Beyond price. Svea Lundberg

Beyond price - Svea Lundberg


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atmete ich aus, senkte meine Schultern, hob den Kopf. Sah in den Spiegel und schaffte es sogar, die Andeutung eines anzüglichen Lächelns auf meinen Lippen zu formen. Gerade noch rechtzeitig, ehe ein energisches Klopfen an der Tür ertönte und diese nur Sekunden später aufgeschoben wurde.

      »Hey, bist du fertig?« Jayson trat ein paar Schritte in den Raum hinein. Im Spiegel trafen sich unsere Blicke, verloren einander, nur um sich wiederzufinden – direkter dieses Mal –, nachdem ich mich umgedreht hatte. Ungeachtet seiner Frage nahmen wir uns beide die Zeit, den anderen eingehend zu mustern. Natürlich hatte ich das beim Barbecue bereits getan und Jaysons knappes Outfit an besagtem Abend hatte wenig Raum für Spekulationen gelassen. Was mir allerdings bislang entgangen war, waren die beiden kleinen Metallstäbe, die sich durch seine Brustwarzen bohrten und meine Aufmerksamkeit unweigerlich anzogen.

      »Stehst du auf Nippelpiercings?« Natürlich waren ihm meine Blicke nicht entgangen, und dass er mich direkt darauf ansprach, weckte eine seltsame Mischung aus Abwehr und Erleichterung in mir.

      »Stehst du drauf, sie geleckt zu bekommen?«

      Auf meine Gegenfrage wanderten seine Brauen in die Höhe. Für einen langen Moment hielt er meinen Blick, ehe er in einer lässigen Geste mit den Schultern zuckte und sich abwandte. »Find’s raus.«

      Sein Konter ließ ein Lachen in meiner Kehle aufsteigen. Ich stieß mich endgültig vom Waschbecken ab und folgte Jayson. Er jedoch hielt an der Tür inne. Als sei ihm gerade noch etwas eingefallen, sah er über die Schulter zu mir.

      »Ich kann dir jetzt schon versprechen, dass ich es lieben werde, dich zum Stöhnen zu bringen – vorausgesetzt du stöhnst in derselben Tonlage, in der du sprichst.« Ein Zwinkern folgte, ehe er sich abwandte und endgültig den Raum verließ. Schnaubend folgte ich ihm. Irgendetwas an seiner kessen Art reizte mich – fraglich nur, ob im erregenden oder aufregenden Sinne.

      Im Grunde mochte ich Kerle wie ihn. Direkt und geradeheraus. Selbstbewusst. Allein schon, weil sie den Eindruck vermittelten, als könnten sie Grenzen aufzeigen. Und im selben Moment sorgten Kerle wie Jayson dafür, dass ich rastlos wurde. Meine Gedanken abdrifteten. Dorthin, wo sie nicht sein sollten. Sie sorgten dafür, dass Fragen, die ich bis heute nicht vollumfänglich beantworten konnte, erneut in meinem Kopf laut wurden. Die Frage nach dem Warum. Warum hatte ich nicht …?

      »Kommst du?«

      »Ja.« Energisch zog ich die Tür hinter mir zu und folgte Jayson aus den Sanitäranlagen nach oben ins Foyer der Mansion. Am Kopf der Treppe jedoch hielt ich ihn auf.

      »Jayson?«

      »Ja?« Er wandte sich mir zu, seine Miene fragend und offen.

      »Bevor wir da rausgehen«, in einer vagen Geste nickte ich in Richtung der bodentiefen Fenster, durch welche man in die Gartenanlage der Mansion sehen konnte, »ich weiß, dass Dave mit dir gesprochen hat, aber … ich wollte dennoch sichergehen, dass du über alles Bescheid weißt. Meine HIV-Infektion, meine ich.« Meinem Stocken konnte er wohl nur allzu leicht entnehmen, dass ich nicht gern über dieses Thema sprach. Was er sicher nicht wusste, war, weshalb jedes Wort in mir nagte. Dass es dabei nicht nur um die Infektion an sich ging.

      Erleichtert registrierte ich sein Nicken. »Ich weiß Bescheid, alles gut.«

      »Hat Dave dir die Bescheinigung gezeigt? Wegen meiner Viruslast?«

      »Hat er. Ich bin cool damit, okay?«

      Nichts war okay. Aber dagegen konnte Jayson am allerwenigsten tun. Das, was ich von ihm wissen musste, hatte er mir gesagt.

      »Okay, na dann … lass uns gehen.« Entgegen meinen Worten rührte ich mich keinen Zentimeter. Sah lediglich Jayson hinterher, der quer durchs Foyer ging und die breite Glastür zur Terrasse aufzog.

      Wie gern hätte ich es ihm gleichgetan und das Wissen um meine Infektion mit einem Lächeln begraben. Aber HIV war nichts, das sich einfach so weglächeln ließ. Nie. Und schon gar nicht für mich. Weil jeder Gedanke daran sich um so viel mehr drehte als um die Frage nach der passenden Medikation oder der Viruslast. Jeder Gedanke an das Virus beschäftigte sich in meinem Hirn nicht nur mit dem Jetzt oder mit dem, was noch kommen würde. Sondern vielmehr mit dem, was geschehen war.

      Was mit mir geschehen war.

      Sobald es um HIV ging, hatte ich keine Möglichkeit mehr, Angel und Mason zu trennen.

      Das, was Steve auf emotionaler Ebene mit Angel gemacht hatte, war die eine Sache. Steve hatte Spuren in meiner Psyche hinterlassen, die ich nicht einfach ausradieren konnte. Aber wenn ich Angel gedanklich von Mason trennte, hatte ich wenigstens die Chance, mit etwas Distanz auf meine Vergangenheit zu blicken.

      HIV jedoch konnte ich nicht aus der Ferne betrachten. Die Infektion war ein Teil von mir und würde es immer sein. So wie gewissermaßen auch Angel immer ein Teil von mir sein würde, aber einer, den ich verarbeiten konnte. Langsam nur und mit viel Überwindung und Kraft. Angel konnte ich Stück für Stück hinter mir lassen – oder zumindest hoffte ich das. Das Virus allerdings würde immer bleiben. Denn selbst wenn meine Viruslast dank Therapie unter der Nachweisgrenze war, war HIV immer da. Kontrollierbar zwar, aber eben nie fort.

      Und auch wenn Steve selbst nicht derjenige war, bei dem ich mich angesteckt hatte, so war doch er es, der seine Spuren hinterlassen hatte. In mir. Spuren, die sich zwar verwischen ließen, aber eben doch nie verschwinden würden. Und seien es nur die Tabletten, die ich täglich schluckte, die mich an ihn erinnerten.

      Wahrscheinlich waren es genau jene Erinnerungen, genau jene verdammte Omnipräsenz dieses Mannes in meinem Bewusstsein, die dafür gesorgt hatten, dass ich nun hier war. Hier, bei CC Cocks. Bereit dafür, wieder ins Rampenlicht der Pornoindustrie zu treten, in dem Wissen, dass ich damit ein verdammtes Beben auslösen konnte. In dem Wissen, dass ich mit meiner Rückkehr eine Reaktion von Steve provozierte. Eine, von der ich mir nicht sicher war, wie sie aussehen würde, und ebenfalls eine, von der ich mir nicht sicher war, ob ich mit ihr würde umgehen können.

      Aber verdammt, ich war bereit dazu! Musste, nein, wollte es sein. Ich wollte Steve zeigen, dass ich zurück war. Wollte als Mason vor der Kamera stehen in dem Wissen, dass Steve es sehen konnte. Dass er mich sehen konnte.

      Mason war – ich war – bereit, derjenige zu sein, der die Fäden in der Hand hielt. Der bereit war, Angel abzustreifen, auch wenn ich den Kampf hierzu noch immer ausfocht. Angel würde nicht mehr derjenige sein, mit dem etwas passierte.

      Energisch straffte ich die Schultern, stieg die letzte Treppenstufe hinauf und folgte Jayson quer durch das Foyer und über die Terrasse nach draußen.

      Neben strahlendem Sonnenschein und Sommerwärme erwartete uns ein fertig aufgebautes Set, bestehend aus einer breiten Polsterliege neben dem Pool und diversen Kameras, Stativen und Lichtequipment. Auf einem kleinen Tisch, etwas abseits unter einem Sonnenschirm, standen Getränke sowie Gleitgel und Papiertücher bereit. Dave hantierte gerade an einer der Kameras, warf uns lediglich einen flüchtigen Blick über die Schulter hinweg zu.

      »Hi, Jungs, geht gleich los.«

      Während Jay sich an einer Limo bediente, in kleinen Schlucken daran nippte, nutzte ich die Zeit, den Blick schweifen zu lassen. Ich kannte die weitläufige Gartenanlage von der Barbecue-Party, doch ohne Bar, Grill und Buffettische und vor allem ohne mehrere Dutzend Gäste erstrahlten der gepflegte Rasen, die reichlich bepflanzten und mit Steinfiguren dekorierten Beete und nicht zuletzt der großzügige Pool in einem ganz anderen Licht. Definitiv war dies hier eines der Sets mit dem höchsten Wohlfühlfaktor, an denen ich je gedreht hatte. Aber nicht nur die Umgebung, alles an dem Dreh heute würde anders sein als damals bei Black Tail. Nicht zuletzt der Umstand, dass zwischen Angel Rough und Mason Reign nicht nur optisch inzwischen Welten zu liegen schienen. Wenigstens nach außen hin.

      Ich sah zurück zu Jay, der mir über den Rand der Limoflasche hinweg zugrinste. Aus leicht zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn erneut, was er mit anscheinend stoischer Ruhe über sich ergehen ließ. Und ich war tatsächlich bereit, ihm abzukaufen, dass es ihn nicht im Mindesten verunsicherte, forschend gemustert zu werden.

      Mit Blicken am Rand seiner bunten


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