Beyond price. Svea Lundberg

Beyond price - Svea Lundberg


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war wie Jay. Versatile bezog sich bei ihm definitiv nicht nur auf die Sexposition.

      »Ansonsten hat Dave mir noch nicht allzu viel über ihn verraten und unser Gespräch war jetzt auch nicht so besonders tiefgründig«, fuhr Jay fort und brachte mich damit dazu, ihn wieder anzusehen. »Zumindest hat er schon Erfahrung vor der Kamera.«

      »Ach, echt?« Vom ersten Eindruck her hätte ich diesen Mason auf Ende zwanzig geschätzt. Viele der Darsteller begannen ihre Karriere zwar schon früher, aber es gab auch einige, die erst mit über dreißig ins Business einstiegen.

      »Mhm, hat wohl vor einigen Jahren schon mal mit den Black Tail Studios gedreht. Ausgerechnet …«

      »Warum, was … Ah, Moment, für Black Tail hast du auch gearbeitet, oder? Vor CC Cocks?«

      »Jepp.« Jay zog die Beine auf die Liege hoch, verschränkte sie im Schneidersitz. »Eine Erfahrung, auf die ich ganz gut hätte verzichten können. Andererseits wäre ich heute vielleicht nicht da, wo ich bin, ohne die Zeit bei Black Tail.«

      ›Da, wo ich bin‹, meinte in Jays Fall wohl so viel wie: ganz oben am Pornohimmel. Ich hatte nie nach seinen Klickzahlen oder nach der Höhe seines Honorars gefragt, aber man musste nicht mal ein Kenner der Gay-Porn-Industrie sein, um zu wissen, dass Jayson Ward zu den begehrtesten Darstellern überhaupt gehörte. Nicht umsonst versuchten andere Labels immer wieder, ihn von CC Cocks abzuwerben – absolut vergebens allerdings.

      ›Zurück nach Porn Valley? Niemals!‹, pflegte er zu sagen, wenn man ihn darauf ansprach, ob er sich vorstellen konnte, CC Cocks den Rücken zu kehren und zu einem der vielen im San Fernando Valley ansässigen Studios zu gehen. Und das, obwohl ihm die Arbeit im Porno-Tal nahe Los Angeles diverse Flüge nach New York ersparen würde. Mehr noch, wenn er und Dale wie geplant in den nächsten Monaten zusammenziehen würden.

      So oder so, Jay war auf dem Zenit seiner Karriere. Von diesem war ich selbst noch weit entfernt, allerdings war es auch nicht mein erklärtes Ziel, eines der bekanntesten Pornosternchen zu werden. Ich mochte es, Sex vor der Kamera zu haben, und Gay-Pornos zu drehen, war ein lukrativer Verdienst neben dem Studium, aber es war nicht der Mittelpunkt meines Lebens. Nicht das, was ich ewig lang machen wollte. Ich mochte mein Architekturstudium und ich hatte Träume abseits des Pornosets.

      »Dann kennt ihr euch von früher?«, hakte ich nach und lenkte meine Gedanken somit wieder zu Jay und diesem Mason. Irgendwie interessierte mich seine Geschichte, obwohl ich ihn nur vom Sehen kannte. Vermutlich einfach, weil es mich interessierte, wie er HIV und Porno miteinander vereinbarte.

      »Nein. Mason muss noch vor meiner Zeit bei Black Tail gewesen sein. Er war wohl einige Jahre aus dem Business draußen.«

      »Weißt du, warum?«

      »Ich weiß nichts Genaues. Schien, als wollte er nicht darüber reden. Aber wenn ich seine Andeutungen richtig verstanden habe, hatte die Zwangspause was mit seiner HIV-Infektion zu tun.«

      Ich gab ein halb zustimmendes, halb nachdenkliches Brummen von mir und stemmte mich ebenfalls in eine sitzende Position hoch.

      »Na ja«, begann ich laut zu überlegen, »wenn er mittlerweile durch die Therapie unter der Nachweisgrenze ist, dürfte die Infektion, beziehungsweise deren Entdeckung, ja einige Zeit her sein. Könnte mir vorstellen, dass man als HIV-positiver Darsteller noch vor ein paar Jahren richtig Probleme innerhalb des Business hatte.«

      »Mit Sicherheit. Und das Stigma dürfte bis heute nicht allzu sehr abgenommen haben«, entgegnete Jay mit ebenso nachdenklicher Miene und setzte noch ein geseufztes »Leider« hinzu.

      »Muss heftig sein«, murmelte ich und merkte erst, als Jay ein fragendes Brummen von sich gab, weil ich nicht weitersprach, dass ich laut gedacht hatte. »Die Diagnose zu bekommen.«

      »Mit Sicherheit, ja. Andererseits … HIV ist nicht mehr das, was es vor fünfzehn Jahren war. Ich meine, es ist heutzutage bei früher und gezielter Therapie durchaus möglich, gut mit der Infektion klarzukommen. Ich glaube eher, dass das ganze Drumherum wahnsinnig zermürbend sein kann.«

      Ich nickte langsam, sah nachdenklich auf meine Finger, mit denen ich Kreise auf meinem Handtuch malte. Abgesehen von gedämpfter Musik, die aus der Villa zu uns drang, war es still zwischen uns. Ich dachte über Jays Worte nach und landete mit meinen Gedanken unweigerlich bei dem zurückliegenden Gespräch mit ihm, Rizzo und Liam.

      Letzterem war der Schock darüber, dass Jay sich wissentlich dazu entschieden hatte, mit einem HIV-positiven Mann Sex zu haben, und darüber, dass Rizzo es ebenso in Erwägung zog, überdeutlich anzusehen gewesen. Ganz sicher hatte Liam seine Reaktion in keiner Weise böse oder abfällig gemeint. Er war nur einfach … Ja, was denn? Zu unaufgeklärt? Damit war er ganz sicher nicht allein. Vermutlich machten die meisten Männer – und auch Frauen – um einen Positiven einen großen Bogen. Aus Unwissenheit. Aber machte es das besser? Wie zermürbend musste es sein, immer und immer wieder zurückgewiesen und gemieden zu werden, nur weil die Leute nicht über Risiken und vor allem Nicht-Risiken Bescheid wussten?

      Versunken in meine Grübeleien blinzelte ich fragend neben mich, als Jay aufstand und sich streckte.

      »Ich sollte langsam duschen und dann los. Bin mit Dale zum Essen verabredet.«

      Unter den letzten Sonnenstrahlen war es noch immer relativ heiß für New Yorker Verhältnisse und ich hatte ebenfalls langsam genug Sonne für heute, auch wenn wir die vergangenen Stunden unter dem Schirm verbracht hatten.

      »Ich geh auch rein. Wo hat Dale eigentlich den ganzen Tag gesteckt?«

      »Fototermin. Wir gehen in den Irish Pub in der Querstraße zur Mansion. Willst du mitkommen?«

      »Wenn ich euch nicht störe?«

      »Würde ich dann fragen?«

      Grinsend verdrehte ich die Augen und erhob mich ebenfalls, um meinen Kram einzusammeln. Kurz zögerte ich, doch dann hakte ich an Jay gewandt nach: »Was dagegen, wenn ich Devin frage, ob er auch mitkommen will, insofern er rechtzeitig vom Joggen zurückkommt?«

      Kapitel 2 – Mason

      ~~~ August 2019 ~~~

      Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sein.

      Hier.

      Nicht im San Fernando Valley, sondern in New York. Nicht in den Black Tail Studios, sondern bei CC Cocks.

      Nicht in Steves Nähe.

      Zum Glück nicht.

      Zwischen uns lagen mehrere Tausend Meilen, fast fünf Jahre und so einige Gespräche, die ich mit Harold geführt hatte. Gespräche, aus denen sicherlich eine echte Psychotherapiesitzung geworden wäre, wäre Harold nicht der Partner meines Onkels und daher persönlich involviert.

      Auf den ersten Blick – und auch auf den zweiten und dritten – erinnerte nichts in der CC Cocks-Mansion an Black Tail. Nicht die hohen Decken und die Grünpflanzen im Foyer, nicht die lichtdurchfluteten Flure, an deren Wänden stilvolle Aktbilder in Schwarz-Weiß der Exklusiv-Darsteller des Labels hingen und schon gar nicht die mit kleinen Accessoires dekorierten Umkleide- und Duschräume. Im Gegensatz zu den Black Tail Studios wirkte die CC Cocks-Mansion wie ein altehrwürdiges Herrenhaus, in dem man jede Sekunde darauf gefasst sein musste, dass ein höflicher Bediensteter einem einen Tee oder eine Fußmassage anbot.

      Okay, eher eine Analmassage. Die Villa war unverkennbar der Sitz eines der bekanntesten Gay-Porn-Imperien der USA. Aber dennoch so weit von dem entfernt, was Black Tail war.

      Damals.

      Für mich.

      Und dennoch kam es mir vor, als könnte ich Steves Präsenz in jeder Ecke des Raumes fühlen. In jeder Fuge. Als würde er mir gleich aus dem Spiegelglas über dem Waschbecken heraus zulächeln. Mit dieser einnehmenden Mischung aus Spott und Zärtlichkeit, mit der er mich so oft für sich vereinnahmt hatte.

      Es war Jahre her, verdammt!

      Mit einem erstickten Laut in der Kehle, der ein Schnauben hätte werden


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