzusetzen haben, so kommt eine Zeit, wo irgendein armer Enkel dafür büßen und alles aufbieten muß, um nicht den Untergang über das hereinbrechen zu lassen, was einst groß und glänzend war.«

      »Da haben Sie sehr recht,« fiel hier Richard ein, »nur in dem kann ich Ihnen nicht beistimmen, daß Sie diesen Enkel arm nennen. Wenn es ihm gelingt, zu behaupten, was ihm bestritten wird, wenn er wie ein tapferer Ritter den Angriff und Sturm der Widerwärtigkeiten und Gefahren auf seine Mauern abschlägt, so ist er jedenfalls um seines Bewußtseins willen mehr zu beneiden als der, welcher in ewigem Frieden ohne Verdienst seine Tage verschlummert.«

      »Richtig,« versetzte Ritterhausen, »und um solche Art Ritterschaft zu erlernen, mag just Ihr Amerika das rechte Land sein, obwohl es sonst von allem Ritterwesen wenig hält und wenig wissen will.«

      »Und so wäre es denn eine Art von Waffenwache gewesen,« bemerkte hier Sibylle, »eine Waffenwache, um den Ritterschlag zu erhalten, wenn Richard in den Urwäldern sich ein Blockhaus baute, hundertjährige Stämme ausrodete und Mais und Weizen säete.«

      »Gewiß,« sagte der Hammerbesitzer, »wenn er jetzt den alten Besitz seiner Familie neu antritt und neu in Blüte zu bringen sucht, wird er erfahren, wie vortrefflich diese Vorschule für ihn war.«

      »Und,« fiel hier Sibylle ein, »soll man da nun nicht glauben, daß es die Vorsehung war, welche ihn in eine Schule sandte, deren er bedurfte?«

      Richard zog bei diesen Worten zärtlich seine Braut an sich und blickte, ihr gerührt lächelnd in das feuchte Auge – Ritterhausen aber erwiderte nickend: »Du hast wenigstens keinen Grund, es nicht zu glauben, mein Kind – um so mehr, da man auch etwas Providentielles darin sehen könnte, daß Richard seine Farmerlehrjahre in der Nähe eines zur Wachsamkeit herausfordernden Stammes von Rothäuten durchmachen mußte.«

      Ritterhausen blickte bei diesen Worten sehr sarkastisch auf seinen Nachbar, Monsieur Ermanns.

      »Ich sehe, daß sich darunter eine kleine Bosheit gegen mich verbirgt,« sagte der Polizeibeamte, »aber auf Ehre, ich habe keine Ahnung, was es sein kann!«

      »Nun, ich bin weit entfernt,« versetzte der Hammerbesitzer, »die liebenswürdige Nation, welcher Sie sich angeschlossen haben und die durch ihre ausgezeichnete Zivilisation uns arme Deutsche so weit übertrifft, wilden Indianern zu vergleichen; aber ich bin doch der Ansicht, wenn Sie es nicht übel deuten werden, daß sie doch so ungefähr wie raubsüchtige Wilde über uns gekommen ist, weil wir eben nicht wachsam und auf der Hut waren; daß zwischen uns und ihnen kein Friede sein wird, so wenig wie zwischen Rothäuten und Weißen und daß wir eines schönen Tages wieder mit ihnen einen hübschen Strauß bekommen werden, wo es einem deutschen Manne von Nutzen sein wird, wenn er gelernt hat, mit Büchse und Messer sein Haus und seinen Herd wider Räuber und Wilde zu verteidigen!«

      »Still, still,« lief hier Ermanns aus, »ich darf solche ethnographische Betrachtungen nicht anhören, mein Herr Ritterhausen – lassen Sie uns lieber in Frieden jetzt den Festtoast auf unser vortreffliches junges Paar ausbringen!« –

      Während so die Herrschaft oben in den Räumen der Rheider Burg sich unterhielt und, da der Ernst dessen, was alle in der jüngsten Zeit erfahren, doch zu groß war, um eine scherzende Heiterkeit aufkommen zu lassen, bald dazu überging, Richard zum Erzählen seiner transatlantischen Erfahrungen aufzufordern – währenddessen waren unten in Claus Fettzünslers braungeräucherter Stube Berend der Spielmann, der Lügenschuster Mathias von Hebborn und der Hausmeister nebst einigen der Hammergesellen um den runden Tisch versammelt, der in der Mitte stand und von den Flammen des brennenden Kamins so malerisch beleuchtet wurde, wie es ein Liebhaber greller Nachtstücke nur wünschen konnte. Der Schein des Feuers spiegelte sich in den runden Bäuchen einiger umfangreichen Krüge und hellen Deckelgläser, welche Claus Fettzünsler nicht säumig war, aus einem kleinen Fasse voll vortrefflichen Bieres zu füllen, das im Hintergrunde auf zwei zusammengeschobenen Stühlen ruhte; und da des Hausmeisters nicht gewöhnliche Geschicklichkeit im Herstellen schmackhafter Pfannkuchen und anderer einfacher und landesüblicher, aber sehr nahrhafter Gerichte sich heute in vollem Maße betätigt hatte, so fehlte dem Kreise dieser wackern Männer nichts, um sie in den Zustand einer Heiterkeit zu versetzen, auf welche bei Berend und Mathias selbst die noch sehr frische Erinnerung an das Düsseldorfer Polizeigefängnis keinen trüben Schatten werfen konnte. Die Worte flogen hinüber und herüber und es war, als ob sie über dem Tische sich begegneten und aneinander anprallten wie lustig aneinandergeschlagene metallene Becken; es war in der Tat ein Lärm, wie ihn nur eine tolle Beckenmusik jemals hervorbrachte. Jeder erzählte, was er jüngst erlebt und was sein Anteil gewesen an den merkwürdigen Geschichten der letzten Tage. Heinrich, der wackere Hammergesell, war reich an Verwünschungen des sakrischen Franzosen, den er den hinterlistigsten, heimtückischsten aller Sterblichen nannte, dieses Polizisten, welcher ihn auf eine unchristliche und teuflische Weise zum Zeugen wider seine eigene Herrschaft gepreßt hatte; auch bezeugte er eine mit den Quantitäten Flüssigkeit, die er zu sich nahm, wachsende Lust, diesem verräterischen Menschen auf seinem Heimwege aufzulauern und ihn die ganze schreckbare Wucht bergischer Hammerschmiedsfäuste fühlen zu lassen. Mathias von Hebborn unterhielt die Gesellschaft von einigen höchst fabelhaften Ereignissen, welche dem jungen Herrn von Huckarde in den Urwäldern Amerikas begegnet sein sollten, wie er aus dessen eigenem Munde vernommen haben wollte, und suchte die falschen Vorstellungen Claus Fettzünslers über die wilde Kultur einiger Indianerstämme zu belehren, von denen er behauptete, daß sie mit Vorliebe ihre eigenen Großeltern in einer Sauce von Krokodilhirn und Seehundstran äßen; sowie ferner, daß nichts über die Seltsamkeit ihrer Hochzeitsgebräuche gehe, welche darin beständen, daß der Bräutigam die sämtlichen Kohlen des Feuers verschlucke, auf welchem die Braut ihm das erste Süpplein gekocht habe. Nur Berend der Spielmann saß ziemlich schweigsam mit seinem bleichen Kopf und den wasserblauen Augen zwischen den geröteten und erhitzten Gesichtern der Männer, bis der Lügenschuster begann ihn zu necken.

      »Spielberend,« sagte er, ihn an den Arm stoßend, »bist du etwa damit beschäftigt, Geister zu sehen, daß du so still über den Tisch weg in die Flamme blickst?«

      Der Spielmann schüttelte den Kopf.

      »Es ist nur schade, daß die Geister dir immer nur kommen, wenn es ihnen gefällt,« fuhr Mathias von Hebborn fort, »und nicht, wenn es dir gefällt. Sonst ...«

      »Sonst ... was wäre sonst?« fragte Berend fast wie mechanisch und ohne seinen Blicken eine andere Richtung zu geben.

      »Ich warte nur,« entgegnete der Lügenschuster flüsternd, »bis Claus dort aus der Ecke vom Fasse mit den Krügen, die er füllt, zurückkommt und uns hört – wir wollen ihm etwas mit Geistergeschichten einheizen – er tut dann die ganze Nacht kein Auge zu vor Angst. Seit der Mordgeschichte, die er hier erlebt hat, ist der Mann ganz schwach im Hirn geworden.«

      Berend gab kein Zeichen, daß er in der Stimmung sei, auf diesen Scherz einzugehen; aber der Lügenschuster ließ sich nicht stören und da Claus Fettzünsler in diesem Augenblicke zurückkam, um zwei frischgefüllte Krüge auf den Tisch zu setzen, fuhr er laut fort: »Sonst,


Скачать книгу