Herrschaft der Angst. Imad Mustafa
verdächtig, der nicht einverstanden ist mit dem Status quo. (…) Sie sind real und bestialisch. Aber sie sind wenige und sie kommen wie gerufen für ein System, das eigentlich unverwundbar ist und wegen ein paar Jihadisten behaupten darf, es wäre bedroht.«
Der Staatsschutzbeamte: »Keine Gefahr?«
Die Terror-Verdächtige: »Autounfälle sind gefährlicher.«
Was ist mit den Einschränkungen der Grund- und Schutzrechte passiert, die einer besonderen Ausnahmesituation gegolten haben sollen?
Die Rechtsanwältin Jessica Hamed, die Klagen gegen die Corona-Maßnahmen vertritt, führte dazu in einem Interview auf Rubikon.news aus: »Deutschland hat mit den sogenannten Anti-Terror-Gesetzen auf den Terroranschlag 2001 reagiert. Damit sicherte sich der Staat weitgehende Eingriffsgrundlagen, mit denen die Überwachungsmöglichkeiten des Staats verstärkt wurden. Eine besonders kritische Maßnahme war hierbei die der Vorratsdatenspeicherung. (…) Die o. g. Gesetze sind befristet, wurden aber größtenteils immer wieder verlängert. Das zeigt, dass der Staat Eingriffsmöglichkeiten, die er sich schafft, höchst ungern wieder zurücknimmt.« 47
Im besagten Interview ergänzt Rechtsanwalt Professor David Jungbluth:
Ein lernwilliger Blick auf die Historie zeigt jedenfalls, wie sich die Rechtslage in ähnlichen »Notstandssituationen« entwickelt hat. Erinnert sei hier an die Gesetzgebungsmaßnahmen nach dem 11. September 2001, die sich auf ein latentes terroristisches Angriffsszenario berufen haben, das Anlass nicht nur für den bis heute andauernden Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan war, sondern auch für Schilys »Otto-Katalog«, in den erhebliche grundrechtliche Einschränkungen Eingang gefunden haben. Auch wenn das Schreckensszenario eines alles überrollenden islamistisch-terroristischen Angriffs auf die westliche Welt bis heute realitätsfremd geblieben ist, haben die einmal beschlossenen Gesetze und die auf ihnen fußenden Maßnahmen weiterhin Bestand, wurden sie zuletzt doch bis 2021 umstandslos verlängert.48
Als man die zahlreichen, über 30 Gesetzesverschärfungen im deutschen Bundestag 2001/2002 verabschiedete, tat man dies angesichts einer außergewöhnlichen Situation. Bereits damals wusste kaum jemand, was alles mit den Gesetzesverschärfungen zum Tragen kommt und ob sie im Detail tatsächlich den Islamismus bekämpfen helfen.
Zu den Verschärfungen in Gesetzespaket I und II gehören unter anderem:
Die Verschärfung des Vereinsrechtes
Die Ausweitung des § 129 mit dem Ziel, den Straftatbestand der Bildung/Unterstützung einer terroristischen Vereinigung auch auf ausländische Organisationen auszuweiten (§ 129b)
Der erweiterte Zugriff auf Bank- und Flugdaten von Verdächtigen
Die Vorratsdatenspeicherung, die es den Verfolgungsorganen erlaubt, auf Handydaten bei den Providern zuzugreifen
Die Schaffung einer »Antiterrordatei«, die Polizei und Geheimdienst gemeinsam nutzen
Die Einschränkung des Post- und Fernmeldegeheimnisses
Die Verschärfung des Ausländerrechts
Unter dem Eindruck, dass die Welt im Wanken ist, hat man im Deutschen Bundestag zugestimmt und den wenigen mahnenden Stimmen insoweit Rechnung getragen, dass man diese Verschärfungen befristet hat. Nach fünf Jahren sollte geprüft werden, ob die Gesetzesänderungen tatsächlich ihren Zweck erfüllen, um sie gegebenenfalls rückgängig zu machen.
Was ist dann im Überprüfungsjahr 2007 passiert? Nichts – oder doch:
»Durch die Einführung des ›Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes‹ im Januar 2007 wurden sie dann jedoch verlängert und inhaltlich erweitert.« 49
Der Ausnahmezustand nahm die Form eines Normalzustandes an. Genau dieses Faktum lobt auch der Chef des Weltwirtschaftsforums (WEF) Klaus Schwab und versteht dies als Blaupause für die Zukunft: »Überall auf der Welt wurden neue Sicherheitsmaßnahmen zur Norm wie der Einsatz von weit verbreiteten Kameras, das Erfordernis eines elektronischen Personalausweises und das Ein- und Ausloggen von Mitarbeitern oder Besuchern. Damals galten diese Maßnahmen als extrem, aber heute werden sie überall eingesetzt und als ›normal‹ betrachtet.« 50
Infektionsschutzgesetz 2020
»Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite«: Am 18. November 2020 ist im Bundestag in Windeseile das, was seit Monaten »außerparlamentarisch« per Erlass beschlossen wurde, in das Gesetz miteingeflossen und damit normalisiert worden. Untersagt werden darf damit alles, was den Privatbereich betrifft: Sport- und Kulturveranstaltungen, Übernachtungen, Alkoholkonsum, Gastronomiebetrieb oder Gottesdienste. Außerdem können Ausgangsbeschränkungen für den öffentlichen wie den privaten Raum angeordnet werden. Für den Fall, dass man etwas vergessen hatte, kann man auf die alte Generalklausel zurückgreifen: § 28 IfSG gilt weiterhin fort und kann also im Zweifel auch für weitere, nicht ausdrücklich aufgezählte Corona-Maßnahmen herhalten.
Im Bundestag stimmte eine Mehrheit aus SPD und CSU/CDU zu. Die FDP, die AfD, die Grünen und die Partei DIE LINKE stimmten dagegen.
Dass dieses Nein der Partei DIE LINKE ganz praktisch auch ein Ja sein kann, ist daran abzulesen, dass die Länderregierungen mit linker Beteiligung im Bundesrat zugestimmt haben.
Für viele Linke ist der Ausnahmezustand in Ordnung. Sie begrüßen ihn. Sie sind Musterschüler bei der Einhaltung der Beschränkungen und halten es für eine Form der »Solidarität«, wenn sie mitmachen. Ein Teil dieser Linken geht in diesem Zusammenhang auf die Straße und macht noch mehr: Er schlägt sich demonstrativ auf die Seite von Regierung und Mainstreammedien und benutzt ein gemeinsames Vokabular: Da ist fast ausschließlich von »Covidioten« oder »Verschwörungstheoretikern« und »Aluhutvertretern« die Rede, wenn sie sich den Querdenker*innen-Demos in den Weg stellen. Und sie unterstellen den Querdenker*innen eine Nähe zum Faschismus. Diese Nähe beweist man in der Regel nicht durch inhaltliche Übereinstimmungen mit faschistischen Ideologien. Meist reicht es diesem Verdacht, wenn man Reichsflaggen und Nazis in den Demonstrationen ausmacht.
Wenn also das Urteil über die Menschen, die den Querdenker*innen-Demos folgen, so glasklar ist, wenn man sie zu halben Nazis macht oder zu solchen, die mit ihnen »Hand in Hand« gehen, dann bleibt doch immer noch die Frage unbeantwortet, ob dieser Teil der Linken nur noch Regierungspolitik betreibt und wenn nein: Warum bringt sie nicht ihre eigene Kritik auf die Straße?
Obgleich zum Beispiel die sich als marxistisch verstehende Tageszeitung junge Welt wenig bis gar nichts für die Querdenk*innen übrig hat, stellt sie mit Blick auf die Demonstrationen vor dem Bundestag am 18. November 2020 gegen die Annahme des »Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite« fest:
Einmal mehr bemerkenswert an der teils äußerst aggressiv vorgetragenen Ablehnung des Gesetzes ist, dass ausgerechnet rechte und faschistische Kritiker des Entwurfs sich zu Verteidigern des Grundgesetzes aufschwingen. Dagegen thematisiert die politische Linke hauptsächlich die Folgen des Kampfes gegen die Pandemie etwa für sozial Benachteiligte und Kulturschaffende und moniert gleichzeitig die Folgen für die Grundrechte. Auf die durchaus vorhandene Möglichkeit, eigene Protestaktionen durchzuführen, um Kritik am bisherigen Vorgehen der Bundesregierung zu üben, verzichteten linke Parteien und Organisationen bislang jedoch vollständig. 51
Denn es geht in der Tat nicht allein darum, eine gerechte Verteilung der Krisenkosten zu fordern – was Teile der Linken tatsächlich auch tun. Während man andere für Idioten hält, fragen sich dieselben Linken aber nicht, warum diese Forderung so lieb wie folgenlos bleiben wird.
»Wir zahlen nicht für eure Krise« war eine gute und beliebte Parole als Antwort auf die Milliarden-Hilfe an Unternehmen, die systemrelevant waren, als diese 2007 ff. vor dem Bankrott standen. Was war das Ergebnis recht großer Demonstrationen? Woran lag es, dass diese Forderung dermaßen von den Ereignissen überfahren wurde?
Ist